HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1283
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1539/09, Beschluss v. 26.10.2011, HRRS 2011 Nr. 1283
Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 25. Februar 2009 - 33 Vollz 623/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Mai 2009 - 1 Vollz (Ws) 269/09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 GG.
Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
1. Der Beschwerdeführer verbüßt seit August 1993 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Mindestverbüßungsdauer hat das Landgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2008 auf 20 Jahre festgesetzt.
Im Februar 2007 beantragte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt eine gefesselte Ausführung. Während der zurückliegenden Haftzeit von dreizehneinhalb Jahren habe er sich stets gut geführt und diverse Therapien absolviert. Die Justizvollzugsanstalt habe bereits im Jahr 2004 festgestellt, dass bei ihm keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr bestehe. Nach so langer Vollzugsdauer verliere er die Vorstellung vom normalen Lebensablauf außerhalb der Anstalt, was seine Reintegration in Frage zu stellen drohe.
Mit angegriffenem Bescheid vom 13. Juli 2007 lehnte die Justizvollzugsanstalt den Antrag ab. Beim Beschwerdeführer seien massive Persönlichkeitsstörungen gutachterlich diagnostiziert, die auf einer ungünstigen Sozialisation beruhten. Die bisherigen Behandlungen hätten zwar zu erkennbaren Verbesserungen geführt; diese genügten jedoch nicht, um eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen zu können. Aufgrund der fortbestehenden Persönlichkeitsproblematik sei zu befürchten, dass er eine Ausführung zur Flucht und/oder zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen werde.
2. Gegen diese Entscheidung stellte der Beschwerdeführer unter dem 7. Juli 2008 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sein mit beigefügtem Schreiben vom 18. Juli 2007 eingelegter Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid sei nicht beschieden worden. Die Ablehnung der Ausführung verletze seinen Resozialisierungsanspruch. Er habe Anspruch auf entlassungsvorbereitende Lockerungen. Die Justizvollzugsanstalt habe im Jahr 2005 anlässlich der Ablehnung eines gleichlautenden Antrags in einer Stellungnahme ausgeführt, dass bei der Verwendung von Fesseln und Begleitung durch Vollzugsbedienstete eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Damals sei der Antrag abgelehnt worden, weil eine Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich sei; mit diesem Gesichtspunkt setze sich die Justizvollzugsanstalt nun nicht mehr auseinander.
Die Justizvollzugsanstalt nahm dahingehend Stellung, dass das Widerspruchsschreiben des Beschwerdeführers bislang nicht vorgelegen habe. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei zulässig, aber nicht begründet. Die Flucht- und Missbrauchsgefahr könne bei einer von Beamten der Justizvollzugsanstalt begleiteten gefesselten Ausführung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Personallage der Justizvollzugsanstalt zwinge jedoch dazu, Prioritäten bei der Gewährung bewachter Ausführungen zu setzen. Ausführungen nach § 11 StVollzG könnten neben Ausführungen aus wichtigem Anlass nur eingeschränkt ermöglicht werden. Zu lebenslanger Haft Verurteilten würden Ausführungen gewährt, um schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken, oder als Einstieg in den Lockerungsprozess. Der Beschwerdeführer gehöre zu keiner dieser beiden Fallgruppen. Ein Einstieg in den Lockerungsprozess sei derzeit nicht vorgesehen, und es sei weder ein Verlernen von autonomen Lebenstechniken noch ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit feststellbar. Die beantragte Ausführung sei daher zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich.
Der Beschwerdeführer entgegnete, er könne nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer nur entlassen werden, wenn er zuvor innerhalb eines Jahres zwei gefesselte Ausführungen sowie innerhalb eines weiteren Jahres zwei ungefesselte Ausführungen absolviert habe, ihm Urlaub gewährt worden sei und er sich zwei Jahre lang im offenen Vollzug bewährt habe. Damit sei der noch verbleibende Zeitraum ausgefüllt. Durch die Versagung der gefesselten Ausführung vereitele die Justizvollzugsanstalt seine Entlassung im August 2013. Personalknappheit sei kein Grund, der die Ablehnung rechtfertigen könnte. Der Ansicht der Justizvollzugsanstalt, dass bei ihm keine schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs vorlägen, sei nicht zu folgen. Er kenne weder den Euro noch den Umgang mit dem Handy, dem PC und dem Internet. Die drastischen Veränderungen im technischen und damit auch im alltäglichen Bereich seien völlig an ihm vorbeigegangen. Auch der gesamte städtische Lebensraum habe sich seit seiner Inhaftierung nachhaltig verändert.
3. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Februar 2009 wies das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Antrag sei zulässig; der Beschwerdeführer habe durch Vorlage eines Fax-Sendeberichts glaubhaft gemacht, dass er das Seinige getan habe, um eine Widerspruchsentscheidung herbeizuführen. Jedoch sei der Antrag unbegründet. Das Gericht könne die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt nur auf Ermessensüberschreitung oder zweckwidrigen Ermessensgebrauch hin prüfen. Maßgeblich seien insbesondere Gründe, die den Stand des Behandlungsprozesses und die Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels beträfen. Eine Ausführung könne die Justizvollzugsanstalt auch aus situativen Gründen, etwa weil nicht genügend Bedienstete verfügbar seien, ablehnen. Nach diesen Maßstäben lägen Ermessensfehler nicht vor. Zwar dürfe durch das Nachschieben von Gründen der Rechtsschutz des Antragstellers nicht verkürzt werden; die angefochtene Maßnahme dürfe nicht in ihrem Wesen verändert und dem Antragsteller die Rechtsverteidigung nicht unzumutbar erschwert werden. So dürfe die Vollzugsbehörde keine neuen oder dem Antragsteller unbekannten oder zwar bekannten, von ihr aber ersichtlich außer Betracht gelassenen Tatsachen nachschieben. Danach liege hier ein unzulässiges Nachschieben von Gründen nicht vor, da die Praxis der Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer bereits aus einem früheren Widerspruchsverfahren bekannt gewesen sei. Die Justizvollzugsanstalt müsse denknotwendig innerhalb der ihr durch die Personalsituation vorgegebenen Grenzen agieren. Wenn sie ihr Ermessen zur angestrebten Gleichbehandlung aller Gefangenen dahingehend binde, dass sie Ausführungen nur in den genannten zwei Fallgruppen gewähre, sei dies sachgerecht und nicht zu beanstanden. Auch der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise. Da die Justizvollzugsanstalt den Stand des Behandlungsprozesses in ihre Ermessensentscheidung aufnehmen dürfe, dürfe sie dem Beschwerdeführer auch die Eignung zum Einstieg in den Lockerungsprozess absprechen. Von einer weiteren Begründung könne abgesehen werden, da das Gericht im Ergebnis den Gründen der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang folge (§ 115 Abs. 1 Satz 4 StVollzG).
4. Mit der Rechtsbeschwerde (§ 116 Abs. 1 StVollzG) machte der Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Landgerichts verletze ihn in seinem Resozialisierungsanspruch. Die Entscheidung verstoße gegen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten ein sinnvoller Behandlungsvollzug stattfinden müsse und den Interessen des Gefangenen an der Bewahrung vor schädlichen Folgen aus langjähriger Inhaftierung und an der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit umso höheres Gewicht zukomme, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe dauere. Der Staat könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf fehlende personelle und finanzielle Ressourcen berufen. Der angegriffene Beschluss lasse zu Unrecht den von der Justizvollzugsanstalt einzig angeführten Grund, nämlich die Personalknappheit, genügen. Der Staat könne sich der Verantwortung für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Garantien nicht mit dieser Begründung entziehen. Der Beschluss verkenne zudem die Dringlichkeit von Vollzugslockerungen angesichts der bisherigen Vollzugsdauer; mit den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers - insbesondere zur zeitlichen Staffelung von Vollzugslockerungen zwecks Entlassungsvorbereitung - habe sich das Landgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt. Entlassungsvorbereitungen in Form von Vollzugslockerungen hätten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frühestmöglich im Hinblick auf den frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt zu erfolgen.
5. Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 25. Mai 2009 die Rechtsbeschwerde als unzulässig; es sei nicht geboten, die Nachprüfung des Beschlusses des Landgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG).
6. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf Resozialisierung und seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Ausführungen in den angegriffenen Beschlüssen stünden in krassem Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach stehe auch zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilten die Möglichkeit zu, die Freiheit wiederzuerlangen, hätten Vollzugslockerungen so früh einzusetzen, dass die Grundlagen für eine Prognoseentscheidung zum frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt geschaffen würden, und hätten die Strafvollstreckungskammern darauf hinzuwirken, dass die Grundlagen für diese Prognoseentscheidung durch die Justizvollzugsanstalt geschaffen worden seien.
Der frühestmögliche Entlassungszeitpunkt werde bei ihm erst in ungefähr vier Jahren (August 2013) eintreten. Die Einholung des für eine Entlassung erforderlichen Gefährlichkeitsgutachtens werde wegen Überlastung der Gutachter vier bis fünf Monate dauern, so dass das Überprüfungsverfahren gemäß § 57a StGB spätestens im März 2013 zu erfolgen habe. Seien bis dahin keine Lockerungen gewährt worden, werde das Gericht gegebenenfalls gar nicht die Einholung eines Gefährlichkeitsgutachtens erwägen. Ferner habe die Gewährung von Lockerungen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis des Gefährlichkeitsgutachtens und beeinflusse die Entscheidung über die Mindestverbüßungsdauer.
7. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, hat sich zu der Frage geäußert, ob der Beschwerdeführer vor Klageerhebung Widerspruch gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt erhoben hatte. Dies sei nicht der Fall; ein Schreiben des Bevollmächtigten sei damals nicht aktenkundig gewesen. Im Übrigen hat das Justizministerium von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Vorraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.
1. Für die Zulässigkeit und Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob ein vom Beschwerdeführer eingelegter Widerspruch bei den Justizbehörden erst im fachgerichtlichen Verfahren aktenkundig geworden ist. Im Hinblick auf die erforderliche Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) ist dies ohne Belang, da das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 113 StVollzG als zulässig behandelt hat. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch Vorlage eines Fax-Sendeberichts glaubhaft gemacht habe, zur Einlegung des Widerspruchs das seinerseits Erforderliche getan zu haben. Bedenken gegen diese Einschätzung sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Danach spricht auch nichts dafür, dass wegen eines fehlenden oder unzureichend durchgeführten Widerspruchsverfahrens der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsschutzziel auch im Fall der Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und Zurückverweisung der Sache letztlich keinen Erfolg haben könnte und die Verfassungsbeschwerde deshalb mangels eines bei Nichtannahme drohenden besonders schweren Nachteils (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>) nicht zur Entscheidung anzunehmen sein könnte.
2. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.
a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m. w. N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>).
Das gilt auch, wenn der Betroffene zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist, zumal dem Gefangenen auch in diesem Fall eine Chance verbleiben muss, eines Tages die Freiheit wiederzuerlangen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 ff.>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92). Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er daher durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris, Rn. 3, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32).
bb) Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Vollzugsgestaltung gelten nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungs- oder Justizeinrichtungen tatsächlich oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 40, 276 <284>; 116, 69 <89 f.>). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen auch aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Justizvollzugsanstalt ergeben (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 f.>). Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>). Andererseits kann aber der Staat grundrechtliche und einfachgesetzlich begründete Ansprüche Gefangener nicht nach Belieben dadurch verkürzen, dass er die Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich wäre. Vielmehr setzen die Grundrechte auch Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Der Staat ist verpflichtet, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 <284>; 45, 187 <240>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; 13, 487 <492 f.> m. w. N.).
Sind vorhandene Vollzugseinrichtungen und deren Ausstattung so beschaffen, dass Rechte der Gefangenen nicht gewahrt werden können, ohne dass dadurch Rechte anderer Gefangener oder sonstige Belange von vergleichbarem Gewicht beeinträchtigt werden, so folgt auch hieraus nicht, dass die insoweit auf der einen oder anderen Seite unvermeidlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres und unabhängig von laufenden Bemühungen um kurzfristige Abhilfe als rechtmäßig hinzunehmen wären (vgl. BVerfGK 13, 487 <493> m. w. N.). Die Frage, wie mit derartigen Notsituationen umzugehen ist, stellt sich im Übrigen erst, wenn feststeht, dass eine auch mit besonderem Einsatz nicht vermeidbare Notsituation tatsächlich vorliegt. Drohen aufgrund unzureichender Ausstattung von Haftanstalten Beeinträchtigungen, die normalerweise von Rechts wegen nicht hinnehmbar sind, so sind - unbeschadet der Pflicht der zuständigen Organe, für eine dauerhafte Verbesserung der Ausstattung zu sorgen - den zuständigen Anstalten und ihren Trägern besondere Anstrengungen zum Ausgleich des Mangels und zur zügigen Abhilfe abzuverlangen; das Niveau der "zumutbaren Anstrengungen" (vgl. BVerfGE 42, 95 <102>) bemisst sich insoweit nach der staatlichen Verantwortung für die Ausstattung des Vollzuges mit den für die rechtmäßige Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mitteln (vgl. BVerfGK 13, 487 <493>).
cc) Die hiernach entscheidungserheblichen Umstände haben die Gerichte aufzuklären. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 13, 487 <493>). Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Haftvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 13, 487 <493 f.>).
b) Nach diesen Maßstäben kann der angegriffene Beschluss des Landgerichts keinen Bestand haben, weil er sowohl das Gewicht der betroffenen grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers als auch die verfassungsrechtlichen Grenzen möglicher Rechtfertigung der Ablehnung von Lockerungen durch Personalknappheit und die daraus folgenden Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung verkennt.
Es kann offen bleiben, ob Grundrechte des Beschwerdeführers bereits dadurch verletzt sind, dass das Landgericht seiner Prüfung eine im gerichtlichen Verfahren ausgewechselte Begründung der Justizvollzugsanstalt für ihren ablehnenden Bescheid zugrundegelegt und damit ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessensgründen hingenommen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 <32>; OLG Hamburg, Beschluss vom 21. August 2008 - 3 Vollz (Ws) 34/08 -, juris, Rn. 21 ff.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 115 Rn. 53; Schuler/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl. 2009, § 115 Rn. 4 m. w. N.). Denn auch ausgehend von der ausgewechselten Begründung wird der Beschluss des Landgerichts den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.
Wenn das Gericht dem Beschwerdeführer entgegenhält, er selbst behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise, verfehlt es - wie zuvor schon die Justizvollzugsanstalt - den Sinn des grundrechtlichen Gebots, einem Verlust der Lebenstüchtigkeit des Beschwerdeführers nach Möglichkeit entgegenzuwirken (s. unter a) aa)). Dieses Gebot bezieht sich als Element der staatlichen Verpflichtung, den Haftvollzug am Resozialisierungsziel auszurichten, offensichtlich nicht nur auf den Verlust von für das Leben in Haft bedeutsamen Fähigkeiten, sondern gerade auch auf die Erhaltung der Tüchtigkeit für ein Leben in Freiheit. Der Gefangene soll so lebenstüchtig bleiben, dass er sich im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben wieder zurechtfindet (vgl. BVerfGE 45, 187 <240>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122>, und vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Mit der Annahme, das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen nach Möglichkeit zu erhalten, greife erst ein, wenn der Gefangene Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist, die sich bereits als Einschränkungen seiner Lebenstüchtigkeit unter den Verhältnissen der Haft bemerkbar machen, wird es daher grundlegend missverstanden. Dem hohen Gewicht, das dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nach mehr als zehnjähriger Haftverbüßung für die Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt zukam (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122 f.>), hat das Landgericht auf diese Weise nicht im Geringsten Rechnung getragen.
Der angegriffene Beschluss verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen zudem auch dadurch, dass er sich mit den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Grenzen der Möglichkeit, Versagungen durch Personalknappheit zu rechtfertigen (s. unter a) bb)), nicht auseinandersetzt, obwohl dies angesichts des Gewichts der berührten grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers offensichtlich angezeigt war. Infolgedessen ist auch die insoweit erforderliche Sachverhaltsaufklärung unterblieben (s. unter a) cc)). Weder hat das Gericht nähere Feststellungen zu Art und Dauer der von der Justizvollzugsanstalt angeführten Mangellage getroffen noch geprüft, ob und welche Abhilfemaßnahmen von der Justizvollzugsanstalt ergriffen beziehungsweise beantragt wurden und ob und welche besonderen Anstrengungen ihr zumindest vorübergehend zumutbar sind, um sicherzustellen, dass die gesetzlich eröffnete Möglichkeit von Vollzugslockerungen nicht in einer mit dem dahinterstehenden Resozialisierungsziel unvereinbaren Weise leerläuft.
3. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgericht verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).
b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.
§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7), auf die der Beschwerdeführer zudem bereits mit seinem ersten Rechtsbeschwerdeschriftsatz hingewiesen hat, hier der Fall.
1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie aufzuheben und ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren sind dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG zu erstatten.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1283
Bearbeiter: Holger Mann