Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 153/03, Beschluss v. 25.07.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2002 - 7 KLs 5/01 - W - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2002 - 3 StR 433/02 - verletzen den Beschwerdeführer hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland haben dem Beschwerdeführer jeweils die Hälfte der im Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Folgerungen, die von Verfassungs wegen aus der überlangen Dauer eines Strafverfahrens zu ziehen sind.
Mit Urteil vom 7. Juni 2002 verurteilte das Landgericht Oldenburg den Beschwerdeführer wegen Betrugs in drei Fällen, wegen Betrugs in Tateinheit mit der Verleitung zur Börsenspekulation in fünf Fällen sowie wegen Verleitung zur Börsenspekulation in weiteren fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 €. Der Verurteilung liegen Straftaten aus den Jahren 1991 und 1992 zu Grunde.
Die Revision des Beschwerdeführers, die sich vor allem auf eine unzureichende Berücksichtigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung durch das landgerichtliche Urteil stützte, verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17. Dezember 2002 gemäß § 349 Abs. 2 StPO ohne nähere Begründung.
1. Dieser Verurteilung liegt ein umfangreiches Strafverfahren zu Grunde, das sich ursprünglich gegen mehrere Geschäftsführer und 15 bis 20 Telefonverkäufer einer in Oldenburg residierenden Beratungsfirma richtete, die sich mit der Vermittlung von Warentermingeschäften befasste. Das Verfahren gegen den Beschwerdeführer, der in einem weiteren, in Bremen befindlichen Büro arbeitete, wurde zunächst als "Sonderheft" im Rahmen des ab 1993 laufenden allgemeinen Verfahrens geführt und erst später - mit Anklageerhebung im Juni 1997 - abgetrennt. Im Rahmen des ursprünglichen Verfahrens kam es, beginnend ab Februar 1994, bundesweit zur Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen; der Beschwerdeführer wurde erstmals am 8. Juni 1995 verantwortlich zu den Tatvorwürfen gehört.
Danach kam es bis zur Anklageerhebung zwei Jahre später zur Vernehmung von sechs Beschuldigten bzw. Zeugen, und zwar beginnend ab 20. November 1995, am 30. November 1995, am 10. und 24. Juni 1996, am 28. Oktober 1996, am 13. November 1996 und am 7. Januar 1997. Zu einer weiteren Vernehmung des Beschwerdeführers, zu der er auf Bitte der Staatsanwaltschaft vom 24. Juli 1996 zunächst mit Schreiben vom 18. Oktober und 4. November 1996 und sodann mit einer Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 9. Januar 1997 geladen worden war, kam es nicht mehr, nachdem sein damaliger Verteidiger am 16. Januar 1997 mitgeteilt hatte, er werde sich zur Sache nicht mehr einlassen.
Daneben förderte die Kriminalpolizei das Verfahren gegen den Beschwerdeführer durch einen Vermerk vom 13. März 1996 über den Aktenaufbau und Feststellung zum Verhältnis der Provisionen zu den angelegten Beträgen sowie die Anregung einer Zeugenvernehmung vom 26. November 1996 zu der Frage, welche Telefonverkäufer in Oldenburg gearbeitet hätten. Die Staatsanwaltschaft gab dem Verfahren Fortgang durch zwei Vermerke vom 10. Dezember 1996 und 28. Januar 1997 zum Tatverdacht gegen die Telefonverkäufer sowie zur Schadensberechnung. Außerdem bewilligte die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 28. Januar 1997 Akteneinsicht, die drei Wochen dauerte.
2. Nach Zustellung der Anklage vom 12. Juni 1997 an den Beschwerdeführer verlängerte das Landgericht die ursprünglich auf drei Wochen festgesetzte Erklärungsfrist bis zum 1. Oktober 1997. Fast drei Jahre später, am 1. August 2000, eröffnete das Landgericht schließlich das Hauptverfahren. Die Hauptverhandlung begann am 25. August 2000 und führte nach 15 Verhandlungstagen zu einer Entscheidung des Landgerichts, mit der der Beschwerdeführer wegen Betrugs in drei Fällen, wegen Betrugs in Tateinheit mit Verleitung zur Börsenspekulation in fünf Fällen sowie wegen Verleitung zur Börsenspekulation in weiteren fünf Fällen unter Freisprechung im Übrigen verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 500 DM vorbehalten wurde. Das Landgericht ging dabei von einem Gesamtschaden von ca. 116.000 DM aus und berücksichtigte zudem zu Lasten des Beschwerdeführers den - trotz Einstellung einer Reihe von Verfahren - nicht unerheblichen Umfang der Taten sowie die zum Teil schwerwiegenden Folgen auf Seiten der Geschädigten. Zu Gunsten des Beschwerdeführers bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Anleger teilweise leichtfertig zur Geldanlage bereit gewesen seien und sich das Vorgehen des Beschwerdeführers in einer "Grauzone" am Rand des strafbaren Verhaltens (Überschreiten der Grenze des noch erlaubten Anpreisens) bewegt habe. Ferner berücksichtigte das Landgericht, dass die Taten bereits sehr lange zurück lägen, sich das Verfahren über einen außergewöhnlich langen Zeitraum hingezogen und den Angeklagten seit Jahren belastet habe. Für den nicht vorbestraften Beschwerdeführer, der sich um die Aufklärung des Sachverhalts bemüht habe, führte die Kammer zudem an, dass sich die mehrmonatige Hauptverhandlung für ihn, der regelmäßig und unter hohen Kosten aus Wien angereist sei, sehr belastend ausgewirkt habe. Außerdem habe sich die Lebenssituation des Beschwerdeführers, dessen Zukunft vom Ausgang des vorliegenden Strafverfahrens abhänge und der Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung signalisiert habe, stark verändert.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hielt das Landgericht Geldstrafen für ausreichend, die es wegen des extrem langen Zeitablaufs auf die Hälfte der Strafen reduzierte, die bei zeitnaher Aburteilung angebracht gewesen wären. Aus den Einzelstrafen bildete das Landgericht eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen, auf deren Verhängung es unter Anwendung des § 59 StGB (Verwarnung mit Strafvorbehalt) verzichtete. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer auch ohne Verurteilung zur Strafe keine Straftaten mehr begehen werde. Zudem lägen besondere tat- und täterbezogene Umstände vor, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, ihn von der Verurteilung zu Strafe zu verschonen. Es sei von Bedeutung, dass ihm die damaligen Taten relativ leicht gemacht worden seien, sich die Hauptverhandlung über ungewöhnlich lange Zeit hingezogen habe und zur Wiedergutmachung des Schadens bereit sei. Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete nicht die Verurteilung zu Strafe, wenn man bedenke, dass die Taten bereits zehn Jahre zurücklägen und der finanzielle Schaden der Anleger nur noch auf diesem Wege teilweise ausgeglichen werden könnte. Bei der Anwendung des § 59 StGB bedachte das Landgericht insbesondere, dass bei einer Bestrafung des Beschwerdeführers allem Anschein nach dessen berufliche Laufbahn in Österreich beendet gewesen wäre. Dies sei in Anbetracht der lange zurückliegenden Straftaten unverhältnismäßig.
3. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie sich gegen den Freispruch in vier Fällen wandte und im Übrigen den Rechtsfolgenausspruch - Verwarnung mit Vorbehalt einer Geldstrafe nach § 59 StGB - beanstandete, hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22. August 2001 das landgerichtliche Urteil im Strafausspruch sowie auch insoweit auf, als der Beschwerdeführer freigesprochen worden war. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde die Revision des Beschwerdeführers verworfen.
Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, dass die Verwarnung mit Strafvorbehalt schon deshalb nicht bestehen bleiben könne, weil nicht auszuschließen sei, dass der Beschwerdeführer auf Grund der neuen Verhandlung wegen weiterer Taten schuldig gesprochen werde und dann eine Gesamtgeldstrafe verwirkt habe, die die Höchstgrenze für die Anwendung des § 59 StGB übersteige. Zudem fehle es für § 59 StGB an einer tragfähigen Begründung. Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, die Verwarnung mit Strafvorbehalt habe Ausnahmecharakter und gelte in der Regel nur für den unteren Kriminalitätsbereich. Dabei seien die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nur gegeben, wenn bestimmte Umstände die zu beurteilende Tat von den Durchschnittsfällen deutlich abhöben und diesen gegenüber das Tatunrecht, die Schuld und die Strafbedürftigkeit wesentlich minderten. Zwar sprächen durchaus gewichtige Umstände - vor allem die lange Verfahrensdauer, die allerdings nicht ohne Weiteres einen "besonderen Umstand" im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB darstelle - zu Gunsten des Beschwerdeführers. Gegen mehrere vom Landgericht strafmildernd berücksichtigte Gesichtspunkte bestünden jedoch durchgreifende rechtliche Bedenken.
Die Wertung des Landgerichts, "das Verhalten des Beschwerdeführers sei in einer Grauzone jenseits der Strafbarkeitsgrenze angesiedelt", werde angesichts des festgestellten planmäßigen Vorgehens dem Unrechtsgehalt der Taten nicht gerecht. Auch sei nicht erkennbar, "worin die stark veränderte Lebenssituation des Beschwerdeführers bestehen soll", der gegenwärtig bei einer Warentermingeschäfte vermittelnden Gesellschaft beschäftigt sei. Fraglich erscheine, ob der geäußerten Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung bei der Strafzumessung eine wesentliche Bedeutung zukommen könne. Für die neue Verhandlung wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass sich dem Urteil nicht entnehmen lasse, ob die lange Verfahrensdauer von den Strafverfolgungsbehörden zu vertreten sei und ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vorliege.
4. Nach Aufhebung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof gingen die Verfahrensakten am 24. September 2001 beim Landgericht ein, das knapp zwei Monate später dem Verteidiger des Beschwerdeführers mitteilte, das Verfahren solle für Anfang 2002 terminiert werden. Nach Mitteilung des Verteidigers vom 5. Dezember 2001, es seien vor dem 15. Januar 2002 keine freien Termine verfügbar, lud das Gericht mit Verfügung vom 17. Januar 2002 zur neuen Hauptverhandlung am 10. April 2002. Nachdem der Verteidiger des Beschwerdeführers am vorgesehenen Beginn der Hauptverhandlung aus Krankheitsgründen am Erscheinen gehindert war, wurde die Hauptverhandlung am 6. und 7. Juni 2002 durchgeführt. Sie führte zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers wegen derselben Straftaten wie zuvor zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 100 €; im Hinblick auf die Straftaten, wegen derer der Beschwerdeführer zunächst freigesprochen worden war, stellte das Landgericht das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO ein. In den Urteilsgründen legte das Landgericht den Verfahrensablauf dar; dabei stellte es fest, dass während des Ermittlungsverfahrens die Akte nicht, jedenfalls nicht in einem hier entscheidenden Zeitraum, "liegen geblieben" sei. Dies begründete die Kammer wie folgt:
"Allerdings hat Rechtsanwalt B. als Zeuge ausgesagt, dass während der 1. Hauptverhandlung die Frage aufgetaucht sei, warum die Ermittlungen so lange gedauert hätten. Der zuständige Staatsanwalt G. habe daraufhin gesagt, der bearbeitende Kripobeamte sei 2 Jahre krank gewesen, sodass die Akte 2 Jahre lang liegen geblieben sei. Bei dem bearbeitenden Kripobeamten müsse es sich um den KOK L. gehandelt haben. Der Zeuge B. wusste allerdings nicht, welchen Zeitraum der Staatsanwalt G. genau meinte.
Da in den 2 Jahren zwischen der ersten Vernehmung des Angeklagten (Juni 1995) und der Anklageerhebung (Juni 1997) der KOK L. aber u.a. die Vernehmungen von Beschuldigten in diesem Verfahren (so am 20.11.1995, 30.11.1995, 10.6.1996, 24.6.1996, 28.10.1996, 13.11.1996 und 7.1.1997) vorgenommen hat, was sich aus den jeweiligen Protokollen und der Aussage der Zeugin B. ergibt, die einen Teil der Vernehmungsprotokolle sogar selber geschrieben hat, kann er jedenfalls an diesen Tagen nicht krank gewesen sein. Falls er vor dem 8.6.1995 krank gewesen sein sollte und die Ermittlungen deshalb stockten, bevor der Angeklagte von seiner Beschuldigung wusste, so wäre dies im Hinblick auf die Menschenrechtskonvention unerheblich. Auch kurzfristige Erkrankungen des Sachbearbeiters sind nicht von Bedeutung, da in dem entscheidenden Zeitraum jedenfalls Ermittlungen stattgefunden haben, wie die obigen Feststellungen zeigen."
Bei der Strafzumessung berücksichtigte die Strafkammer zu Lasten des Beschwerdeführers die Schadenshöhe, die allein mit Blick auf die Betrugsstraftaten bei über 100.000 DM liege.
Zu Gunsten des nicht vorbestraften Beschwerdeführers berücksichtigte das Landgericht, dass er zu der neuen Hauptverhandlung wie schon zuvor freiwillig angereist sei und erneut bei der Aufklärung des äußeren Sachverhalts mitgewirkt habe. Als für den Beschwerdeführer sprechende Umstände erwähnte das Landgericht zudem den langen zeitlichen Abstand zwischen den Taten und dem Urteil und die belastenden Wirkungen der ersten sich über 15 Verhandlungstage erstreckenden Hauptverhandlung. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot führte das Landgericht aus:
"Zudem muss sich hier die überlange, vom Angeklagten nicht verursachte Verfahrensdauer strafmildernd auswirken, denn in der Zeit vom 12. Juni 1997 (Datum der Anklage) bis zum 1. August 2000 (Datum des Eröffnungsbeschlusses) ist es zu einer der Vorschrift des Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 MRK zuwiderlaufenden Verfahrensverzögerung gekommen. Diese Verzögerung, die an der Überlastung der zuständigen Strafkammer lag, stellt zwar kein Verfahrenshindernis dar, wirkt sich aber erheblich zu Gunsten des Angeklagten aus. Bei der Berechnung der Dauer der Überlänge ist allerdings die Frist zur Stellungnahme der Verteidigung (bis zum 1.10.1997) sowie eine gewisse Vorbereitungszeit dem Landgericht zuzubilligen, sodass die den Strafverfolgungsbehörden anzulastende Zeitverzögerung ca. 2 1/2 Jahre beträgt.
Demgegenüber stellt die Dauer der Ermittlungen, berechnet von Juni 1995 (erste Vernehmung als Beschuldigter) bis zur Anklageerhebung zwei Jahre später angesichts der Komplexität der Vorwürfe - angeklagt wurden 50 Betrugsstraftaten - und der Vielzahl von Beschuldigten keine rechtsstaatswidrige Verzögerung dar. Auch der Zeitablauf zwischen dem erstinstanzlichen Urteil vom 15. Dezember 2000, der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. August 2001 und der erneuten Hauptverhandlung im Juni 2002 ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Tatsache, dass ein Strafurteil in zweiter Instanz - auf Revision der Staatsanwaltschaft - nicht in vollem Umfang bestätigt wird, sondern eine erneute Hauptverhandlung stattfinden muss, führt zwar ebenfalls zu einer vom Angeklagten nicht verursachten Verzögerung, die jedoch nicht der Justiz als ungerechtfertigte Verzögerung negativ angelastet werden kann, sondern ihren Grund in den - rechtsstaatlichen - Regelungen der Strafprozessordnung hat."
Das Landgericht wies darauf hin, dass ohne die ungerechtfertigte Verfahrensverzögerung von ca. 2 1/2 Jahren für die 13 abzuurteilenden Straftaten jeweils eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr angemessen gewesen wäre und diese zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr geführt hätte. Nunmehr seien unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände Geldstrafen ausreichend, die zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen führten.
Die Voraussetzungen des § 59 StGB hielt die Strafkammer nicht für gegeben. Es sei zwar zu erwarten, dass der Beschwerdeführer künftig auch ohne Verurteilung keine Straftaten mehr begehen werde; zudem habe sich die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der nicht mehr in der Branche arbeite, grundlegend gewandelt. Es lägen aber keine besonderen Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Beschwerdeführers vor, nach denen es angezeigt wäre, ihn von der Verurteilung zu verschonen. Der Beschwerdeführer habe - nicht zuletzt auf Grund seiner strafbaren Aktivitäten als erfolgreicher Telefonverkäufer - ein hohes Einkommen gehabt. Der verursachte Schaden sei beträchtlich und aller Voraussicht nach bleibend; zu einer Schadenswiedergutmachung sei es bislang nicht gekommen.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die strafgerichtlichen Entscheidungen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen hätten. Angesichts der überlangen und rechtsstaatswidrigen Dauer des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wäre das Verfahren einzustellen gewesen. Zumindest aber hätte § 59 StGB zur Anwendung kommen müssen. Es genüge nicht, die festgestellten Verfahrensverzögerungen lediglich im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das rund neun Jahre dauernde Strafverfahren zu schweren physischen, psychischen und zeitlichen Belastungen geführt und ihn bei seiner beruflichen Tätigkeit in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt habe. Er sei einer mehrmonatigen Hauptverhandlung, zu der er aus Wien habe anreisen müssen, ausgesetzt gewesen. Auch habe er durch das über neun Jahre schwebende Strafverfahren erhebliche berufliche Nachteile erlitten; die überlange Verfahrensdauer führe nämlich zu einer Verzögerung der Tilgung der Verurteilung im Bundeszentralregister. Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von lediglich 2 1/2 Jahren werde dem tatsächlichen Ablauf des Ermittlungsverfahrens nicht gerecht. So habe das Landgericht zu Unrecht für die Zeit zwischen seiner Erstvernehmung und der Anklageerhebung eine der Justiz anzulastende Verzögerung verneint. Das Landgericht übersehe insoweit, dass das Verfahren trotz seiner Komplexität in zwei Jahren nur an wenigen Tagen gefördert worden sei. Entgegen der Ansicht der Strafkammer sei auch die Zeitspanne zwischen dem ersten Urteil vom 15. Dezember 2000 und dem nach Aufhebung dieses Urteils ergangenen zweiten Urteil am 7. Juni 2002 als der Justiz zuzurechnende Verfahrensverzögerung anzusehen. Es ergebe sich so insgesamt eine Verfahrensverzögerung von etwa sechs Jahren, die von ihrer Länge her den Regelstrafrahmen der angeklagten Delikte ausschöpfe und damit nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ein kaum noch auszuräumendes Indiz für eine unerträgliche Rechtsstaatswidrigkeit darstelle und zur Verfahrenseinstellung führen müsse. Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für wesentlich erachteten Gesichtspunkte müsse - auch weil die Schuld nicht als erheblich einzustufen sei - eine Gesamtabwägung zu einer Verfahrenseinstellung führen.
Soweit man eine Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung im konkreten Fall für genügend erachten sollte, sei jedenfalls die Nichtanwendung des § 59 StGB zu beanstanden. Die Ausführungen des Landgerichts griffen insoweit zu kurz; es hätte zumindest Erwägungen darüber anstellen müssen, ob die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Anlass für eine Verwarnung mit Strafvorbehalt sein könne, den Anwendungsbereich des § 59 StGB im konkreten Fall eröffne. Eine Anwendung des § 59 StGB hätte die durch das überlange Strafverfahren entstandenen Gesamtbelastungen verringert und wäre damit eher als die verhängte Strafe dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht geworden.
2. Die Bundesrepublik Deutschland sowie das Land Niedersachsen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, haben davon aber keinen Gebrauch gemacht.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden der fünf Strafsenate übermittelt.
a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats teilte mit, mit den in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen bereits befasst gewesen zu sein. Dabei teile der Senat die Ansicht des 3. Strafsenats, wonach allein die Verfahrensverlängerung, die dadurch entstehe, dass auf Revision des Angeklagten ein Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden sei, regelmäßig keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung begründe.
b) Auch die Vorsitzende des 2. Strafsenats gab unter Hinweis auf einzelne Entscheidungen des Senats an, mit den in der Verfassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfragen mehrfach befasst gewesen zu sein. Von einer weitergehenden Stellungnahme unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts sah sie ab.
c) Der Vorsitzende des 3. Strafsenats, dessen Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen worden ist, wies darauf hin, die Verfassungsbeschwerde könnte - soweit eine Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses angestrebt werde - bereits unzulässig sein. Der Schuldspruch gegen den Beschwerdeführer sei mit Beschluss des Senats vom 22. August 2001 rechtskräftig geworden, womit - die beanstandete Verfahrensverzögerung sei vor diesem Zeitpunkt eingetreten - bindend festgestellt sei, dass dadurch ein Verfahrenshindernis nicht begründet worden sei. Dies könne zur Folge haben, dass die erst jetzt erhobene Verfassungsbeschwerde insoweit verfristet sei; verfassungsrechtliche Einwendungen hätten bereits gegen die Entscheidung vom 22. August 2001 erhoben werden müssen. Im Übrigen sei ein die Verfassungsbeschwerde begründender Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nicht zu erkennen. Eine von den Justizbehörden zu verantwortende Verfahrensverzögerung sei entsprechend den Feststellungen des Landgerichts nur für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren zwischen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens gegeben. Darüber hinaus beruhe die lange Verfahrensdauer nicht auf einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Angesichts des dem Verfahren zu Grunde liegenden komplexen Sachverhalts, dessen Beurteilung umfangreiche und aufwendige Ermittlungen gegen eine große Anzahl von Beschuldigten erforderlich gemacht habe, und der Schwierigkeit der Rechtsprobleme sei die Gesamtdauer des Ermittlungsverfahrens nicht zu beanstanden. Die Verzögerung, die infolge der Aufhebung des ersten landgerichtlichen Urteils und der Zurückverweisung entstanden sei, begründe keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, da ein solcher Verfahrensgang Ausfluss einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelsystems sei. Die festgestellte Verfahrensverzögerung habe das Landgericht rechtsfehlerfrei in der Strafzumessung berücksichtigt. Ein Extremfall, der Anlass für eine Verfahrenseinstellung hätte geben können, liege - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs - nicht vor.
d) Die Vorsitzende des 4. Strafsenats sah - bei gleichzeitigem Hinweis, dass der Senat wiederholt mit den in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen befasst gewesen sei - von einer Stellungnahme ab, da es sich bei der Frage, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliege, letztlich jeweils um eine Einzelfallentscheidung handele.
e) Die Vorsitzende des 5. Strafsenats sah ebenfalls von einer Stellungnahme ab und verwies lediglich unter Hinweis auf eine in anderer Sache abgegebene Stellungnahme des Senats auf dessen ständige Spruchpraxis hin, eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstoßende Verfahrensverzögerung führe regelmäßig zu einer Berücksichtigung im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ergebenden Weise offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgebenden Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Das Landgericht und der Bundesgerichtshof, der die Entscheidung des Landgerichts bestätigt hat, haben Bedeutung und Tragweite von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verkannt.
1. a) Das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes fordert - nicht zuletzt im Interesse des Beschuldigten - die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGE 63, 45 <69>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 24. November 1983 - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967).
Ob eine mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes nicht im Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, bestimmt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerfGE 55, 349 <369> zur Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Revisionsverfahrens), die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen (vgl. BGHSt 46, 159 <169, 171>). Regelmäßig von Bedeutung sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit der Dauer des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst verursacht hat (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 24. November 1983 - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254).
b) Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwingt die Strafverfolgungsbehörden dazu, dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. So wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhält, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der mit ihnen verbundenen Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zum dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. BVerfGE 92, 277 <326>; vgl. schon BVerfGE 46, 17 <29>; im Zusammenhang mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren siehe auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 1992 - 2 BvR 1/91 -, NJW 1992, S. 2472, 2473; ferner Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254, 3255), verpflichtet er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht im Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu sorgfältiger Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer kann den Beschuldigten - zumal dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerung der Justizorgane bedingt ist - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen (vgl. für das Disziplinarverfahren BVerfGE 46, 17 <29>), die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleichkommen können. Infolge des Zeitablaufs veränderte Umstände können negative Wirkungen, die von einer staatlichen Sanktion für das künftige Leben des Betroffenen zu erwarten sind (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), etwa bei einem zwischenzeitlich integrierten Täter, verstärken. Diese Folgen staatlich verschuldeter Verzögerung sind von den Strafverfolgungsbehörden von Verfassungs wegen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ebenso zu berücksichtigen wie die bereits erwähnten Umstände, die den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet haben (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 327/02 u.a. -).
c) Die verfassungsrechtlich gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen Gerichte und Anklagebehörden in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Ihre Möglichkeiten reichen von einer Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO, einer Beschränkung der Strafverfolgung nach §§ 154, 154 a StPO über eine Beendigung des Verfahrens durch das Absehen von Strafe oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt bis hin zu einer Berücksichtigung bei der Strafzumessung (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254; ferner Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1994 - 2 BvR 1072/94 -, NJW 1995, S. 1277). Mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung ist es regelmäßig angezeigt, dass Art und Umfang der Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich festgestellt und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmt werden (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 24. November 1983 - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 1997 - 2 BvR 2173/96 -, NStZ 1997, S. 591; siehe auch EGMR, EuGRZ 1983, S. 371, 381 f.). Reichen die gesetzlich bestehenden Möglichkeiten in Fällen, in denen das Ausmaß der Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und zu besonderen Belastungen des Betroffenen geführt hat, nicht aus, kommt die Einstellung wegen eines von Verfassungs wegen anzunehmenden Verfahrenshindernisses in Betracht (vgl. allgemein zur Annahme eines Verfahrenshindernisses bei einem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz BVerfGE 92, 277 <326 ff.>; im Zusammenhang mit der überlangen Verfahrensdauer früher schon Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 24. November 1983 - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967; ferner Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254, 3255; der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend BGHSt 46, 159 <169 ff.>).
2. Gemessen daran hält der den Beschwerdeführer zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilende Strafausspruch des Landgerichts sowie der ihn bestätigende Beschluss des Bundesgerichtshofs einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Entscheidungen lassen nicht erkennen, ob die ausgesprochene, in Art. 2 Abs. 1 GG eingreifende Rechtsfolge angesichts der von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortenden erheblichen Verzögerung des Strafverfahrens noch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, an dem Strafen grundsätzlich zu messen sind, im Einklang steht.
a) Die erheblichen Verzögerungen, mit denen das Verfahren von den Ermittlungsbehörden und dem Landgericht betrieben worden ist, und dadurch bedingt die Gesamtdauer des Verfahrens von fast 7 1/2 Jahren seit Kenntnis des Beschwerdeführers von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss sind mit rechtsstaatlichen Anforderungen an die Durchführung eines Strafverfahrens nicht vereinbar.
Die Verfahrensdauer von 7 1/2 Jahren ist - für sich betrachtet - unangemessen lang und wird auch nicht durch die besonderen Schwierigkeiten der Sache oder ihren besonderen Umfang gerechtfertigt. Auch wenn das Strafverfahren ursprünglich auf die Aufklärung einer Reihe von Straftaten gerichtet war und mehr als 20 Beschuldigte betraf, bedurfte es zur Aburteilung der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Tatvorwürfe keiner so langen Zeit. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die zeitintensiven Ermittlungen vor allem im Jahr 1994 und damit zu einer Zeit durchgeführt worden sind, als der Beschwerdeführer noch gar nicht von einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt war. Diese Zeiten der Ermittlungen finden dementsprechend bei der Bemessung der Verfahrensdauer zu Lasten des Beschwerdeführers noch gar keine Berücksichtigung und können für die Länge des gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahrens deshalb nicht als rechtfertigender Grund dienen.
Hinzu kommen nicht zu erklärende Verfahrensverzögerungen, die allein von der Justiz verursacht worden sind. Betroffen ist zunächst die Zeit zwischen der Zustellung der Anklage im Juni 1997 und der Eröffnung des Hauptverfahrens im August 2000, in der das Verfahren - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht gefördert worden ist.
Dies gilt auch für die Zeit zwischen der Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers am 8. Juni 1995 bis zur Abtrennung des Verfahrens am 12. Juni 1997. In dieser Zeit haben zwar weitere Vernehmungen (von Zeugen und Beschuldigten) stattgefunden; auch haben die Strafverfolgungsbehörden in Aktenvermerken Ermmittlungsergebnisse zusammengefasst, rechtliche Bewertungen vorgenommen und so - an wenigen Tagen - das Verfahren gefördert. Doch finden sich erhebliche Zeiträume, in denen seitens der Strafverfolgungsbehörden erkennbar keine Schritte zum weiteren Fortgang unternommen worden sind. So ist nicht nachzuvollziehen, warum es nach der Vernehmung des Beschwerdeführers am 8. Juni 1995 bis zum 20. November 1995 dauerte, bis als nächste Ermittlungsmaßnahme eine weitere Beschuldigtenvernehmung stattfand. Ebenso wenig ist erklärlich, wie im Anschluss an eine weitere Beschuldigtenvernehmung am 30. November 1995 weitere fünf Monate vergehen mussten, bis als nächste Maßnahme die Anhörung eines Zeugen folgte. Die Fertigung eines Aktenvermerks am 13. März 1996 sowie der Eingang eines Akteneinsichtsgesuchs des Beschwerdeführers im Mai 1996 stellen jedenfalls keinen Grund dar, der ein solches Verstreichenlassen von Zeit rechtfertigen könnte.
Auch erklärt sich nicht, warum die Polizei der Aufforderung der Staatsanwaltschaft vom 24. Juli 1996, den Beschwerdeführer erneut zu vernehmen, erst mit der Vorladung vom 18. Oktober 1996 nachkam und offenbar auch ansonsten das Verfahren nicht weiter förderte. Schließlich ist es - trotz zwischenzeitlicher Kontakte der Staatsanwaltschaft mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers - nur schwer nachzuvollziehen, dass es nach der Mitteilung des Beschwerdeführers im Januar 1997, er werde sich zur Sache nicht weiter einlassen, fünf Monate dauerte, bis es zur Verfahrensabtrennung und Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer kam. Trotz des Umstands, dass das Verfahren zwischenzeitlich durch die eine oder andere Maßnahme seinen Fortgang erhielt, lässt sich zumindest ein Zeitraum von einem Jahr feststellen, in dem es unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu keinerlei verfahrensfördernden Maßnahmen gekommen ist.
Dass das Landgericht demgegenüber den Standpunkt vertreten hat, angesichts der Komplexität der Vorwürfe und der Vielzahl der Beschuldigten sei eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht eingetreten, lässt erkennen, dass das Landgericht Bedeutung und Tragweite des Gebots einer angemessenen Verfahrensbeschleunigung verkannt hat. Soweit sich dies den Akten entnehmen lässt, sind für die Verzögerung während dieser Zeit nicht umfangreiche Ermittlungen, sondern allein der Umstand verantwortlich, dass von Seiten der Strafverfolgungsbehörden nichts unternommen worden ist.
Diese Einschätzung des Landgerichts wird noch weniger verständlich vor dem Hintergrund, dass es in der Beweisaufnahme Hinweise auf eine Erkrankung des polizeilichen Sachbearbeiters gegeben hat, die möglicherweise für eine zögerliche Sachbearbeitung in der fraglichen Zeit verantwortlich gewesen sein könnte. Wenn das Landgericht allein darauf abstellt, der polizeiliche Sachbearbeiter sei jedenfalls an sechs Tagen, an denen er in dieser Zeit Vernehmungen durchgeführt habe, nicht krank gewesen, versperrt es sich den Blick auf eine den Interessen des Beschwerdeführers an einer angemessenen Beschleunigung des Strafverfahrens gerecht werdenden Betrachtung des Ermittlungszeitraums zwischen Juni 1995 und Juni 1997. Es wäre bei dieser Sachlage von Verfassungs wegen geboten gewesen, die wahren Umstände einer möglichen Erkrankung des Polizeibeamten und ihre tatsächlichen Folgen für das Verfahren gegen den Beschwerdeführer, etwa durch Vernehmung des Beamten oder des zu diesem Zeitpunkt für das Ermittlungsverfahren zuständigen Staatsanwalts, weiter aufzuklären.
Demgegenüber ist die Zeitspanne zwischen der ersten landgerichtlichen Verurteilung am 15. Dezember 2000 und der das Verfahren abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2002 grundsätzlich nicht als eine der Justiz anzulastende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung anzusehen. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die infolge der Durchführung eines Revisionsverfahrens verstrichene Zeit - von Ausnahmen abgesehen, in denen das Revisionsverfahren der Korrektur offensichtlich der Justiz anzulastender Verfahrensfehler dient (vgl. EGMR, NJW 2002, S. 2856, 2857) - nicht der ermittelten Überlänge des Verfahrens hinzuzurechnen. Dieser Zeitbedarf folgt aus einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 29/03 -).
Dies hindert freilich nicht, nach allgemeinen Grundsätzen Zeiten als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung anzusehen, in denen es Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte nach Aufhebung durch das Revisionsgericht unterlassen haben, das Verfahren in der gebotenen Weise weiter zu fördern. Steht - wie im zu Grunde liegenden Fall - nach dem Hinweis des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 22. August 2001 - ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK im Raum und führt das nunmehr zur Entscheidung berufene Landgericht die neue Hauptverhandlung erst mehr als acht Monate nach Eingang der Akten vom Revisionsgericht durch, liegt es nahe, insoweit einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot anzunehmen. Je länger ein Verfahren auf Grund von von der Strafjustiz zu verantwortenden Verzögerungen dauert, umso größere Anstrengungen müssen Strafverfolgungsorgane und Gerichte unternehmen, das Verfahren alsbald zu einem Ende zu bringen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 327/02 u.a. -).
b) Das Landgericht hat die lange Verfahrensdauer, die damit für den Beschwerdeführer einhergehenden besonderen Belastungen und justizbedingte Verfahrensverzögerungen bei seiner Entscheidung mit berücksichtigt. Es hat ausdrücklich einen Verstoß gegen das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK niedergelegte Beschleunigungsgebot angenommen und es insoweit für notwendig erachtet, dies in seiner Strafzumessung auszugleichen. Anstelle einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe hat es auf eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen erkannt.
Diese Sichtweise, die der Bundesgerichtshof unbeanstandet lässt, wird der Bedeutung des durch die Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoßes gegen ein faires rechtsstaatliches Verfahren in angemessener Zeit nicht gerecht. Insoweit steht die ausgesprochene Rechtsfolge auf der Grundlage der der Entscheidung beigefügten Begründung mit dem Prinzip verhältnismäßigen Strafens nicht in Einklang.
Dies ergibt sich schon daraus, dass das Landgericht sowohl in dem Zeitraum zwischen Juni 1995 und Juni 1997 als auch in der Zeit nach der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. August 2001 keine Verfahrensverzögerung gesehen hat und dementsprechend bei seiner Bemessung der Strafe lediglich von der Strafjustiz anzulastenden Verzögerungszeiten von etwa 2 1/2 Jahren ausgegangen ist. Berücksichtigt man demgegenüber einen weiteren Zeitraum von zumindest einem Jahr, während dessen vor Anklageerhebung keine Förderung des Verfahrens erfolgt ist, und stellt zudem in Rechnung, dass die neue Hauptverhandlung vor dem Landgericht - wie ursprünglich von diesem auch ins Auge gefasst - vier bis fünf Monate früher hätte stattfinden können, ergibt sich angesichts der erheblich veränderten Bemessungsgrundlage ohne Weiteres die Notwendigkeit, die Zumessung der einzelnen verhängten Strafen einer erneuten Überprüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen.
Dieser Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip wiegt freilich nicht so schwer, dass von Verfassungs wegen ein Verfahrenshindernis anzunehmen und das Verfahren vom Bundesverfassungsgericht einzustellen wäre. Der landgerichtliche Hinweis auf den vom Beschwerdeführer angerichteten Schaden sowie auf die Vielzahl der von ihm begangenen Straftaten steht - auch nach dem langen Zeitablauf seit Tatbegehung - der Einschätzung entgegen, jede strafrechtliche Sanktion sei zum jetzigen Zeitpunkt von vornherein unverhältnismäßig.
Es wird - nach Aufhebung der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht - Aufgabe des Landgerichts sein, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung eines jetzt noch bestehenden Interesses an der Strafverfolgung einerseits und des Eingriffs in die Rechte des Beschwerdeführers andererseits vorzunehmen. Dabei wird zu entscheiden sein, ob die von ihm begangenen Straftaten eine förmliche Sanktion erfordern oder ob das Verfahren möglicherweise in Anwendung von § 59 StGB ohne den Vollzug einer solchen Sanktion abgeschlossen werden kann.
Insoweit wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anwendung des § 59 StGB im Fall überlanger Verfahrensdauer und rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung nicht ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 27, 274 <275 f.>; StV 1995, S. 19 <20>). Zwar rechtfertigt das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht für sich genommen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt, ist also nicht ohne Weiteres ein besonderer Umstand im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, der die Anwendung der Vorschrift rechtfertigen könnte. Eine überlange Verfahrensdauer kann aber im Rahmen der nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB anzustellenden Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters eine gewichtige Rolle spielen und so den Ausschlag für die Annahme besonderer Umstände geben, die es angezeigt erscheinen lassen können, einen Täter insgesamt von Strafe zu verschonen. Dass es das Landgericht im Übrigen unterlassen hat, darauf bei seinen Überlegungen zur Nichtanwendung des § 59 StGB einzugehen, und insoweit allein auf die fehlende Schadenswiedergutmachung durch den Beschwerdeführer abgestellt hat, lässt erkennen, dass das Landgericht die bei der Feststellung der Rechtsfolge zu beachtende Bedeutung des Beschleunigungsgebots aus dem Blick verloren hat.
3. Die mit der Verfassung nicht in Einklang stehenden Entscheidungen sind im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, das Ausgangsverfahren ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Externe Fundstellen: NJW 2003, 2897; NStZ 2004, 335
Bearbeiter: Stephan Schlegel