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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2012
13. Jahrgang
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1. Nach allgemeinen Grundsätzen hat jeder, der Gefahrenquellen schafft, die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen (vgl. BGHSt 53, 38, 42). Da eine absolute Sicherung gegen Gefahren nicht erreichbar ist, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein um-
sichtiger Mensch für notwendig hält, um Andere vor Schäden zu bewahren. Strafbar ist die Nichtabwendung einer Gefahr aus der vom Garanten eröffneten Gefahrenquelle dann, wenn eine nahe liegende Möglichkeit begründet wurde, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können.
2. Stellt der Angeklagte eine Flasche mit der Ersatzdroge „Cleanmagic“ auf den Wohnzimmertisch seiner Freundin, der er sodann eröffnet, dass er in Zukunft (wieder) mit einer anderen Frau leben wolle, schafft er eine erhebliche Gefahrenquelle, auch wenn die Freundin zuvor noch nie Suizidabsichten geäußert hatte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er ihr früher den Konsum angeboten hatte und er selbst besser über das Risiko des Konsums informiert ist.
3. In dem Moment, in dem der Angeklagte wahrnahm, dass die Geschädigte tatsächlich Cleanmagic trank und in dem er erkannte, dass sie eine erhebliche Menge des bekanntermaßen sehr gefährlichen Mittels getrunken hatte, die sie nicht sogleich erbrach, muss er unverzüglich den Notarzt rufen.
4. Eine eigenverantwortlich versuchte Selbsttötung der Geschädigten liegt nicht vor, wenn es an einer ernst gemeinten und freiverantwortlichen Entscheidung des Opfers sich zu töten fehlt. So liegt der Fall, wenn die Geschädigte in Anwesenheit des Angeklagten von dem Reinigungsmittel trank. Dann ist davon auszugehen, dass sie dies tat, um auf sich aufmerksam zu machen.
1. § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB verlangt ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die Verhinderung der Tatvollendung. Dabei bestehen grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Alleintäter, so dass insbesondere das Verhalten des Zurücktretenden für das Ausbleiben der Vollendung zumindest mitursächlich werden muss. Unter Absatz 2 Satz 1 hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Fälle gefasst, in denen die Beteiligten an der Tat den Rücktritt einvernehmlich durchführen (BGHSt 42, 158, 162). Dabei wird es als ausreichend angesehen, wenn ein Beteiligter mit dem Rücktritt des anderen einverstanden ist. Handeln alle Beteiligten einvernehmlich, kann das schlichte Nicht-Weiterhandeln für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB ausreichen.
2. Diese Grundsätze gelten auch für den Gehilfen, der anderenfalls bei einem wirksamen Rücktritt des Haupttäters, der bereits zur Erfolgsverhinderung führt, trotz Rücktrittswillens überhaupt nicht zurücktreten könnte (BGHSt 44, 204, 208).
3. Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB kann erfolgen, indem die Angeklagten einverständlich die gegenüber dem Geschädigten erhobene Forderung zur Zahlung einer „Strafe“ nicht weiter verfolgen. Dafür kann auch ein von der Polizei bereits überwachtes Gespräch mit einem der Angeklagten ein durchgreifendes Indiz darstellen, wenn die vermeintliche Forderung darin als nicht bestehend erachtet wird.
4. Die allgemeine Furcht vor Entdeckung der Tat vermag die Freiwilligkeit nicht in Frage zu stellen.
Wird eine gefälschte Urkunde dem ursprünglichen Tatplan entsprechend mehrfach gebraucht, so liegt nur eine Tat der Urkundenfälschung vor.
1. Ein Zugänglichmachen liegt in der Zurverfügungstellung einer Plattform, die dem Einstellen von Dateien im Internet dient, wobei die Möglichkeit des Lesezugriffs genügt. Nichts anderes gilt für das Bereitstellen entsprechender Links, wobei es nach Auffassung des Senats ohne Belang ist, ob das Zugänglichmachen durch das Posten eines Links auf eine kinderpornografische Datei erfolgt oder ob die Zieladresse durch Verändern von Buchstaben aus Sicherheitsgründen geringfügig verändert und von den Nutzern nach Weisung manuell eingegeben wird.
2. Das Zugänglichmachen erfolgt öffentlich, wenn einem größeren, in seiner Zahl und Zusammensetzung unbestimmten Personenkreis die Möglichkeit der Kenntnis-
nahme eröffnet wird. Ein öffentliches Zugänglichmachen von kinderpornografischem Material liegt auch dann vor, wenn der Zugang durch technische Vorkehrungen und Scheinhindernisse nicht auf einen dem Anbieter überschaubaren kleinen Personenkreis beschränkt werden kann, es sich vielmehr um einen anonymen, nicht überschaubaren Benutzerkreis handelt.
3. Das Unternehmen des Drittbesitzverschaffens an einer kinderpornographischen Datei erfasst alle mit der Besitzübertragung und -begründung verbundenen Aktivitäten, auch wenn diese sich noch im Versuchsstadium befinden (§ 11 Nr. 6 StGB). Auch im Übersenden von Links auf kinderpornographische Dateien liegt ein Unternehmen des Besitzverschaffens im Sinne des § 184b Abs. 2 StGB.
4. Mit dem Speichern einer Datei im Cache-Speicher erlangt der Nutzer hieran Besitz – sofern er sich des Vorhandenseins dieser Daten bewusst ist – da es ihm möglich ist, diese jederzeit wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht werden (BGH NStZ 2007, 95).
5. Auch für die Tathandlung des Verbreitens i.S.v. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB macht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 55, 59 f.) keinen rechtlich relevanten Unterschied, ob der Anbieter dem Nutzer die Dateien explizit zusendet (Upload) oder der Nutzer diese durch Aktivieren eines Links anfordert (Download).
1. Missbrauch von Titeln in Form des unbefugten Führens akademischer Grade (§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB) erfüllt nicht jede unbefugte Inanspruchnahme eines Titels oder einer Berufsbezeichnung. Der Täter muss vielmehr Titel oder Berufsbezeichnung unter solchen Umständen verwenden, dass das durch § 132a StGB geschützte Rechtsgut gefährdet wird (BGHSt 31, 61). Geschützt wird die Allgemeinheit davor, dass einzelne im Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Stellung hat, Handlungen vornehmen könnten, die für sie oder andere schädlich sein können. Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst also nicht schon „den rein äußerlichen Missbrauch, durch den sich der Täter einen falschen Schein gibt“ (BGH aaO). Dies ist nicht stets der Fall, wenn ein falscher Doktortitel bei einem Versuch gebraucht wird.
2. Die betrügerische Geltendmachung eines Versicherungsschadens durch den Eigentümer als Versicherungsnehmer führt ebenso wenig wie ein Versicherungsmissbrauch zu einer Änderung der bestehenden Eigentumslage bzw. zu einer rechtswidrigen Besitzlage an einem durch den Eigentümer übertragenen Fahrzeug. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer trotz Begehung einer der vorgenannten Straftaten weiterhin als Berechtigter über die versicherte Sache verfügen.
3. Der Ausdruck einer E-Mail oder ihres Anhangs stellt keine Urkunde dar. Das Vorlegen eines solchen Ausdrucks kann nur dann das Gebrauchmachen von einer gefälschten Urkunde darstellen, wenn überhaupt jemals eine solche (falsche oder verfälschte) Urkunde vorgelegen hat.
4. Die gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat muss jedoch abgeschlossen sein, bevor die Hehlerei begangen wird. Ist dies nicht der Fall, kann allein Beihilfe zur Vortat vorliegen.
1. Die absichtliche Herbeiführung eines Auffahrunfalls stellt das Bereiten eines Hindernisses im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB dar.
2. In Fällen provozierter Unfälle liegt nicht regelmäßig die Gefahr nahe, dass der plötzliche Aufprall bei den von der Situation überraschten Insassen des auffahrenden Fahrzeugs, dessen Auffahrgeschwindigkeit der Täter nicht beeinflussen könne, zu nicht unerheblichen Verletzungen namentlich im Kopf- und Halswirbelsäulenbereich führe. Mit solchen allgemeinen Erwägungen lässt sich regelmäßig eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen nicht hinreichend belegen. Vielmehr sind grundsätzlich konkrete Feststellungen insbesondere zu den Geschwindigkeiten der Pkw im Zeitpunkt der Kollision und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen erforderlich.
1. Allein die Tatsache, dass betrügerisch erworbene Gegenstände in den auch vom Angeklagten bewohnten Haushalt gelangt und dort verblieben sind, vermag noch nicht die Annahme zu rechtfertigen, der Angeklagte habe die Gegenstände im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwahrt. Zwar ist unter Verwahren bereits die bewusste Ausübung des Gewahrsams zu verstehen. Gelangt der in § 261 Abs. 1 StGB bezeichnete Gegenstand jedoch ohne Zutun des Täters in seinen Herrschaftsbereich und ist eine wie auch immer geartete Übernahmehandlung, durch die sein Wille zur Sachherrschaft zum Ausdruck
käme, nicht erkennbar, kann allein das Vorhandensein des inkriminierten Gegenstandes im Zugriffsbereich des Täters schon in Ermangelung einer die Grundlage der Strafbarkeit bildenden Handlung kein tatbestandsmäßiges Verhalten darstellen.
2. Die zum Fragenkreis der Tatidentität (§ 264 StPO) zwischen Betrugs- und Geldwäschetaten ergangene Rechtsprechung ist nach Ansicht des Senats uneinheitlich.
Auch Maestro-Karten sind Zahlungskarten mit Garantiefunktion.