Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1317/05, Beschluss v. 05.07.2006, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gem. § 93a 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Beschwerdeführer war zusammen mit weiteren Beschuldigten, darunter L., wegen des Verdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln festgenommen worden. In der Folge machten L. sowie andere gesondert verfolgte Beschuldigte - in Abwesenheit des Beschwerdeführers und dessen Verteidigers - im Rahmen polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen umfangreiche Angaben, welche den Beschwerdeführer belasteten.
2. Das LG verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 17 Fällen, Waffendelikten und Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren, wobei es die Beweisführung auch auf Angaben des L. sowie weiterer tatbeteiligter Zeugen stützte. Da L. in der Hauptverhandlung ebenso wie vier weitere Zeugen umfassend von seinem Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO Gebrauch gemacht hatte, hatte das Gericht deren frühere Angaben durch Vernehmungen der polizeilichen Verhörspersonen eingeführt.
3. Mit Beschluss vom 22. 6. 2005 hat der BGH die Revision des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts als unbegründet verworfen (vgl. NStZ-RR 2005, S. 321). Zwar habe für den Beschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens keine angemessene Gelegenheit bestanden, L. zu befragen; in seiner Gesamtheit sei das Verfahren aber als fair zu betrachten. Hinsichtlich der Verwertung polizeilicher Angaben weiterer Zeugen seien die vom Beschwerdeführer mit der Revision geltend gemachten Verfahrensrügen nicht in einer den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt und deshalb unzulässig.
Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde rügt, im Hinblick auf die teilweise Behandlung seiner Revisionsrügen als unzulässig habe der BGH den Zugang zur Rechtsmittelinstanz in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise erschwert, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.
Die Auffassung des BGH, die Beachtung der Verteidigungsrechte i.S. des Art. 6 Abs. 3 lit d EMRK nur auf der Grundlage eines die maßgeblichen Umstände enthaltenden Sachvortrags prüfen zu können, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der BGH durfte hinsichtlich der betroffenen Auskunftspersonen die Mitteilung von Einzelheiten zu Gang und Verlauf der fraglichen Vernehmungen und Ermittlungsverfahren verlangen.
Die Ansicht des BGH, der Revisionsvortrag des Beschwerdeführers werde diesen Anforderungen nicht gerecht, unterliegt ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Gegensatz zu der auf die Aussagen des Zeugen L. bezogenen Revisionsrüge hat der Beschwerdeführer hinsichtlich der genannten weiteren Personen von einer nachvollziehbaren Darlegung des Verfahrensgangs abgesehen, ohne etwa darauf einzugehen, wann, durch wen, in wessen Anwesenheit und mit welchem Ergebnis Vernehmungen stattfanden und ob der Beschwerdeführer gesonderte Vernehmungen der Zeugen in seiner Anwesenheit beantragt hatte.
Demnach ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit der Beschwerdeführer Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot im Hinblick auf die Verletzung seines Rechts rügt, andere Personen als den Zeugen L. unmittelbar zu befragen. Denn insoweit hat er mangels Erhebung zulässiger Revisionsrügen das Gebot der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet, das es gebietet, im Verfahren vor den Fachgerichten alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um die vermeintliche Grundrechtsverletzung abzuwenden (vgl. BVerfGE 68, 384 <389>; 112, 50 <60>).
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Ein Verstoß gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG) liegt nicht vor.
1. a) Die im deutschen Strafprozess durch die Einräumung bedeutsamer Mitwirkungsrechte gekennzeichneten Verteidigungsbelange des Beschuldigten sind von Verfassungs wegen durch verfahrensrechtliche Garantien geschützt, die sich neben den wichtigsten speziellen Verfahrensgrundrechten - wie den Ansprüchen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), insbesondere aber dem Rechtsstaatsprinzip ergeben (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>). Der Anspruch auf ein faires Verfahren kann durch verfahrensrechtliche Gestaltungen berührt werden, die der Ermittlung der Wahrheit und somit einem gerechten Urteil entgegenstehen. Da der Angeklagte nicht nur Objekt des Verfahrens sein darf, muss er die Möglichkeit erhalten, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 20. 12. 2000 - 2 BvR 591/00 -, NJW 2001, S. 2245 <2246> m.w. Nachw.). Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt ein Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung. Dieser Anspruch wird einerseits bestätigt, andererseits ausgeformt durch die als Auslegungshilfe verstandenen Regelungsinhalte des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 6 Abs. 3 EMRK (vgl. BVerfG-K 4, 72 <75> m.w. Nachw.).
b) Das Recht auf ein faires Verfahren enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote, sondern bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung von Verfassungsgrundsätzen zu wählen. Erst wenn sich ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 70, 297 <309>; 86, 288 <317 f.>). Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 30. 6. 2005 - 2 BvR 1502/04 -, NStZ 2006, S. 46 m.w. Nachw.).
c) Zur Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört auch die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einschlägig, so sind die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung einzubeziehen, und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 f.>).
2. Hieran gemessen liegt eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht vor.
a) Dem LG war es im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK nicht verwehrt, die Angaben des Zeugen L. im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf eine direkte Konfrontation zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens wahrnehmen konnte, hat hier verfassungsrechtlich nicht deren Unverwertbarkeit zur Folge.
aa) Da diesem Zeugen ein umfassendes, von den Gerichten zu respektierendes Schweigerecht zustand, beruhte die Nichtgewährung des Konfrontationsrechts auf einem relevanten Grund.
bb) Die Verwertbarkeit seiner Aussage war hier nicht wegen eines erheblichen staatlichen Verschuldens ausgeschlossen.
(1) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei polizeilichen Vernehmungen Anwesenheitsrechte von Verteidigern und weiteren Beschuldigten nicht vorgesehen sind; gleiches gilt für die an dem Gesetzeswortlaut des § 168 c Abs. 2 StPO orientierte Auslegung, nach der ein derartiges Anwesenheitsrecht auch bei der richterlichen Vernehmung einer anderen Person als der eines Zeugen im Vorverfahren, namentlich eines Beschuldigten, grundsätzlich nicht besteht (vgl. BVerfGE 96, 68 <96>).
(2) Ein Verschulden der Justiz in Bezug auf die Gewährung des Konfrontationsrechts ist auch in der Folge jedenfalls nicht in einem solchen Ausmaß festzustellen, dass die Rechtsverletzung verfassungsrechtlich allein durch ein umfassendes Verwertungsverbot der belastenden Aussage sanktioniert werden könnte.
Der Bundesgerichthof durfte jedenfalls im Ergebnis unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, namentlich wegen der Vielzahl potentieller Beschuldigter, der Komplexität des Sachverhalts und der Eigenart des hier betroffenen Delikts, aber auch wegen der durch den Untersuchungszweck gebotenen Notwendigkeit, die Angaben zunächst durch weitere Ermittlungen zu prüfen, annehmen, dass eine Verpflichtung zu einer richterlichen Zeugenvernehmung des L. unter Beteiligung des Beschwerdeführers oder seines Verteidigers nicht bestand. Zwar hat die Justiz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention mögliche, zumutbare und Erfolg versprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ein Angeklagter sein Befragungsrecht gegenüber Belastungszeugen wahrnehmen kann; dies gilt vor allem in solchen Fällen, in denen auf Grund eines drohenden Beweismittelverlusts eine Beweissicherung im Vorverfahren geboten ist (vgl. BGHSt 46, 93 <101>).
(3) Von einer solchen Lage mussten die Strafverfolgungsbehörden und Fachgerichte hier indes nicht ausgehen. Soweit ein Scheitern einer unmittelbaren Zeugenbefragung wegen der Ausübung des Schweigerechts zu besorgen war, bestand zwischen der Situation im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung kein wesentlicher Unterschied: Dafür, dass L. nach Abschluss seiner Vernehmungen als Beschuldigter bereit gewesen wäre, im Rahmen einer richterlichen Einvernahme als Zeuge auszusagen, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich. Dagegen spricht, dass er sich - offenbar nach anwaltlicher Beratung - in der Hauptverhandlung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen hat; nachvollziehbare Gründe, warum er in einem früheren Verfahrensstadium eine andere anwaltliche Empfehlung erhalten haben und sich für eine Aussage entschieden haben sollte, sind nicht erkennbar. Wie der BGH zu Recht bemerkt, kommt hier schon wegen der Natur der Tatvorwürfe hinzu, dass seine Angaben eine Vielzahl von Personen betrafen; demnach lag es nahe, dass er in mehreren Verfahren als Zeuge hätte aussagen müssen. Dass er - trotz der jederzeit gegebenen Möglichkeit, sich auf Auskunftsverweigerungsrechte zu berufen - hierzu bereit gewesen wäre, ist weder belegt noch wahrscheinlich.
Den staatlichen Bemühungen um eine Sicherstellung des Konfrontationsrechts waren zudem von vornherein Grenzen gesetzt. Jeder Berechtigte hat autonom zu entscheiden, ob er von seinem Recht auf Selbstbelastungsfreiheit Gebrauch machen will; der Staat hat nicht nur diese Entscheidung zu respektieren, sondern sich auch unzulässiger Einflussnahmen zu enthalten. Mit der in der Menschenwürde des Zeugen wurzelnden Selbstbelastungsfreiheit wäre es unvereinbar, dem Staat die Pflicht aufzuerlegen, die Aussagebereitschaft einer verweigerungsberechtigten Auskunftsperson fortlaufend zu prüfen und womöglich schon auf diese Weise auf dessen Willensentschließung einzuwirken. Es ist auch nicht vorgetragen und ersichtlich, dass der Beschwerdeführer seinerseits in Kenntnis der Sachlage - sein Verteidiger hatte bereits im Dezember 2003 Akteneinsicht erhalten - die richterliche Zeugenvernehmung des L. vor Beginn der Hauptverhandlung beantragt hätte.
Danach durften die Strafverfolgungsbehörden eine richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren auf Grund pflichtgemäßen Ermessens für die Sicherung des Konfrontationsrechts als nicht Erfolg versprechend einschätzen, zumal der Wert einer derartigen Befragung ohnehin hinter einer späteren, auf dem vollständigen Ermittlungsergebnis fußenden umfassenden Konfrontation in der Hauptverhandlung zurückgeblieben wäre. Der BGH musste das Unterlassen weiterer Vernehmungsversuche im Vorverfahren nicht als ein die Unfairness des Verfahrens insgesamt indizierendes staatliches Verschulden werten.
b) Die Auffassung des BGH, die Einschränkung der Verteidigungsrechte habe das LG im Rahmen der Beweiswürdigung ausreichend kompensiert, so dass das Verfahren auch unter diesem Gesichtspunkt insgesamt noch fair gewesen sei, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(aa) Der BGH hat unter Verweis auf zahlreiche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angenommen, dass eine Verurteilung nur dann auf eine vom Angeklagten nicht hinterfragte Zeugenaussage gestützt werden könne, wenn diese Bekundungen durch andere wichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. Dabei belegen schon die einzelnen, in Bezug genommenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass der BGH einschlägige Rechtsprechung umfassend zur Kenntnis genommen und zur rechtlichen Entscheidungsgrundlage erhoben hatte.
(bb) Der BGH hat den konventionsrechtlichen Vorgaben bei der Anwendung dieser Grundsätze hinreichend Rechnung getragen.
(1) Das LG war sich des geringeren Beweiswerts der durch Zeugen vom Hörensagen und vom Beschwerdeführer nicht hinterfragten Angaben des Zeugen L. bewusst. Es hat deshalb insgesamt eine vorsichtige Beweiswürdigung vorgenommen, wobei es die Angaben des Zeugen L. einer kritischen und sorgfältigen Analyse unterzogen hat.
(2) Weiterhin durfte der BGH annehmen, dass die Angaben des Zeugen L. durch zahlreiche weitere Beweismittel gestützt wurden.
Die Annahme, der Beschwerdeführer sei als führendes Mitglied einer Bande tätig geworden, welche mit verschiedenen Arten von Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben habe, wird - über die Angaben nicht unmittelbar vom Gericht einvernommener Zeugen hinaus - durch eine Vielzahl weiterer, vom Beschwerdeführer befragter Zeugen und in seiner Anwesenheit erörterter Beweismittel gestützt. So hat der Beschwerdeführer selbst eingeräumt, mehrmals in die Niederlande gefahren zu sein, um dort, wenn auch in kleinen Mengen, Marihuana zu erwerben und Telefonate geführt zu haben, welche Betäubungsmittelgeschäfte zum Inhalt hatten. Zudem hat der - auch vom Beschwerdeführer befragte - Zeuge O. umfassende und detaillierte Schilderungen zur Stellung des Beschwerdeführers in einem Verband mehrerer Personen und zu dessen Verwicklung in Geschäfte mit Betäubungsmitteln bekundet. Unter näherer Angabe der vom Beschwerdeführer vorgegebenen Mengeneinheiten, Preisgestaltungen und Kontrollmechanismen berichtete dieser Zeuge, im Auftrag des Beschwerdeführers selbst als Verkäufer von Marihuana und Kokain aufgetreten und mehrfach als Begleiter und Testperson an Drogenbeschaffungsfahrten in die Niederlande teilgenommen zu haben; ebenso habe er in mehreren Fällen die Auslieferung der Betäubungsmittel an diverse Verkaufsstätten in Leverkusen übernommen. Ferner schilderte er die Einbindung weiterer Personen in die Betäubungsmittelgeschäfte des Beschwerdeführers und machte präzise Angaben zu den Orten und der Abwicklung des Verkaufs, so zu Umverpackungen von Betäubungsmitteln in den Räumlichkeiten des gesondert verfolgten Zeugen I.
Die über die polizeilichen Verhörspersonen eingeführten Aussagen des Zeugen L. stimmten weiterhin in ihren wesentlichen Aspekten nicht nur mit den von der Strafkammer willkürfrei als glaubhaft angesehenen Angaben des Zeugen O., sondern auch mit zahlreichen weiteren Beweismitteln überein. Neben den (allerdings ebenfalls nur über Zeugen vom Hörensagen eingeführten) Schilderungen der Zeugen A., M. und K. gab auch der Zeuge F. an, für den Beschwerdeführer Fahrten in die Niederlande durchgeführt zu haben. Dem entspricht die vom Zeugen M. bestätigte häufige Anmietung von Fahrzeugen, welche bei der Rückgabe mit einem deutlich erhöhten Tachometerstand teilweise nach Marihuana gerochen hätten. Der Zeuge I., den der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung befragen konnte, hatte im Ermittlungsverfahren diese Praxis unter Nennung zahlreicher in die Umsatzgeschäfte verwickelter Personen bestätigt. Es kommt hinzu, dass im Zimmer dieses Zeugen Verpackungsmaterial und eine Feinwaage aufgefunden worden waren. Ferner haben die (vom Beschwerdeführer konfrontierten) Zeugen D., S., B., I., B. und H. sowie die Zeugen Y., T. und T. - ebenso wie die in der Hauptverhandlung nicht aussagebereiten Zeugen S., V. und I. - den sich auf mehrere Orte erstreckenden Vertrieb von Betäubungsmitteln durch den Beschwerdeführer bestätigt. Dass der Beschwerdeführer, wie vom Zeugen L. geschildert, bandenmäßig unerlaubt mit Kokain Handel getrieben hat, wird schließlich auch durch die Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung untermauert.
(3) Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen, den Angaben des L. gerade in maßgeblichen Einzelheiten entsprechenden weiteren Beweismittel war der BGH von Verfassungs wegen nicht gehalten, eine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer beanstandeten Einzelfälle zu verneinen, sondern durfte auch insoweit von einer ausreichenden Kompensation ausgehen.
So war es den Fachgerichten in diesem Einzelfall nicht untersagt, im Rahmen einer besonders vorsichtigen Beweiswürdigung den zahlreichen Beweisen für einen vom Beschwerdeführer bandenmäßig betriebenen Handel mit Betäubungsmitteln eine wesentliche indizielle Wirkung auch für die von Mitgliedern der Bande in wiederkehrender Begehungsweise begangenen Einzeltaten beizumessen. Schon wegen der bei der Beweiswürdigung stets geforderten Gesamtschau aller Beweisanzeichen und Indizien musste der BGH die Feststellungen zu Struktur und Arbeitsweise der Bande nicht von den im Zuge der Bandentätigkeit verübten einzelnen Taten trennen; vielmehr wiesen diese einen hinreichend engen Bezug auch zu den konkret festgestellten Tathandlungen auf.
Dabei war der BGH verfassungsrechtlich nicht gehindert, die Angaben weiterer, nicht unmittelbar in der Hauptverhandlung befragter Bandenmitglieder zu berücksichtigen. Da ein durchgreifendes staatliches Verschulden an der unterbliebenen Konfrontation dieser Auskunftspersonen, wie im Falle des Zeugen L., nicht ersichtlich ist, waren deren über Vernehmungspersonen eingeführte Schilderungen im Lichte der EMRK ebenfalls nicht unverwertbar, sondern, wie geschehen, besonders vorsichtig und kritisch zu würdigen. Dabei hatten die Fachgerichte nicht nur zu berücksichtigen, dass insbesondere die ausführlichen Angaben der Zeugen A. und I. durch die vorgenannten zahlreichen weiteren Beweismittel, wie die Aussage des Zeugen O., bestätigt wurden; im Rahmen der Verpflichtung zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung und sorgfältigen Beweiswürdigung durften sie auch dem Umstand Bedeutung beimessen, dass es sich jeweils um detaillierte Schilderungen aus unmittelbarer eigener Anschauung handelte, welche sich - ohne dass Übereinstimmungen erst Vorhalten oder sonstigen Hinweisen Dritter entsprangen - widerspruchsfrei zu einem in sich stimmigen Gesamtbild der sich wiederholenden Abläufe fügen. Schließlich gründet der Schuldspruch auch in den Einzelfällen nicht allein auf den Angaben einer nicht vom Angeklagten hinterfragten Zeugenaussage, sondern auch auf noch hinreichend konkrete, vom BGH dargelegte weitere Indizien.
c) Im Rahmen der Gesamtbetrachtung, ob dem Beschwerdeführer ein faires Verfahren zuteil geworden war, ist auch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer die Identität der ihn belastenden Zeugen bekannt und er somit im Stande war, zumindest über Prozesserklärungen und Beweisanträge deren Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.
d) In Anbetracht der tragenden Bedeutung unmittelbar erhobener Sachbeweise wie der detaillierten Angaben des Zeugen O. liegt schließlich auch keine verfassungsrechtlich bedenkliche Häufung mittelbar eingeführter Beweismittel vor.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Externe Fundstellen: NJW 2007, 204
Bearbeiter: Stephan Schlegel