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Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 564/95, Beschluss v. 14.01.2004, HRRS-Datenbank, Rn. X


BVerfG 2 BvR 564/95 - Beschluss vom 14. Januar 2004 (BGH/LG Bochum)

Erweiterter Verfall (keine pönale Funktion; vermögensordnende Funktion; präventive Funktion; keine Abschreckungsfunktion; Bruttoprinzip; Gewinnabschöpfung); Rechtsstaatsprinzip (Schuldgrundsatz/nulla poena sine culpa; Unschuldsvermutung; Selbstbelastungsfreiheit/nemo tenetur se ipsum accusare; Bestimmtheitsgebot); Rückwirkungsverbot; Gleichbehandlungsgebot; verfassungsrechtlicher Begriff der Strafe; restriktive Auslegung des erweiterten Verfalls durch den Bundesgerichtshof (Willkürfreiheit; keine Verkennung der Bedeutung und Tragweite grundrechtlicher Gewährleistungen; Verhältnismäßigkeit); gesetzgeberische Wahlfreiheit bezüglich des Mittels zum Entzug rechtswidrig erlangter wirtschaftlicher Vorteile.

§ 73d StGB; Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art 103 Abs. 2 GG; Art 14 Abs. 1 GG; Art 14 Abs. 2 GG; Art 3 Abs. 1 GG; Art. 6 EMRK; § 73a StGB; § 73c StGB; § 73e StGB; § 73 StGB; § 812 BGB; § 818 Abs. 3 BGB; § 818 Abs. 4 BGB; § 819 BGB; § 817 S. 2 BGB.

Leitsätze

1. Der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) verfolgt nicht repressiv-vergeltende, sondern präventiv-ordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme. (BVerfG)

2. § 73d StGB verletzt die Unschuldsvermutung nicht. (BVerfG)

3. Die Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB ist gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat. (BVerfG)

4. Die vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung, nach der keine Feststellungen über konkrete Herkunftstaten erforderlich sind und der Tatrichter nicht gehindert ist, sondern gehalten, die nachgewiesenen Anlasstaten in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen, selbst wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei (vgl. BGHSt 40, 371 ff.), sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. (Bearbeiter)

5. Die Regelung über den erweiterten Verfall nach § 73 d StGB enthält in der Auslegung des Bundesgerichtshofs eine sachgerechte Beschränkung der Eigentümerbefugnisse i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Sie wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. (Bearbeiter)

6. Strafe im Sinne des Grundgesetzes ist die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Sie ist - neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren - eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten (vgl. BVerfGE 21, 378, 383; 95, 96, 140). Mit ihr wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 9, 167, 171; 96, 10, 25). (Bearbeiter)

7. Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 22, 125, 131; 74, 358, 375 f.). Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die Sanktion mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Vielmehr sind bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge weitere wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137, 144 ff.; 80, 109, 120 ff.; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - C. III. 2.). (Bearbeiter)

8. Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Sie muss in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren widerlegt werden, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Sie schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 19, 342, 347 f.; 35, 311, 320; 74, 358, 369 ff.; 82, 106, 118 ff.). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Vereinbarkeit des § 73d StGB (Erweiterter Verfall) mit dem Grundgesetz. Sie richtet sich zugleich gegen die Anwendung dieser Vorschrift in der Auslegung durch den Bundesgerichtshof.

I.

Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1302) hat die Vorschrift des § 73d über den erweiterten Verfall in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs eingefügt. Sie ergänzt die Regelung des § 73 StGB über den (einfachen) Verfall, wonach das Gericht, wenn der Täter oder Teilnehmer etwas aus einer rechtswidrigen Tat oder für sie erlangt hat, den Verfall des Erlangten anordnet. Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich gemäß § 73 Abs. 2 StGB auf Nutzungen und Surrogate, ferner gemäß § 73a StGB auf den Geldwert nicht oder nicht mehr entziehbarer Vermögensvorteile. Sie unterbleibt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB), oder wenn sie für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (§ 73c StGB). Die rechtskräftige Anordnung des Verfalls bewirkt gemäß § 73e StGB, dass das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht auf den Staat übergeht, wenn es dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht.

Die Vorschriften lauten:

§ 73 Voraussetzungen des Verfalls

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.

(2) Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen. Sie kann sich auch auf die Gegenstände erstrecken, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat.

(3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.

(4) Der Verfall eines Gegenstandes wird auch angeordnet, wenn er einem Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat.

§ 73a Verfall des Wertersatzes

Soweit der Verfall eines bestimmten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grunde nicht möglich ist oder von dem Verfall eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 abgesehen wird, ordnet das Gericht den Verfall eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben dem Verfall eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

§ 73c Härtevorschrift

(1) Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Die Anordnung kann unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat.

(2) Für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen gilt § 42 entsprechend.

§ 73e Wirkung des Verfalls

(1) Wird der Verfall eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über, wenn es dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht. Rechte Dritter an dem Gegenstand bleiben bestehen.

(2) Vor der Rechtskraft wirkt die Anordnung als Veräußerungsverbot im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches; das Verbot umfaßt auch andere Verfügungen als Veräußerungen.

Nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB ist, wenn eine rechtswidrige Tat nach einem auf diese Vorschrift verweisenden Gesetz begangen worden ist, der Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann anzuordnen, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für (andere) rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB sieht die Anordnung des erweiterten Verfalls auch dann vor, wenn der Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil dieser ihn für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat.

§ 73d StGB erweitert somit den Anwendungsbereich des Verfalls zum einen auf Vermögensgegenstände, die nicht aus dem abgeurteilten Delikt, sondern aus anderen rechtswidrigen Taten stammen; einen Nachweis der konkreten Umstände dieser Taten verlangt die Vorschrift ebenso wenig wie die schuldhafte Begehung und die strafrechtliche Verfolgbarkeit. Zum anderen erfasst sie auch solche Vermögenswerte, die der Täter oder Teilnehmer wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht wirksam erwerben konnte (Nichtigkeit auch des Verfügungsgeschäfts gemäß § 134 BGB, vgl. die Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - <... StrÄndG> vom 9. März 1990, BTDrucks 11/6623, S. 7/8). Zivilrechtliche Ersatzansprüche des durch die rechtswidrige Tat Verletzten hindern die Anordnung des erweiterten Verfalls ebenfalls nicht (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7).

§ 73d StGB hat folgenden Wortlaut:

§ 73d Erweiterter Verfall

(1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung.

(3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers zu entscheiden, so berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(4) § 73c gilt entsprechend.

Verweisungen auf § 73d StGB finden sich im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs, und zwar jeweils für den Fall der banden- oder gewerbsmäßigen Begehung, in den Abschnitten Geld- und Wertzeichenfälschung (§ 150 Abs. 1), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§ 181c, § 184 Abs. 7 Satz 1), Diebstahl und Unterschlagung (§ 244 Abs. 3, § 244a Abs. 3), Raub und Erpressung (§ 256 Abs. 2), Begünstigung und Hehlerei (§ 260 Abs. 3, § 260a Abs. 3, § 261 Abs. 7 Satz 3 und 4), Betrug und Untreue (§ 263 Abs. 7), Urkundenfälschung (§ 282 Abs. 1), Strafbarer Eigennutz (§ 286 Abs. 1), Straftaten gegen den Wettbewerb (§ 302) und Straftaten im Amt (§ 338). Im Bereich des Nebenstrafrechts verweisen vor allem die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BtMG) auf § 73d StGB, außerdem § 84 Abs. 5, § 84a Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes, § 92a Abs. 5, § 92b Abs. 3 des Ausländergesetzes, § 24 Abs. 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, § 54 Abs. 3 Satz 2 des Waffengesetzes, § 36 Abs. 3 des Außenwirtschaftsgesetzes und § 19 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffenübereinkommen.

Verfahrensrechtliche Vorschriften über den erweiterten Verfall, der unter den Voraussetzungen des § 76a StGB auch selbständig angeordnet werden kann, enthalten § 442, §§ 430 ff. StPO. Die Regelungen der §§ 111b ff. StPO ermöglichen eine vorläufige Beschlagnahme von beim Beschuldigten vorgefundenen Vermögensgegenständen, um die Durchsetzung einer späteren Anordnung des Verfalls oder von Ersatzansprüchen Tatgeschädigter sicherzustellen.

II.

1. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1994 vom Landgericht wegen gemeinschaftlich begangenen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, weil er (jeweils zusammen mit einem Mitangeklagten) am 15. Oktober 1992 telefonisch den Ankauf von drei Kilogramm Heroin vereinbart und am 1. August 1993 ein Kilogramm Heroin entgegen genommen hatte. Daneben verhängte das Landgericht gegen den Beschwerdeführer Maßregeln gemäß § 69, § 69a StGB und bestimmte außerdem, dass ein auf seinem Sparkonto vorhandenes Guthaben in Höhe von 42.520,18 DM dem erweiterten Verfall unterliege und eingezogen werde.

Die Kammer war zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Geld aus anderen, ihr nicht bekannten Rauschgiftgeschäften des Beschwerdeführers stamme. Er habe es angesichts seines dauerhaft geringen Durchschnittseinkommens von 850 DM monatlich und der von ihm neben seinen allgemeinen Lebenshaltungskosten und den laufenden Kosten eines Autos zu bestreitenden monatlichen Miete von zuletzt 600 DM nicht aus legalen Mitteln ersparen können; also komme nur ein strafbarer Erwerb in Betracht. Die beiden abgeurteilten, jeweils gewerbsmäßig begangenen BtM-Straftaten zeigten - auch wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei (in dem einen Fall, weil das Geschäft nicht zu Stande kam, in dem anderen Fall, weil das erworbene Rauschgift beschlagnahmt wurde) -, dass er mit Drogen gehandelt habe, während es an Anhaltspunkten für irgendwelche anderen strafbaren Verhaltensweisen des Beschwerdeführers fehle. Nach Überzeugung der Kammer konnte er das Geld daher nur aus anderen Betäubungsmittelstraftaten erlangt haben.

2. Die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil mit der Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die als zutreffend erachteten Ausführungen des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPO (BGHSt 40, 371). Die gegen den Beschwerdeführer ergangene Anordnung des erweiterten Verfalls beruhe auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Im Schrifttum erhobene Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 73d StGB mit der Unschuldsvermutung und der Eigentumsgarantie könnten durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden:

Die in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung des erweiterten Verfalls (nur) verlangte "ganz hohe Wahrscheinlichkeit", dass "Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind", setze das Institut des erweiterten Verfalls dem verfassungsrechtlichen Bedenken aus, es beruhe auf einer Unterstellung von Straftaten. Deshalb sei das normativ wertende Element "wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen" in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB - dem nach dem Willen des Gesetzgebers die Aufgabe zukomme, bei der Gesamtbewertung des Sachverhalts auch die Grundrechtsverbürgungen zu berücksichtigen - verfassungskonform einengend auszulegen. Die Anordnung des erweiterten Verfalls komme nur in Betracht, wenn der Tatrichter auf Grund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen habe, dass der Angeklagte die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt habe. Ermittlungen und Feststellungen zu diesen Taten im Einzelnen seien jedoch nicht erforderlich. An die Überzeugungsbildung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Vor allem sei das Gericht nicht gehindert, sondern vielmehr gehalten, die festgestellten Anlasstaten in seine Überzeugungsbildung mit einzubeziehen - wie es das Landgericht getan habe -, auch wenn aus ihnen kein Gewinn erlangt worden sei. Diesen Anforderungen würden die Darlegungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in den Gründen des landgerichtlichen Urteils noch gerecht.

III.

Gegen das Urteil des Landgerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 14, 20 Abs. 3 und 103 Abs. 2 GG rügt. Mittelbar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 73d StGB über den erweiterten Verfall, der nach Auffassung des Beschwerdeführers den Charakter einer Strafe hat.

§ 73d StGB knüpfe die Anordnung des Verfalls lediglich an die Voraussetzung, dass "Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind". Die Vorschrift verlange also den vollen Nachweis weder dafür, dass der betroffene Gegenstand aus einer schuldhaft begangenen Straftat stammt, noch dafür, dass dieser gemeinschaftswidrig gebraucht wurde oder ein solcher Eigentumsmissbrauch in konkretem Zusammenhang zu der abzuurteilenden Anknüpfungstat steht. Damit verstoße er gegen das Schuldprinzip und - wegen der Unterstellung von Straftaten - gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK), außerdem gegen das Bestimmtheitsgebot. Auf Grund dieser Mängel verletze § 73d StGB zugleich die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG und - mangels Begrenzung des Zugriffs - den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung stehe der Gesetzeswortlaut entgegen. Unabhängig davon werde die landgerichtliche Entscheidung den vom Bundesgerichtshof aufgestellten erhöhten Beweisanforderungen nicht gerecht. Vor allem habe es die Strafkammer versäumt, über die Eröffnung und Führung des Sparkontos, über die Höhe der zwischenzeitlich erfolgten Einzahlungen und Abhebungen sowie über weitere Konten des Beschwerdeführers Beweis zu erheben. Dabei hätte sich ergeben, dass das Guthaben auf dem Sparkonto durch Einzahlungen von anderen, schon früher bestehenden, Konten des Beschwerdeführers entstanden sei. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor; die Anordnung des Verfalls erstrecke sich auf Vermögensgegenstände, die er vor Inkrafttreten des § 73d StGB erworben habe.

IV.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich namens der Bundesregierung das Bundesministerium der Justiz sowie das Bayerische Staatsministerium der Justiz, die Vorsitzenden des 1., 2., 3. und 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs und der Generalbundesanwalt geäußert.

1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Justiz widerspricht die einengende Auslegung des § 73d Abs. 1 StGB durch den Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, den Nachweis der Herkunft eines Gegenstands aus rechtswidrigen Taten zu erleichtern. Auch mit dieser Beweiserleichterung stehe die Regelung über den erweiterten Verfall, die mit der Formulierung "rechtfertigen" eine Wertung im Einzelfall verlange, mit dem Grundgesetz in Einklang.

a) Die Vorschrift verstoße nicht gegen den Schuldgrundsatz oder die Unschuldsvermutung, weil eine Anordnung des Verfalls nach § 73d Abs. 1 StGB keine Strafe oder strafähnliche Sanktion sei und deshalb keine Schuldfeststellung voraussetze. Als Sonderform des Verfalls bezwecke der erweiterte Verfall den Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Dieser Zweck bestimme die Rechtsnatur des Instituts, bei dem es sich um eine Abschöpfung eigener Art des aus der Straftat Erlangten handele.

b) § 73d StGB verletze auch nicht die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbezichtigungsfreiheit des Beschuldigten. Dieser sei rechtlich nicht gezwungen, zur Abwendung einer Anordnung des Verfalls Angaben über eigene strafrechtlich erhebliche Verhaltensweisen zu machen.

c) Die Regelung über den erweiterten Verfall verstoße auch nicht gegen die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG. Eine Anordnung des Verfalls entziehe zwar nach § 73d StGB konkrete Rechtspositionen und greife damit in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ein. Die Vorschrift bilde aber eine vom Grundgesetz stillschweigend zugelassene Eigentumsschranke. Der erweiterte Verfall diene der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere des illegalen Betäubungsmittelhandels, und damit dem Schutz elementarer Rechtsgüter. Er finde - wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 1967 (BVerfGE 22, 387 <422>) verlangt - eine Rechtfertigung in der Verfassung und entspreche darüber hinaus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er sei geeignet, die Gewinne aus dem Drogenhandel abzuschöpfen und den Straftätern die Mittel für weitere Straftaten zu entziehen.

Der erweiterte Verfall sei hierzu auch erforderlich. Vor Einführung des erweiterten Verfalls sei die Abschöpfung deliktisch erzielter Gewinne häufig daran gescheitert, dass die für die Anordnung eines (einfachen) Verfalls gemäß § 73 Abs. 1 StGB erforderliche sichere Zuordnung beim Beschuldigten vorgefundener Vermögensgegenstände zu einer bestimmten Tat nicht möglich gewesen sei. Gegen eine deswegen in Polizeikreisen, aber auch international - etwa in Art. 5 Abs. 7 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (vgl. BTDrucks 12/3346) - geforderte Beweislast des Beschuldigten für den redlichen Erwerb verdächtiger Vermögenswerte habe die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken gehabt. Die anstelle einer solchen Beweislastumkehr in § 73d StGB vorgesehene Beweiserleichterung sei das mildeste Mittel gewesen, um die Zugriffsmöglichkeiten auf Tatgewinne zu erweitern.

Der mit dem erweiterten Verfall verbundene Eingriff stehe auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Der Verfall diene dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung und müsse daher vom Betroffenen grundsätzlich hingenommen werden. Unzumutbare Ergebnisse würden durch die Härtevorschrift des § 73c StGB vermieden.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 73d StGB.

a) Sie sei mit der Unschuldsvermutung und dem Schuldgrundsatz vereinbar. Beim erweiterten Verfall handele es sich grundsätzlich nicht um eine Strafe oder strafähnliche Sanktion, sondern um eine quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme, deren Anwendung gemäß § 73d StGB die Feststellung von Schuld nicht voraussetze.

b) Der Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes werde § 73d StGB hinreichend gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Entziehung von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung vom Grundgesetz als traditionelle Eigentumsschranke stillschweigend zugelassen. Die aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 GG herzuleitende Zulässigkeit von Eigentumssanktionen rechtfertige sich aus dem Gedanken des Missbrauchs: Wer einen Vermögensvorteil auf strafbare Weise erlange, gebrauche das Eigentum in einer vom Grundgesetz nicht gebilligten Weise. Er verwirke deshalb insoweit sein Eigentumsrecht. Der entsprechend dem Missbrauchsgedanken erforderliche konkrete Zusammenhang zwischen der die Verwirkung auslösenden strafbaren Handlung und dem zu entziehenden Vermögensgegenstand werde von § 73d StGB vorausgesetzt. Die vorgesehene Beweiserleichterung sei mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. An der Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestehe ein ganz erhebliches Allgemeininteresse, welches das Interesse des Einzelnen am Schutz seines Eigentums überwiegen könne.

§ 73d StGB beruhe auf der Erfahrung, dass die organisierte Kriminalität mit dem herkömmlichen strafrechtlichen Instrumentarium nicht erfolgreich bekämpft werden könne. Es falle in die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob eine effektivere Abschöpfung der aus der Begehung von Straftaten erzielten Gewinne zu einer wirksameren Bekämpfung dieser Art der Kriminalität beitragen werde.

Die Beweiserleichterung entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei geeignet, die Abschöpfung von illegalen Gewinnen und damit das Ziel einer effektiveren Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu fördern. Sie sei auch erforderlich, da nicht ersichtlich sei, in welcher die Eigentumsgarantie schonenderen Weise die Abschöpfung illegaler Gewinne erleichtert werden könnte. Schließlich sei die Regelung mit dem Übermaßverbot vereinbar, auch wenn sie die Gefahr einer Einziehung legal erworbener Gegenstände in sich berge. Diese Gefahr sei angesichts des in § 73d Abs. 1 StGB verlangten hohen Wahrscheinlichkeitsgrades sehr gering und angesichts des mit dieser Vorschrift verfolgten besonders gewichtigen Allgemeininteresses hinzunehmen.

c) Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG liege nicht vor, weil § 73d StGB keine Strafe anordne.

3. Nach Ansicht des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist die verfassungskonforme Auslegung des § 73d StGB durch den 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Ausgangsverfahren mit dem Wortlaut der Vorschrift und der Intention des Gesetzgebers, "eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit" der deliktischen Herkunft für die Anordnung des erweiterten Verfalls genügen zu lassen, unvereinbar. Unüberwindliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung hätten daher die Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nahe gelegt.

Der 3. Strafsenat hat sich der vom 4. Strafsenat im Ausgangsverfahren vertretenen Auffassung angeschlossen, die Anordnung des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 StGB setze die volle Überzeugung des Tatrichters von der deliktischen Herkunft der erfassten Gegenstände voraus. Im Übrigen haben die Strafsenate auf ihre Rechtsprechung Bezug genommen.

4. Der Generalbundesanwalt hält § 73d StGB in der verfassungskonformen Auslegung des Bundesgerichtshofs und seine Anwendung im Ausgangsverfahren für verfassungsrechtlich unbedenklich.

a) Die Regelung verstoße nicht gegen die Unschuldsvermutung oder gegen das Schuldprinzip. Die kondiktionsähnliche Abschöpfung bemakelten Vermögens zwecks Prävention sei etwas wesensverschieden Anderes als eine straftypische, konkret schuldbezogene Nachteilszufügung. Schuldfeststellungen vor Schuldspruchreife hinsichtlich der Herkunftstaten seien mit einer Anordnung des Verfalls gemäß § 73d StGB nicht verbunden.

b) § 73d StGB verletze die Eigentumsgewährleistung nicht. Der mit dem erweiterten Verfall ermöglichte Zugriff auf das Vermögen organisiert vorgehender Täter sei geeignet, kriminellen Organisationen das "Investitionskapital" für weitere Straftaten zu entziehen, und diene damit der präventiven Sicherung überragender Gemeinschaftsbelange. Dagegen könne das Belassen solcher Gewinne das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung untergraben. Mit dem Institut des erweiterten Verfalls verbundene Eigentumsbeeinträchtigungen stünden nicht außer Verhältnis zu dem mit ihm erreichbaren Zuwachs an Rechtsgüterschutz, zumal man dem Täter keine wohlerworbenen, sondern durch rechtswidrige Taten bemakelte Positionen nehme. Unbillige Härten könnten im Einzelfall gemäß § 73d Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 73c StGB vermieden werden. Die in § 73d StGB vorgesehene Beweiserleichterung unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da das Grundgesetz keine ausdrücklichen Regeln zur Beweisführung und Überzeugungsbildung enthalte.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Landgericht habe gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen, weil es die Anordnung des Verfalls - mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung - auf Vermögensgegenstände erstreckt habe, die er schon vor Inkrafttreten des § 73d StGB erworben habe, steht einer Berücksichtigung dieses Vortrags der Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt neben der formalen Erschöpfung des Rechtswegs, dass der Beschwerdeführer alle fachgerichtlichen Möglichkeiten genutzt hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 95, 163 <171>; stRspr). Der Beschwerdeführer hat es insoweit versäumt, im Revisionsverfahren eine zulässige Aufklärungsrüge zu erheben.

C.

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.

I.

§ 73d StGB ist in der Auslegung des Bundesgerichtshofs mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. § 73d StGB verstößt nicht gegen den Schuldgrundsatz.

a) Der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" (nulla poena sine culpa) ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert. Er gebietet, dass Strafen oder strafähnliche Sanktionen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen. Straftatbestand und Strafrechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Verfassungsgrundsatz des Übermaßverbots. Er schließt die strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters aus (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 125 <133>; 50, 205 <214 f.>; 81, 228 <237>; 86, 288 <313>; siehe auch Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -).

Strafe ist die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Sie ist - neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren - eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten (vgl. BVerfGE 21, 378 <383>; 21, 391 <404>; 22, 125 <132>; 45, 187 <253 f.>; 95, 96 <140>). Mit der Strafe wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 9, 167 <171>; 22, 49 <79 f.>; 95, 96 <140>; 96, 10 <25>).

Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 22, 125 <131>; 27, 36 <40 ff.>; 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>). Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137 <144 ff.>; 21, 378 <383 ff.>; 21, 391 <403 ff.>; 22, 125 <131>; 23, 113 <126>; 27, 36 <40 ff.>; 80, 109 <120 ff.>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - <C. III. 2.>; siehe auch Volk, ZStW 1971, S. 405 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung beigemessen (vgl. BVerfGE 20, 323 <330 ff.>; 58, 159 <162>; 84, 82 <87>); dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.> und BVerfGE 91, 1 <27 ff.>).

b) Das Rechtsinstitut des erweiterten Verfalls gerät mit dem Schuldgrundsatz nicht in Konflikt, weil es keinen strafenden oder strafähnlichen Charakter hat. Eine an Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 73d StGB orientierte Auslegung ergibt, dass die in der Vorschrift angeordnete Entziehung deliktisch erlangter Vermögensvorteile nicht bezweckt, dem Betroffenen die Begehung der Herkunftstat als Fehlverhalten vorzuwerfen und ihm deswegen vergeltend ein Übel zuzufügen (aa). Vielmehr verfolgt die Regelung des § 73d StGB vermögensordnende und normstabilisierende Ziele (bb). Das beim erweiterten Verfall geltende Bruttoprinzip ändert hieran nichts (cc).

aa) Das Strafgesetzbuch bezeichnet Verfall und erweiterten Verfall nicht als "Strafen", sondern als "Maßnahmen", zu denen es gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB auch die in § 61 StGB aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung zählt. Die Verfallvorschriften sind zusammen mit der Regelung der Einziehung (§§ 74 ff. StGB) in einen eigenen, den Siebenten Titel des Dritten Abschnitts eingeordnet und dadurch von den im Ersten Titel des Dritten Abschnitts geregelten, als "Strafen" bezeichneten, Rechtsfolgen der Tat geschieden. Die begriffliche Abgrenzung des Verfalls von den im Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen und seine systematische Zusammenfassung mit anderen präventiv ausgerichteten Maßnahmen sprechen gegen einen strafenden oder strafähnlichen Charakter des § 73d StGB. Auch die Regelung des § 76a StGB, wonach der erweiterte Verfall unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung einer Person angeordnet werden kann, ist nur bei einer nicht-pönalen Natur des Rechtsinstituts verständlich.

Die Entstehungsgeschichte des § 73d StGB bestätigt, dass der Gesetzgeber mit dem erweiterten Verfall ein Instrument der Gewinnabschöpfung ohne Strafcharakter schaffen wollte.

Die Abschöpfung rechtswidrig erzielter Gewinne ist nicht notwendig eine vergeltende Sanktion (vgl. BVerfGE 81, 228 <237 f.>). Der Gesetzgeber kann weitgehend frei darüber entscheiden, ob und auf welche Weise er rechtswidrig erlangte wirtschaftliche Vorteile entziehen will. So kann er die Vorteilsentziehung selbständig neben der Festsetzung einer - entsprechend dem Schuldgrundsatz - nur am Verschulden des Täters orientierten pönalen Sanktion vorsehen oder, in Fällen, in denen eine solche Sanktion nicht verhängt werden kann, auch als Inhalt einer in einem objektiven Verfahren ergehenden gesonderten Anordnung. Ebenso steht es ihm offen, eine strafende Sanktion so zu bemessen, dass mit ihr zugleich die Abschöpfung des Gewinns sichergestellt wird (a.a.O., S. 238). Es liegt mithin in der Entscheidung des Gesetzgebers, ob er mit einer gewinnabschöpfenden Maßnahme zugleich Strafzwecke verfolgen will oder nicht.

Mit der Vorschrift des § 73d StGB bezweckt der Gesetzgeber keine pönale Rechtsfolge. Seiner Auffassung nach teilt der erweiterte Verfall die Rechtsnatur des einfachen Verfalls nach § 73 StGB (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 6 und 7 sowie die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität <OrgKG> vom 25. Juli 1991, BTDrucks 12/989, S. 23: "Eigenständige Erscheinungsform des Verfalls"). Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 73 StGB soll die Abschöpfung deliktisch erzielter Vermögensvorteile als gesonderte Rechtsfolge neben die Strafe treten und vor allem das Tagessatzsystem ergänzen. Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches <StGB> E 1962 vom 4. Oktober 1962, BTDrucks IV/650, S. 241 und 245 sowie das Protokoll der 28. Sitzung des Bundestags-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom 22. September 1966, S. 542 <Göhler>).

Der Gesetzgeber sieht in der Gewinnabschöpfung also nicht die Zufügung eines Übels, sondern die Beseitigung eines Vorteils, dessen Verbleib den Täter zu weiteren Taten verlocken könnte. Auch die Entwurfsbegründungen zu § 73d StGB betonen, der erweiterte Verfall sei keine Strafsanktion, sondern eine Maßnahme eigener Art mit "kondiktionsähnlichem Charakter" (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 4, 5 ff. und 8, BTDrucks 12/989, S. 1, 23, sowie die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 4. Juni 1992, BTDrucks 12/2720, S. 42 f.). Demnach hat der Gesetzgeber den erweiterten Verfall als selbständige, nicht-pönale Maßnahme neben die Strafe gestellt.

bb) Eine von den Vorstellungen des Gesetzgebers abweichende Einordnung (vgl. dazu BVerfGE 22, 125 <131>) des erweiterten Verfalls als Strafe oder strafähnliche Maßnahme folgt auch nicht aus den mit der Regelung des § 73d StGB verfolgten weiteren Zwecken.

(1) Die strafrechtliche Gewinnabschöpfung soll einen "ordnenden Zugriff" des Rechts zur Korrektur einer deliktisch zu Stande gekommenen Vermögenszuordnung ermöglichen (so BTDrucks 11/6623, S. 7 und 8). Der Gesetzgeber misst dem erweiterten Verfall in erster Linie eine vermögensordnende Aufgabe zu: Das Bürgerliche Recht kann deliktische Vermögensveränderungen nur zum Teil unterbinden, indem es verbotenen Rechtsgeschäften - etwa im Bereich des illegalen Betäubungsmittelhandels - die zivilrechtliche Wirksamkeit versagt (§ 134 BGB, vgl. BGHSt 31, 145 ff.; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 134 Rn. 10; Sack, in: Staudinger, BGB, 2003, § 134 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Es verhindert nicht, dass ein Straftäter durch die Begehung rechtswidriger Taten faktisch Vermögensvorteile erlangt, etwa Gewinne aus der Weiterveräußerung von Drogen. Der Gesetzgeber sieht in einem solchen deliktischen Vermögenserwerb eine korrekturbedürftige Störung der Rechtsordnung, die die Strafgerichte im Wege der Gewinnabschöpfung beseitigen sollen. Er weist dem Verfallrecht der §§ 73 ff. StGB die Aufgabe zu, einen rechtswidrigen Zustand durch ordnenden Zugriff von hoher Hand zu beenden.

Die vermögensordnende Funktion macht den erweiterten Verfall nicht zu einem strafähnlichen Rechtsinstitut. Die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der Vermögensordnung setzt zwar vergangenheitsbezogene Feststellungen voraus und ist insoweit retrospektiv. Der korrigierende Eingriff aber, mit dem der Staat auf eine deliktisch entstandene Vermögenslage reagiert, ist nicht notwendig repressiv. Auch das öffentliche Gefahrenabwehrrecht erlaubt hoheitliche Maßnahmen, um Störungen zu beseitigen. Gefahrenabwehr endet nicht dort, wo gegen eine Vorschrift verstoßen und hierdurch eine Störung der öffentlichen Sicherheit bewirkt wurde. Sie umfasst auch die Aufgabe, eine Fortdauer der Störung zu verhindern (vgl. etwa Friauf, in: Badura u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., S. 138; Würtenberger, in: Achterberg u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Aufl., S. 445; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., S. 63, jeweils m.w.N.).

Maßnahmen der Störungsbeseitigung sind ein Fall der Gefahrenabwehr. Sie knüpfen zwar an in der Vergangenheit begründete Zustände an, sind in ihrer Zielrichtung aber zukunftsbezogen. Sie wollen nicht ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligen und sühnen, sondern verhindern, dass eine bereits eingetretene Störung der Rechtsordnung in Zukunft andauert. Dementsprechend sollte eine auf § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. gestützte Einziehung von Elfenbein, das ohne die erforderliche Genehmigung in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden war, einen Verstoß gegen die für Elfenbein geltenden Handelsbeschränkungen beseitigen (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 1989 - 2 BvR 554/88 -, NJW 1990, S. 1229). § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. zielte nicht auf Repression und Vergeltung für ein rechtswidriges Verhalten, sondern diente als Teil eines Systems von Handelsbeschränkungen, die die wirtschaftliche Nutzung gefährdeter Arten eindämmen sollen, der Gefahrenabwehr (a.a.O., S. 1229).

Auch § 73d StGB verfolgt einen solchen präventiven Zweck. Der erweiterte Verfall ist zwar nicht systematisch als Sicherungsmaßregel ausgestaltet, die eine drohende Reinvestition von Deliktsgewinnen durch kriminelle Organisationen verhindern soll und sich auf eine entsprechende Gefahrenprognose stützt. Die Erwägung des Gesetzgebers, die strafrechtliche Gewinnabschöpfung könne auch sichernde Wirkungen erzielen (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7 und BTDrucks 12/989, S. 1), hat in der Regelung des § 73d StGB nicht unmittelbar Niederschlag gefunden (vgl. Weßlau, StV 1991, S. 226, 232 f.; Wallschläger, Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 2002, S. 158). Die vermögensordnende Zielsetzung der Vorschrift ist aber klar zukunftsbezogen und präventiv: Der betroffene Straftäter soll deliktisch erlangte Gegenstände nicht behalten; die mit der Bereicherung des Täters verbundene Störung der Rechtsordnung soll nicht auf Dauer bestehen bleiben; die Gewinnabschöpfung soll verhindern, dass die bereits eingetretene Störung der Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert.

Mit dieser präventiven Zielsetzung wirkt der erweiterte Verfall nicht wie eine Strafsanktion. Seine Anordnung erfolgt nicht, um dem Betroffenen die Begehung der Herkunftstat vorzuhalten und über sie ein sozialethisches Unwerturteil zu sprechen. Sie zielt vielmehr darauf, einen rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Die Entziehung deliktisch erlangten Vermögens ist nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit (ähnlich BGH, NStZ 1995, S. 491; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 ff., 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Jekewitz, GA 1998, S. 276, 277).

(2) Der mit der Regelung des § 73d StGB beabsichtigte vermögensordnende Zugriff soll nach dem Willen des Gesetzgebers zugleich Anreize für gewinnorientierte Delikte reduzieren. Auch dieses in der Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG) vom 9. März 1990 (BTDrucks 11/6623, S. 4) als generalpräventiv bezeichnete Ziel der Gewinnabschöpfung verleiht dem erweiterten Verfall keinen strafähnlichen Charakter.

Der Entziehung deliktisch erzielter Vermögensvorteile wird zwar zu Recht eine strafergänzende Funktion beigemessen. Denn die übelszufügende und damit abschreckende Wirkung einer Strafe kann sich mindern, wenn der materielle Tatvorteil in der Hand des Täters verbleibt (vgl. Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, 1969, S. 86 und S. 284). Dies wird vor allem bei Geldstrafen deutlich, die der Täter aus dem Tatgewinn bestreiten könnte. Ein möglicher negativer Einfluss unterbliebener Gewinnabschöpfung auf die Nachdrücklichkeit einer Strafe bedeutet aber nicht, dass die Gewinnabschöpfung selbst strafende Wirkung erzielt oder intendiert (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 15 ff.).

Eine Abschreckungswirkung im Sinne der negativen Generalprävention ist mit dem erweiterten Verfall ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) heißt es im Anschluss an die Darstellung der mit der Gewinnabschöpfung verfolgten Ziele, der Entwurf sehe neben der Gewinnabschöpfung auch Strafschärfungen zur Erhöhung der Abschreckungswirkung bei Straftaten der organisierten Kriminalität vor (vgl. BTDrucks 12/989, S. 1). Der Gesetzgeber hat damit die Ziele der Gewinnabschöpfung ausdrücklich vom Abschreckungszweck erhöhter Strafandrohungen unterschieden (siehe auch BTDrucks 12/989, S. 21 sub B.).

Die mit den strafrechtlichen Verfallvorschriften beabsichtigte generalpräventive Wirkung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf andere Weise erzielt werden: Indem der Staat dem Täter deliktisch Erlangtes wegnimmt, führt er ihm, wie auch der Rechtsgemeinschaft, vor Augen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen. Der vermögensordnende Eingriff soll die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.

Diese auch als positiver Aspekt strafrechtlicher Generalprävention anerkannte Zielsetzung (vgl. BVerfGE 45, 187 <256>) ist - wie die Ausführungen zum Gefahrenabwehrrecht gezeigt haben - kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften (vgl. BVerfGE 22, 125 <132>). Soweit es um die Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens geht, deckt sie sich mit einem alle Rechtsgebiete übergreifenden Grundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 m.w.N.). Die normbestätigende Zielsetzung des § 73d StGB charakterisiert den erweiterten Verfall daher nicht zwingend als pönale Maßnahme (vgl. BGHSt 47, 369 <373 ff.>; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 489 f.; Groth, Verdeckte Ermittlung im Strafverfahren und Gewinnabschöpfung, 1995, S. 151; anders Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten - Zur Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991, S. 153 f.; wohl auch Weßlau, StV 1991, S. 226, 231 f., und Hoyer, GA 1993, S. 406, 417 ff., 421).

cc) Schließlich hat das Rechtsinstitut des Verfalls auch nicht deshalb strafähnlichen Charakter angenommen, weil der Gesetzgeber parallel zur Neuregelung des § 73d StGB das bis dahin im Verfallrecht geltende Nettoprinzip (Abschöpfung des Taterlöses abzüglich der Tatkosten) durch das Bruttoprinzip (Abschöpfung des erlangten "Etwas", des Taterlöses ohne Abzug für die Tat geleisteter Aufwendungen, vgl. BGH, NStZ 1994, S. 123 f.; BGHSt 47, 369 <371 ff.>) ersetzt hat. Die Auffassung, der Verfall sei nur noch der Form nach eine Maßnahme, dem Inhalt nach dagegen eine tatvergeltende Zufügung eines Übels, weil das Gesetz nunmehr dem deliktisch bereicherten Täter - über die bloße Kondiktion hinaus - eine wirtschaftliche Einbuße zumute (vgl. Nachw. bei Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73d Rn. 2 ff., § 73 Rn. 18 ff.; Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 73d Rn. 4 ff., § 73 Rn. 3; Lackner, in: Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 73 Rn. 4 ff.; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Aufl., S. 793; Horn, in: SKStGB, § 73 Rn. 5; Herzog, in: NomosStGB, § 73 Rn. 10 ff.; anders BGH, NStZ 1995, S. 491; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73d Rn. 4, § 73 Rn. 8; Katholnigg, JR 1994, S. 353, 354; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., S. 716; Goos, wistra 2001, S. 313, 315), ist nicht zwingend. Das Bruttoprinzip lässt sich auch anders und in größerer Nähe zum Willen des Gesetzgebers sowie zum systematischen Ort des Verfalls einordnen:

Der Gesetzgeber hat dem Rechtsinstitut des Verfalls durch die Einführung des Bruttoprinzips den kondiktionsähnlichen Charakter nicht genommen. Vielmehr hat er sich eine an Wortlaut und Gesetzessystematik der §§ 812 ff. BGB orientierte Sichtweise des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts zu Eigen gemacht. Danach beschränkt sich die Funktion der §§ 812 ff. BGB nicht auf die Abschöpfung noch vorhandener Vermögenswerte; vielmehr ist die Kondiktion ein eigenständiges Instrument zur Korrektur irregulärer Vermögenszuordnungen, das allein den gutgläubigen Bereicherungsschuldner vor Vermögenseinbußen schützt (§ 818 Abs. 3 BGB), während es dem Bösgläubigen wirtschaftliche Verlustrisiken zuweist (§ 818 Abs. 4, § 819 BGB; vgl. BGHZ 53, 144 <147 f.>; 55, 128 <135> und 57, 137 <146 ff.>; Lieb, in: MünchKommBGB, 3. Aufl., § 818 Rn. 47 ff.; Lorenz, in: Staudinger, BGB, 1999, § 818 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 818 Rn. 27 ff.; H.P. Westermann, in: Erman, BGB, 10. Aufl., § 818 Rn. 2; zur risikozuweisenden Wirkung des Bruttoprinzips im strafrechtlichen Verfallrecht vgl. Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356 und BayObLG, NStZ-RR 1997, S. 339).

Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Einführung des Bruttoprinzips das Verfallrecht der §§ 73 ff. StGB an die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundene Risikozuweisung angleichen. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 10. September 1991 (BTDrucks 12/1134, S. 12) heißt es hierzu, die mit der Nettoabschöpfung verbundene Saldierung habe zu Wertungswidersprüchen innerhalb der Gesamtrechtsordnung geführt, weil das Zivilrecht demjenigen, der sich außerhalb der Rechtsordnung stelle, in § 817 Satz 2 BGB die Zuhilfenahme der Gerichte bei der Rückabwicklung seines zweifelhaften Geschäfts versage. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sei, solle deshalb auch beim Verfall Anwendung finden.

Mit seinem Bezug auf den der Regelung des § 817 Satz 2 BGB nach überwiegender Meinung zu Grunde liegenden Gedanken der Rechtsschutzverweigerung (vgl. BGHZ 44, 1 <6>; Lorenz, in: Staudinger, BGB, 1999, § 817 Rn. 4 f.; Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, 1974, S. 58 ff.; Canaris, in: Festschrift für Steindorff, 1990, S. 519, 523 ff.; Dauner, JZ 1980, S. 495, 499; Lieb, in: MünchKommBGB, 3. Aufl., § 817 Rn. 9) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er dem von einer Anordnung des Verfalls Betroffenen lediglich eine rechtliche Begünstigung versagen und damit die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundene Risikozuweisung übernehmen, nicht aber eine neue pönale Rechtsfolge schaffen wollte.

Insgesamt betrachtet ist die Gewinnabschöpfung gemäß § 73d StGB keine pönale Reaktion auf ein früheres normwidriges Verhalten des Betroffenen. Vielmehr antwortet sie auf eine gegenwärtige Störung der Vermögensordnung mit einem korrigierenden und normbekräftigenden Eingriff. Der erweiterte Verfall verfolgt nicht repressiv-vergeltende, sondern präventiv-ordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme. Die verschuldensunabhängige Ausgestaltung des erweiterten Verfalls begegnet insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. § 73d StGB ist mit der Unschuldsvermutung vereinbar.

a) Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Sie muss in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren widerlegt werden, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Sie schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.>; 35, 311 <320>; 74, 358 <369 ff.>; 82, 106 <118 ff.>).

b) Das Rechtsinstitut des erweiterten Verfalls verletzt die Unschuldsvermutung nicht.

§ 73d StGB sieht die Entziehung von Vermögenswerten vor, die der Beschuldigte aus rechtswidrigen, aber nicht notwendig schuldhaft begangenen, Taten erlangt hat. Die Anordnung des erweiterten Verfalls setzt die Feststellung von Schuld nicht voraus. Sie ist daher von Gesetzes wegen auch nicht mit einer gerichtlichen Schuldzuweisung verbunden (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 5 und BTDrucks 12/2720, S. 42 f.). Eine strafgleiche Rechtsfolge ordnet § 73d StGB - wie unter C. I. 1. ausgeführt - ebenfalls nicht an (vgl. auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Oktober 1986 - Nr. 14/1984/86/133 -, EuGRZ 1988, S. 513, 519 zu einer zollrechtlichen Verfallerklärung). Die Unschuldsvermutung steht einer Anordnung des erweiterten Verfalls ohne gesetzlichen Schuldnachweis daher nicht entgegen.

3. Die Vorschrift des § 73d StGB verstößt in der Auslegung des Bundesgerichtshofs auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.

a) Soweit § 73d StGB den Zugriff auf Vermögenswerte erlaubt, die dem unmittelbar Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht zustehen (vgl. § 134, § 935 BGB), ist dessen Eigentumsgrundrecht schon mangels einer schutzfähigen Rechtsposition nicht berührt (vgl. BVerfGE 83, 201 <209>; 95, 267 <300>). Dies betrifft vor allem die Entziehung von Gewinnen aus illegalen Drogengeschäften. Denn wegen des strafrechtlichen Verbots des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist gemäß § 134 BGB neben dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zugleich die Übereignung sowohl der Drogen als auch des für sie als Kaufpreis gezahlten Geldes zivilrechtlich unwirksam (vgl. BGH, NJW 1983, S. 636; Mayer-Maly/Armbrüster, in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 134 Rn. 10; Sack, in: Staudinger, BGB, 2003, § 134 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Einer unveröffentlichten Erhebung des Statistischen Bundesamts zufolge ergehen gut acht von zehn Anordnungen des erweiterten Verfalls im Bereich der Betäubungsmitteldelikte. Auch nahmen die Gerichte in den zu § 33 Abs. 1 BtMG veröffentlichten Entscheidungen regelmäßig - wie das Landgericht im Ausgangsverfahren - an, die für verfallen erklärten Vermögenswerte stammten ihrerseits aus Betäubungsmittelstraftaten (vgl. die bei Gradowski/Ziegler, Geldwäsche, Gewinnabschöpfung, 1997, S. 82 ff. referierten Fälle sowie BGH, NStZ 1995, S. 540; StV 1995, S. 633; NStZ-RR 1998, S. 297; NStZ 2001, S. 531; NStZ-RR 2003, S. 75; OLG Stuttgart, NJW 2000, S. 2598, 2599). Demnach berühren die meisten Anwendungsfälle des § 73d StGB kein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentum. Die Geltung des Bruttoprinzips ändert hieran nichts. Es versagt dem Betroffenen lediglich eine Erstattung seiner Tataufwendungen (vgl. C. I. 1. b) cc) sowie Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356).

b) Soweit § 73d StGB die Entziehung von Gegenständen anordnet, die der Betroffene zwar deliktisch, aber gleichwohl zivilrechtlich wirksam erworben hat, enthält er eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese genügt in der Auslegung des Bundesgerichtshofs den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Beschluss vom 12. Dezember 1967 (BVerfGE 22, 387 <422>) klargestellt, dass der Verlust von Eigentum als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung zu den traditionellen Schranken des Eigentums gehört. Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Die das Eigentum ausformenden Vorschriften des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts legen generell und abstrakt Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter fest, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind (vgl. BVerfGE 52, 1 <27 f.>; 58, 137 <144 f.>; 58, 300 <330>; 70, 191 <200>; 72, 66 <76>; 100, 226 <240>). Solche Vorschriften bleiben Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums auch dann, wenn sie konkrete Vermögenspositionen ganz oder teilweise entziehen oder hierzu für den Einzelfall die Grundlage bilden (vgl. BVerfGE 58, 300 <351>; 70, 191 <200>; 83, 201 <212>; 100, 226 <240>).

bb) § 73d StGB setzt dem Eigentum Schranken; die Vorschrift spricht deliktisch erlangten Rechtspositionen in der Hand des Täters oder Teilnehmers den Schutz als Eigentum ab und ordnet ihre Entziehung an.

(1) Schon mit der Einführung des einfachen Verfalls gemäß § 73 StGB hat der Gesetzgeber bestimmt, dass der Inhaber deliktisch erlangten Vermögens die damit verbundenen Befugnisse nicht nach eigener Entscheidung zu seinem Nutzen soll ausüben können. Die Vorschrift regelt abstrakt-generell, dass deliktisch erlangte Vermögensgegenstände und deren Surrogate dem Tatbeteiligten von hoher Hand entzogen werden sollen. Zugleich bestimmt § 73 StGB die Voraussetzungen für den Vollzug der Eigentumsbeschränkung.

(2) Die Regelung über den erweiterten Verfall lockert die Voraussetzungen für die Entziehung deliktisch erzielter Gewinne und Entgelte. § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB erlaubt den Zugriff auf deliktisch erlangte Vermögensgegenstände in der Hand des Täters oder Teilnehmers auch dann, wenn sie nicht aus der abgeurteilten Tat, sondern aus anderen, möglicherweise nicht mehr verfolgbaren, rechtswidrigen Taten stammen; der erweiterte Verfall eines Gegenstands ist gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB anzuordnen, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt worden ist. Nach § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB unterliegen auch solche Gegenstände dem erweiterten Verfall, die dem Betroffenen wegen ihrer deliktischen Erlangung nicht gehören oder zustehen. Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf Nutzungen und Surrogate (§ 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 StGB) sowie auf den Geldwert nicht oder nicht mehr entziehbarer Vermögensvorteile (§ 73d Abs. 2, § 73a StGB). Sie unterbleibt, soweit sie für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (§ 73d Abs. 4, § 73c StGB).

cc) Nach der vom Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren vertretenen Auffassung ist die Annahme der deliktischen Herkunft eines Gegenstands nur dann im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB gerechtfertigt, wenn sich der Tatrichter durch Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel von ihr überzeugt hat. Für eine solche Überzeugungsbildung verlangt der Bundesgerichtshof keine Feststellungen über konkrete Herkunftstaten. Auch sei der Tatrichter nicht gehindert, sondern gehalten, die nachgewiesenen Anlasstaten in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen, selbst wenn aus ihnen kein Gewinn erzielt worden sei. Insgesamt dürften die Anforderungen an den Herkunftsnachweis nicht überspannt werden (BGHSt 40, 371 ff.).

Diese Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

(1) Sie ist mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar, die mit der Formulierung "wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen" einen Spielraum zur Bestimmung des erforderlichen Beweismaßes eröffnet (zu den Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung BVerfGE 8, 28 <34>; 49, 148 <157>; 54, 277 <299 f.>; 71, 81 <105>; 90, 263 <275>). Die Auffassung des Bundesgerichtshofs tritt auch nicht in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll die Regelung des erweiterten Verfalls die strafrechtliche Gewinnabschöpfung erleichtern; nach bisherigem Recht scheitere sie häufig daran, dass "wegen des konspirativen Charakters des illegalen Betäubungsmittelhandels ... die Herkunft von Vermögensgegenständen des Täters aus bestimmten Straftaten nicht nachgewiesen werden" könne (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 1). Die in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehenen Beweiserleichterungen könnten der Schwierigkeit entgegenwirken, "dass bei den Tatbeteiligten Vermögenswerte angetroffen werden, deren kriminelle Herkunft zwar nahe liegt, sich jedoch nicht konkret fassbaren, womöglich gar den im anhängigen Strafverfahren zur Untersuchung gezogenen Straftaten zuordnen lassen" (vgl. BTDrucks 12/989, S. 22). Die Vorschrift solle einen Eigentumsentzug in Fällen ermöglichen, in denen die Herkunft des Gegenstands des Verfalls mit den Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts nicht aufgeklärt werden könne, eine deliktische Erlangung jedoch angesichts der Einkommens- und Vermögenssituation des Täters sowie seines Vorlebens so hoch wahrscheinlich sei, dass sie sich für einen objektiven Betrachter geradezu aufdränge (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7). Dabei fordere und ermögliche das in dem Begriff "rechtfertigen" enthaltene normative Element eine Anwendung der Vorschrift, die in jedem Einzelfall der Eigentumsgewährleistung hinreichend gerecht werde (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 5).

Diesen gesetzgeberischen Zielen trägt die Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB durch den Bundesgerichtshof Rechnung. Sie erleichtert einerseits den für die strafrechtliche Gewinnabschöpfung erforderlichen Nachweis einer deliktischen Vermögenserlangung, indem sie auf die Feststellung einer konkreten Herkunftstat verzichtet und dem Tatrichter in weitem Umfang eine nur mittelbare Beweisführung erlaubt. Andererseits verlangt sie, dass Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Legalvermögen des Betroffenen vermieden werden, indem sich der Tatrichter zumindest vom "Ob" der deliktischen Vermögensherkunft überzeugt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wird eine Anwendung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nur bei dieser einschränkenden Normauslegung der Eigentumsgewährleistung hinreichend gerecht. Da der Gesetzgeber mit der Fassung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB eine verfassungsgemäße Anwendung der Norm in jedem Fall sicherstellen wollte, war der Bundesgerichtshof nicht gehindert, zu diesem Zweck den möglichen Wortsinn der Vorschrift auszuschöpfen.

Die restriktive Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB durch den Bundesgerichtshof entspricht auch den vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten weitergehenden Zielen der Gewinnabschöpfung (vgl. dazu bereits oben C. I. 1. b) bb). Sie konzentriert den Anwendungsbereich des erweiterten Verfalls auf nachweisbar deliktisch erlangte Gegenstände und stellt damit sicher, dass die Eigentumsordnung nur dort korrigiert wird, wo dies erforderlich ist, um deliktisch verursachte Störungen zu beseitigen. Eine derartige Korrektur fehlerhafter Vermögenslagen verwirklicht zugleich das Ziel des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu stärken.

(2) Die Auslegung des Bundesgerichtshofs beruht auf sachbezogenen und nachvollziehbaren Erwägungen. Sie bietet keine Anhaltspunkte für den Vorwurf der Willkür oder für eine Verkennung der Bedeutung und Tragweite grundrechtlicher Gewährleistungen (zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 60, 348 <357>; 70, 230 <239>).

dd) In der Auslegung des Bundesgerichtshofs beschränkt § 73d StGB den Inhalt des Eigentums in verfassungsrechtlich zulässiger Weise.

(1) Bei der Erfüllung des ihm gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muss der Gesetzgeber die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wie auch das Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG beachten (vgl. BVerfGE 52, 1 <29>; 71, 230 <246 f.>; 81, 208 <220>) und die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers sowie die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfGE 100, 226 <240>; stRspr). Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom jeweiligen Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Sie dürfen nicht weiter gehen als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert (vgl. BVerfGE 20, 351 <361>; 52, 1 <29 f.>), und sie dürfen insbesondere auch nicht, gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck, zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 58, 137 <148>). Zudem muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums mit allen anderen Verfassungsnormen vereinbar sein, insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz (vgl. BVerfGE 14, 263 <278>; 18, 121 <132>; 25, 112 <117>; 52, 1 <27>; 62, 169 <183>).

(2) Die Regelung über den erweiterten Verfall wird diesen Maßstäben gerecht. Sie enthält in der Auslegung des Bundesgerichtshofs eine sachgerechte Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und auch sonst mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

(a) Der Gesetzgeber will mit der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung eine Störung der Vermögensordnung beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung verschaffen. Das in §§ 73 ff. StGB geregelte Rechtsinstitut des Verfalls kann dazu beitragen, dieses legitime gesetzgeberische Ziel (vgl. BVerfGE 81, 228 <237 f.>) zu erreichen (zu den Anforderungen an die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung BVerfGE 30, 292 <316>; 33, 171 <187>; 67, 157 <173, 175>; 70, 278 <286>; 96, 10 <23>):

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kann Schaden nehmen, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauerhaft behalten dürfen. Eine Duldung solcher strafrechtswidrigen Vermögenslagen durch den Staat könnte den Eindruck hervorrufen, kriminelles Verhalten zahle sich aus, und damit staatlich gesetzten Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Delikte geben. Die strafrechtliche Gewinnabschöpfung ist ein geeignetes Mittel, um dies zu verhindern. Sie kann der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, der Staat unternehme alles ihm rechtsstaatlich Mögliche, um eine Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden (vgl. Hoyer, GA 1993, S. 406, 412; Perron, JZ 1993, S. 918, 921, 922 f.; Julius, ZStW 1997, S. 58, 97). Indem § 73d StGB die Gewinnabschöpfung erleichtert, kann er den mit ihr verfolgten Zweck, der Rechtsordnung Geltung zu verschaffen, zusätzlich fördern.

(b) Ein im Vergleich zur Regelung des § 73d StGB milderes, aber gleich effektives Mittel zur Erreichung dieses Ziels der Gewinnabschöpfung ist nicht ersichtlich. Das gilt auch für die Erstreckung des erweiterten Verfalls auf die vom Täter anstelle des ursprünglichen Tatgewinns oder -entgelts erworbenen Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 StGB und für die in § 73d Abs. 2, § 73a StGB angeordnete Wertersatzpflicht; ohne sie könnte der Täter die mit der Vorschrift angestrebte Gewinnabschöpfung unterlaufen.

(c) Die Entziehung deliktisch erlangter Vermögenswerte im Wege des erweiterten Verfalls ist einem Tatbeteiligten grundsätzlich zumutbar. Unbillige Härten, die sich im Einzelfall aus der Wertersatzpflicht des § 73d Abs. 2 in Verbindung mit § 73a StGB und aus dem Bruttoprinzip ergeben können, sind von den Fachgerichten durch eine Anwendung der in § 73d Abs. 4, § 73c Abs. 1 StGB vorgesehenen Regelung auszuschließen. Eine Beeinträchtigung legal erworbener Vermögenspositionen des Betroffenen ist nach der vom Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren vorgenommenen Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nicht zu besorgen; diese stellt sicher, dass der Richter sich von der deliktischen Herkunft des Objekts des Verfalls überzeugt.

(d) § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB ermöglicht unter anderem die Abschöpfung von Gewinnen aus illegalen Drogengeschäften, bei denen der Verkäufer nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung gemäß § 134 BGB kein Eigentum an dem von dem Abnehmer als Kaufpreis gezahlten Geld erwerben kann (vgl. C. I. 3. a) sowie BTDrucks 11/6623, S. 7 f.). Die Vorschrift beschränkt zugleich in zulässiger Weise das Eigentumsrecht des an der Tat beteiligten Drogenkäufers. Seine für deliktische Zwecke freiwillig aufgegebene Vermögensposition verdient keinen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. auch den in § 817 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken).

(e) Anordnungen des erweiterten Verfalls gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB können jedoch vermögenswerte Rechtspositionen tatgeschädigter Dritter beeinträchtigen (vgl. Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten - Zur Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991, S. 186 ff.; Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 73d Rn. 5; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73d Rn. 6 f.; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73d Rn. 7). Denn anders als beim einfachen Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB) hat der Gesetzgeber beim erweiterten Verfall Schadensersatzansprüchen von Tatopfern keinen Vorrang vor der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung eingeräumt. Er sieht in dieser Ungleichbehandlung selbst einen Systembruch, der im Rahmen einer Gesamtüberarbeitung der §§ 73 ff. StGB behoben werden soll (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten vom 3. Februar 1998, BTDrucks 13/9742; er räumt Tatgeschädigten Erstattungsansprüche gegen den Staat ein, die in einem gesonderten Nachverfahren geltend zu machen sind).

In der Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG) vom 9. März 1990 (BTDrucks 11/6623, S. 7) heißt es hierzu, wegen des auf bestimmte Betäubungsmitteldelikte beschränkten Anwendungsbereichs des § 73d StGB sei eine Verkürzung der Rechte Tatgeschädigter äußerst unwahrscheinlich. Die gemäß § 73d Abs. 4 StGB entsprechend anwendbare Härteregelung des § 73c Abs. 1 StGB biete insoweit einen ausreichenden Schutz vor "unbilligen Ergebnissen".

Inzwischen hat der Gesetzgeber den erweiterten Verfall auf eine Reihe anderer Delikte, insbesondere auch auf Vermögensstraftaten wie Bandendiebstahl und -hehlerei erstreckt (vgl. A. I.). Auf der Grundlage dieser neuen Verweisungstatbestände sind nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamts in den Jahren 1993 bis 2001 insgesamt 115 Anordnungen des erweiterten Verfalls ergangen. Damit ist eine Beeinträchtigung von Eigentumsrechten und Ersatzansprüchen Tatverletzter durch die Regelung des § 73d StGB wahrscheinlicher geworden. Die strafprozessuale "Zurückgewinnungshilfe" der §§ 111b ff. StPO, die Geschädigten die Durchsetzung ihrer aus der Straftat erwachsenen Ersatzansprüche erleichtern soll, bietet wegen der zeitlichen Begrenzung des in § 111i StPO vorgesehenen Zwangsvollstreckungsprivilegs nur einen unvollkommenen Opferschutz (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 72 f.; Lenz, Einziehung und Verfall - de lege lata und de lege ferenda -, 1986, S. 289 ff.; Schäfer, in: LKStGB, 10. Aufl., § 73 Rn. 26, 28; Achenbach, in: Festschrift für Blau, 1985, S. 7, 15 f., 20). Daher hat der Gesetzgeber - auch unter sozialstaatlichen Aspekten - zu prüfen, ob die Rechte Tatgeschädigter beim erweiterten Verfall nach der Ausdehnung seines Anwendungsbereichs noch hinreichend gewahrt sind.

(f) § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB schränkt in der Auslegung des Bundesgerichtshofs die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten nicht ein. Dieser muß sich weder zu der angeklagten Anlasstat noch zu eventuellen anderen strafbaren Verhaltensweisen äußern, um eine Anordnung des erweiterten Verfalls zu vermeiden.

(g) Die angegriffene Regelung ist in der Auslegung des Bundesgerichtshofs auch hinreichend bestimmt. Sie erlaubt einen Zugriff auf alle vom Betroffenen deliktisch erlangten und durch dieses Kriterium von seinem verfassungsrechtlich geschützten Legalvermögen abgrenzbaren Gegenstände. Das vom Bundesgerichtshof hinsichtlich der deliktischen Vermögensherkunft geforderte Beweismaß der richterlichen Überzeugung macht eine Anordnung des erweiterten Verfalls für den Täter klar vorhersehbar.

(h) § 73d StGB verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der erweiterte Verfall von Gegenständen, die der Betroffene vor Inkrafttreten der auf § 73d StGB verweisenden Vorschrift erworben hat, gemäß § 2 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 1 StGB ausgeschlossen (vgl. BGHSt 41, 278; BGH, NStZ 2001, S. 419 und wistra 2003, S. 228 f.). Bei dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzesauslegung entfaltet die Vorschrift über den erweiterten Verfall keine Rückwirkung.

(i) Schließlich verstößt es nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 73d StGB die erleichterte Abschöpfung von Deliktsgewinnen auf bestimmte, dem "organisierten Verbrechen" zugerechnete Tätergruppen beschränkt. Die abweichende Behandlung dieser Tätergruppen ist durch besondere Beweisschwierigkeiten und durch die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 73d StGB verfolgten Gewinnabschöpfungsziele sachlich hinreichend gerechtfertigt (zum Maßstab BVerfGE 96, 315 <325>; 100, 138 <174>):

Mit den in § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB vorgesehenen Beweiserleichterungen will der Gesetzgeber einen Zugriff auf deliktisch erlangte Vermögensgegenstände auch dann ermöglichen, wenn deren Herkunft aus bestimmten Straftaten wegen des konspirativen Vorgehens des von der Vorschrift erfassten Täterkreises nicht aufgeklärt werden kann (vgl. oben C. I. 3. b) cc) (1) sowie BTDrucks 11/6623, S. 1). Außerdem soll eine effektivere Gewinnabschöpfung gerade denjenigen Tätern, die für die "organisierte Kriminalität" typische Delikte begangen haben, den Anreiz zur Begehung erneuter gewinnorientierter Straftaten nehmen.

Die Einschätzung des Gesetzgebers, eine effektive Gewinnabschöpfung sei bei "organisiert" vorgehenden Straftätern wegen deren erfahrungsgemäß konspirativen Verhaltens nur unter den erleichterten Voraussetzungen des § 73d StGB möglich, ist nicht offensichtlich fehlsam und genügt daher den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Auch die Typisierung der "organisierten Kriminalität" durch das Merkmal der banden- oder gewerbsmäßigen Tatbegehung wahrt die Grenzen des dem Gesetzgeber vom Grundgesetz zugebilligten Beurteilungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 8, 71 <80>; 30, 292 <317>).

II.

1. Die Rüge des Beschwerdeführers, das landgerichtliche Urteil verletze sein Eigentumsgrundrecht, weil es den vom Bundesgerichtshof in einengender Auslegung des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB aufgestellten Beweismaßanforderungen nicht genüge, ist unbegründet. Die Ausführungen des Landgerichts in den Gründen des angegriffenen Urteils belegen, dass es die Überzeugung gewonnen hat, das vom Beschwerdeführer auf einem Sparkonto angelegte Geld stamme aus verbotenen Drogengeschäften.

2. Damit erweist sich auch der Einwand des Beschwerdeführers, der seine Revision verwerfende Beschluss des Bundesgerichtshofs halte den Verfassungsverstoß des Landgerichts aufrecht, als unbegründet.

Externe Fundstellen: BVerfGE 110, 1; NJW 2004, 2073

Bearbeiter: Stephan Schlegel