HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2012
13. Jahrgang
PDF-Download

Schrifttum

Detlef Burhoff: RVG. Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., ZAP Verlag, 2117 Seiten, 108 EUR, Münster 2012.

Der Name Burhoff dürfte inzwischen allen strafrechtlich tätigen Personen bekannt sein. Unter anderem im Bereich der Strafverteidigervergütung führt kein Weg an ihm vorbei. Innerhalb von kürzester Zeit hat sich sein Kommentar zum RVG als Standardwerk etabliert. Neben mehreren Gesamtkommentaren zum RVG sowie einigen Handbüchern zur Vergütung des Strafverteidigers (wie z.B. von Mertens/Stuff aus der Reihe "Praxis der Strafverteidigung" aus dem C.F.Müller Verlag – der Hinweis sei erlaubt) liegt damit der einzige Kommentar vor, der sich auf die Straf- und Bußgeldsachen konzentriert. Mit dem Stand Juni 2011 erscheint er nun bereits in der 3. Auflage binnen weniger Jahre.

Der Umfang ist noch einmal angewachsen auf nunmehr 2.117 Seiten. Dadurch bleibt jedoch auch keine denkbare Frage aus diesem Bereich unbearbeitet. Insbesondere schöpfen die Autoren aus einem schier unermesslichen Vorrat an Rechtsprechung aus allen Landesteilen und Instanzen. Gerade dies macht den besonderen Wert des Kommentars aus, da einige wichtige Fragen von den Gerichten unterschiedlich beantwortet werden. Weiterhin zeichnet sich das Werk durch eine starke Praxisorientierung aus. Neben zahlreichen wichtigen Tipps und Hinweisen finden sich viele Berechnungsbeispiele und Muster, die gerade für den Anfänger und den nicht so häufig im Strafrecht tätigen Rechtsanwalt hilfreich sind.

Neben Burhoff selbst nehmen mit Schmidt und Volpert zwei erfahrene Rechtspfleger die Kommentierungen vor. Sie können die eigenen praktischen Erfahrungen aus der täglichen Arbeit in diesem Bereich einbringen, etwa wenn es um die Festsetzung der Vergütung nach §§ 11 und 55 RVG (A. Rn. 217 ff. und 579 ff.) oder um die Kostenfestsetzung und Erstattung in Strafsachen geht (A. Rn. 842 ff.).

Auch in der 3. Auflage stellt das Buch der eigentlichen Kommentierung der für das Straf- und Bußgeldverfahren relevanten Normen des RVG einschließlich des Vergütungsverzeichnisses ein Vergütungs-ABC voran (S. 1-699), in dem wichtige Stichworte vorab behandelt werden. Im Anschluss an die Kommentierung dienen eine umfangreiche Rechtsprechungsübersicht (über 130 Seiten), ein Abdruck der gesetzlichen Vorschriften sowie ein differenziertes Stichwortverzeichnis (über 150 Seiten) der praktischen Nutzbarkeit. Beigelegt ist eine CD-ROM mit einer umfassenden Rechtsprechungs-Datenbank.

Bei einer solchen Stofffülle kann der Rezensent nur einige Aspekte herausgreifen. Beispielhaft sei zunächst auf das Problem verwiesen, ob es sich beim vorbereitenden und beim gerichtlichen Verfahren um unterschiedliche Angelegenheiten handelt. Die Frage ist genauso umstritten wie bedeutend, da sich unterschiedliche Konsequenzen für die Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Anrechenbarkeit von Zahlungen (B. § 58 Abs. 3 RVG Rn. 15 f.) ergeben. Beide Auffassungen werden mit umfangreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung vorgetragen, bevor Burhoff sich gut begründet gegen die wohl in der Rechtsprechung herrschende Auffassung, nur eine Angelegenheit anzuerkennen, ausspricht (A. Rn. 71, 90 f.).

Instruktiv für den Strafverteidiger sind die Ausführungen von Volpert zu den Kosten eines Dolmetschers (A. Rn. 426 ff.). Mit dieser Situation ist der Praktiker häufig konfrontiert. Die Erläuterungen dazu sind verständlich und hilfreich.

Dass das vorliegende Buch mehr ist als eine bloße Kommentierung des RVG, zeigt sich etwa, wenn Burhoff den Blick auch auf die Geldwäscheproblematik wirft (A. Rn. 698 ff.). Mit Hilfe einer Checkliste gibt er wichtige Hinweise für den Umgang in bedenklichen Situationen.

Auch bei der Frage des Ermessenspielraums für die Gebührenbestimmung nach § 14 RVG stellt Burhoff die unterschiedliche Rechtsprechung umfassend dar. Dabei vertritt er die Auffassung, dass es bei dem allgemein anerkannten Spielraum von 20 % bleiben sollte (A. Rn. 1099). Eine Steigerung auf 25 % oder sogar 30 % erscheint in den Augen des Rezensenten jedoch sachgerecht. Die Zukunft wird zeigen, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickelt.

Neben der gesetzlichen Vergütung wird auch die Vergütungsvereinbarung besprochen (A. Rn. 1503 ff.). Dabei wird insbesondere auf die vom Bundesverfassungsgericht korrigierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unangemessenheit der Höhe der Vergütung des Strafverteidigers eingegangen. Zahlreiche Hinweise zur Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarung, eine Checkliste sowie Mustervorschläge runden die diesbezügliche Kommentierung ab.

Besonders wichtig für die anwaltliche Praxis bei der Verteidigung in schwierigen und umfangreichen Strafverfahren ist die ausführliche Kommentierung zu § 51 RVG (B. § 51 RVG). Viele Hinweise und ein 22seitiges ABC der Pauschgebühr helfen zu erkennen, wann ein entsprechender Antrag Erfolg verspricht und wie er zu begrün-

den ist. Gerade in diesem Bereich kann man als Rechtsanwalt zusätzliche Einnahmen generieren, allerdings mangels einschlägigen Wissens auch verschenken.

Intensiv aufgearbeitet wird auch die umstrittene Frage, ob die Tätigkeit des Zeugenbeistands nach Abschnitt 3 oder Abschnitt 1 des 4. Teils des Vergütungsverzeichnisses vergütet wird. Jeder Strafverteidiger kann genau nachlesen, in welchem Lager "sein" Gericht steht. Burhoff selbst vermag gut und nachvollziehbar zu begründen, warum die zweite Meinung vorzuziehen ist (B. Vorbemerkung 4.1 Rn. 5 ff.).

Ein anderer Streitstand ist inzwischen durch den Bundesgerichtshof entschieden, was für die Praxis wenig Argumentationsspielraum lässt. Das erkennt auch Burhoff in seiner Darstellung, ohne jedoch seine eigene gegenteilige Auffassung aufzugeben, dass nämlich eine zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4141 VV auch dann anfällt, wenn das Strafverfahren eingestellt und anschließend das Verfahren gemäß § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird zur Durchführung eines Bußgeldverfahrens (B. Nr. 4141 VV Rn. 17). Gerade die wichtige und im Detail nicht immer leicht verständliche Gebühr Nr. 4141 VV wird auch insgesamt breit und anhand vieler Beispielkonstellationen nachvollziehbar kommentiert.

Keine Wünsche lässt auch die Kommentierung des OWi-Verfahrens offen. Nur beispielhaft sei auf die Gebührenbemessung bei Straßenverkehrssachen hingewiesen. Noch einmal begründet Burhoff die herrschende und richtige Auffassung, wonach grundsätzlich die Mittelgebühr zur Anwendung kommt. Dem ist ein weiteres Rechtsprechungs-ABC zur Gebührenbemessung an die Seite gestellt.

Der Kommentar von Burhoff zum RVG in Straf- und Bußgeldsachen braucht nicht mehr beworben zu werden. Längst hat er sich für den Praktiker als unverzichtbar erwiesen. Keine Frage bleibt unbeantwortet. Die Autoren beschränken sich nicht auf eine Erläuterung der einschlägigen Vorschriften. Sie bereiten die Materie praxisgerecht auf, sie verwerten in einer beispiellosen Ausführlichkeit die Rechtsprechung und sie halten sich nicht mit ihrer eigenen Auffassung zurück, stets gut begründet selbstverständlich.

Prof. Dr. Andreas Mertens, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Duisburg