Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 1 PBvU 1/02, Beschluss v. 30.04.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
Es verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Gegenstand des Plenarverfahrens ist die Frage, ob und in welchem Umfang es das Grundgesetz erfordert, dass Verstöße eines Richters gegen das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die Fachgerichte selbst behoben werden können.
Ausgangspunkt des Plenarverfahrens ist eine beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängige Verfassungsbeschwerde (1 BvR 10/99). Ihr liegt ein Berufungsurteil zu Grunde, durch das nach Auffassung des Ersten Senats der Anspruch der Beschwerdeführer auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wird. Der Bundesgerichtshof hat die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingelegte Revision als unzulässig verworfen, weil das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen habe und die Revisionssumme nicht erreicht sei. Auch als außerordentliches Rechtsmittel wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit sei die Revision nicht zulässig (BGH, NJW 1999, S. 290). Gegen beide Entscheidungen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
1. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts möchte nicht nur die Entscheidung des Oberlandesgerichts wegen Verletzung rechtlichen Gehörs aufheben, sondern der Verfassungsbeschwerde auch stattgeben, soweit sie sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs beruht auf den §§ 545 bis 547 der Zivilprozessordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 gültig gewesenen Fassung und auf der Verneinung der Zulässigkeit eines außerordentlichen Rechtsbehelfs. Die Beschwerdeführer hatten keine Möglichkeit, die von ihnen behauptete Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG vor den Fachgerichten geltend zu machen. Das Fehlen einer gesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeit verletzt nach Auffassung des Ersten Senats den im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten verankerten Justizgewährungsanspruch.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage fehlender Rechtsbehelfe bei einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG verschiedentlich befasst. Es hat zum Teil die Möglichkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs der Verfassungsbeschwerde als rechtsstaatlich hinreichend angesehen, wenn nach der jeweiligen Verfahrensordnung ein Rechtsmittel gegen die ergangene Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. BVerfGE 60, 96 <98 f.>). In anderen Fällen hat es die Möglichkeit von Rechtsbehelfen bejaht, die nicht ausdrücklich in den Prozessordnungen geregelt sind (Überblick bei Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 22. Aufl., 2001, Einl. Rn. 103). Dabei geht das Bundesverfassungsgericht von dem Grundsatz aus, dass Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte tunlichst im Instanzenzug durch Selbstkontrolle der Fachgerichte behoben werden sollen (vgl. BVerfGE 47, 182 <190 f.>; 73, 322 <327 ff.>; stRspr). In vielen Fällen ist insbesondere die Zulassung von Gegenvorstellungen gebilligt worden (vgl. BVerfGE 9, 89 <101, 106 f.>; 73, 322 <326 ff., 329>). Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht neue Rechtsbehelfsmöglichkeiten durch analoge Anwendung oder extensive Auslegung der Prozessrechtsnormen (so § 513 Abs. 2, § 568 Abs. 2 ZPO a.F., §§ 33 a, 313 a StPO) für nahe liegend erachtet (vgl. statt vieler BVerfGE 42, 243 <250 f.>; 49, 252 <256>; 60, 96 <98 f.>; 70, 180 <187 ff.>). Die Fachgerichte sind dem im Wesentlichen gefolgt und haben ihrerseits versucht, neuartige Rechtsbehelfe zu ermöglichen, etwa der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Entwicklung der Rechtsfigur der "greifbaren Gesetzwidrigkeit" (vgl. etwa BGHZ 119, 372 <374>; 121, 397 <398 f.>; 130, 97 <99>).
Inzwischen hat der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 entschieden, dass es ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof auch dann nicht gebe, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts greifbar gesetzwidrig sei, insbesondere ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletze. In einem solchen Fall sei die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf Gegenvorstellung hin zu korrigieren (vgl. BGHZ 150, 133). Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat entschieden, dass die gesetzliche Aufzählung der Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts und die Regelung des Beschwerderechts künftig eine Befassung mit außerordentlichen Beschwerden nicht mehr zuließen (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 2657).
b) Nach Auffassung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts fordert das Grundgesetz bei entscheidungserheblichen Verstößen eines Gerichts gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit. Das Risiko eines unendlichen Rechtswegs sei nicht gegeben, wenn das Gebot effektiven Rechtsschutzes dahingehend verstanden und darauf begrenzt werde, dass der Rechtsweg nur für die einmalige Möglichkeit der Kontrolle eines Rechtsfehlers eröffnet ist. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, entsprechende Rechtsbehelfe in die Systematik der geschriebenen Prozessordnungen einzufügen. Der Erste Senat lehnt es mit Rücksicht auf das Rechtsstaatsprinzip ab, seinerseits Erweiterungen des ungeschriebenen Rechtsmittelrechts unmittelbar aus der Verfassung abzuleiten.
2. Der Sache nach will der Erste Senat die Rechtsprechung beider Senate des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Grundgesetz keinen Rechtsschutz gegen den Richter gewährleistet (vgl. BVerfGE 11, 263 <265>; 65, 76 <90>; 76, 93 <98>; stRspr), insoweit aufgeben, als es sich um entscheidungserhebliche Verstöße des Richters gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG handelt. Der Erste Senat hat deshalb gemäß § 48 Abs. 2 GOBVerfG beim Zweiten Senat angefragt, ob dieser an seiner bisherigen Rechtsauffassung (vgl. BVerfGE 11, 263 <265>; 42, 243 <248>; 49, 329 <340 f.>) festhalte. Dies ist ausweislich des Beschlusses des Zweiten Senats vom 7. November 2001 der Fall. Der Zweite Senat bewertet das Fehlen einer fachgerichtlichen Abhilfemöglichkeit bei entscheidungserheblichen Verstößen gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG nicht als verfassungswidrig. Daraufhin hat der Erste Senat durch Beschluss vom 16. Januar 2002 gemäß § 16 Abs. 1 BVerfGG das Plenum des Bundesverfassungsgerichts angerufen (BVerfGE 104, 357).
Zu dem Vorlagebeschluss des Ersten Senats haben sich das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, der Präsident des Bundesgerichtshofs, die Präsidentin des Bundesfinanzhofs, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Hessische Staatskanzlei geäußert. Ein verfassungsrechtliches Gebot, bei Gehörsversagungen generell ein Rechtsmittel an ein Gericht höherer Instanz (iudex ad quem) vorzusehen, wird in keiner Stellungnahme bejaht. Demgegenüber wird eine Pflicht der Gerichte zur "Selbstkorrektur" (iudex a quo) ganz überwiegend befürwortet; dabei werden vielfach die insoweit bereits bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten etwa in Gestalt einer Gegenvorstellung als ausreichend angesehen.
Nach der Ansicht des Bundesministeriums der Justiz gewährleisten die derzeitigen fachgerichtlichen Verfahrensordnungen insbesondere nach der Zivilprozessreform einen nahezu lückenlosen Schutz gegen Verletzungen des rechtlichen Gehörs. Verbleibende Lücken würden in zunehmendem Maße durch die Rechtsprechung der Fachgerichte selbst geschlossen. So lege es die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2002 (BGHZ 150, 133) nahe, die Regelungen des Abhilfeverfahrens des § 321 a ZPO n.F. bei allen mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Entscheidungen entsprechend, gegebenenfalls über § 555 Abs. 1 Satz 1, § 525 Satz 1 ZPO n.F., anzuwenden.
In den vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs übersandten Stellungnahmen verschiedener Zivilsenate wird einheitlich die Auffassung vertreten, dass allein die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs ein (außerordentliches) Rechtsmittel nicht eröffnen könne. Soweit auch nach neuem Recht ein Rechtsmittel gegen Gehörsverstöße nicht vorgesehen sei, biete sich eine Abhilfemöglichkeit für den iudex a quo in Analogie zu den §§ 321 a, 572 ZPO oder durch eine Gegenvorstellung an.
In den Stellungnahmen verschiedener Senate des Bundesfinanzhofs wird zunächst darauf hingewiesen, dass im finanzgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegeben sei, mit der ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könne (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Soweit darüber hinaus ein Bedürfnis für eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit bei Gehörsversagungen bestehe, sei dem durch eine Gegenvorstellung zum iudex a quo Rechnung zu tragen.
In den Äußerungen der Senate des Bundesverwaltungsgerichts wird zum Teil der Standpunkt vertreten, dass Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug fordere und damit auch nicht die Pflicht begründe, gegenüber einem ansonsten rechtskräftigen Urteil Abhilfemöglichkeiten im Blick auf durch dieses Urteil verursachte Grundrechtsverletzungen zu schaffen. Jedenfalls leuchte es kaum ein, dass auch bei schweren Beeinträchtigungen bedeutsamer Grundrechte die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Nachkorrektur von Verfassungs wegen nicht erforderlich sei, während dies bei Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten sein solle, und zwar unabhängig von der Schwere des Verstoßes. Zum Teil wird aber auch die Ausräumung eines Verfassungsverstoßes - wie eines (zumeist versehentlichen) Gehörsverstoßes - durch das Gericht selbst im Wege der "Selbstkontrolle" als verfassungsrechtlich zulässig und geboten angesehen. Demgegenüber bestehe kein verfassungsrechtliches Gebot, in solchen Fällen zusätzlich die Überprüfung mittels eines "außerordentlichen Rechtsbehelfs" zu ermöglichen.
Nach Ansicht der Hessischen Staatskanzlei besteht ein Bedürfnis nach einer fachgerichtlichen Abhilfemöglichkeit bei entscheidungserheblichen Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG angesichts der Neuregelungen im ZPO-Reformgesetz (§§ 321 a, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) kaum noch. Unabhängig davon begegneten Überlegungen zur generellen Notwendigkeit, Möglichkeiten der fachgerichtlichen "Selbstkorrektur" von Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu schaffen, schwerwiegenden Bedenken. Dies würde zu einer erheblichen Mehrbelastung der Gerichte führen. Gleichsam als Kehrseite der positiven Bewertung unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 1 GG wäre auch eine nicht unerhebliche Verlängerung der Verfahrensdauer, womöglich sogar eine Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Folge.
Der Rechtsweg steht im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs auch zur Überprüfung einer behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch ein Gericht offen. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG. Das Plenum gibt die vom Bundesverfassungsgericht bisher vertretene gegenteilige Auffassung auf.
Die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes ist nicht auf Rechtsschutz gegen Akte der vollziehenden Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt, sondern umfassend angelegt. Sie sichert allerdings keinen Rechtsmittelzug.
1. Die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaates (vgl. BVerfGE 88, 118 <123>; 96, 27 <39 f.>). Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs. Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 93, 99 <107>). Die grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung.
2. Das Grundgesetz sichert im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG wie auch in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs das Offenstehen des Rechtswegs. Die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen eröffnet jedoch keinen unbegrenzten Rechtsweg.
a) Das Rechtsstaatsprinzip fordert, dass jeder Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet (vgl. bereits BVerfGE 1, 433 <437>). Wann dies der Fall ist, entscheidet das Gesetz. Das Risiko eines immerwährenden Rechtswegs besteht nach dem Grundgesetz nicht, weil es sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs nur das Offenstehen des Rechtswegs garantiert, also die Öffnung des Zugangs zum Gericht. Der Rechtsweg steht für Streitigkeiten zwischen Trägern öffentlicher Gewalt und Privatpersonen oder zwischen Privatpersonen offen. Dies ermöglicht die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts über Rechte und Pflichten. Insofern reicht es grundsätzlich aus, ist in einem Rechtsstaat aber auch als Minimum zu sichern, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>). Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert. Ob es Streitigkeiten gibt, für die aus rechtsstaatlichen Gründen die Überprüfung durch eine weitere gerichtliche Instanz vorzusehen ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Das Risiko eines Rechtswegs ohne Ende besteht auch in einem solchen Fall nicht.
b) Die Garantie einer einmaligen gerichtlichen Entscheidung über ein behauptetes Recht zielt darauf ab, Konflikte um eine mögliche Rechtsverletzung einer Prüfung und einer bestandskräftigen Entscheidung zuzuführen. Weiter reicht diese Garantie nicht. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, auch den Akt der gerichtlichen Überprüfung selbst daraufhin kontrollieren zu können, ob in ihm die für den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Rechtsnormen nunmehr vom Gericht verletzt wurden. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nimmt das verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzsystem bei der Überprüfung eines Verhaltens ein verbleibendes Risiko falscher Rechtsanwendung durch das Gericht in Kauf.
c) Dies ist im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht zuletzt deshalb hinnehmbar, weil durch institutionelle Vorkehrungen und entsprechende Verfahrensvorgaben Sorge dafür getragen worden ist, dass Rechtsanwendungsfehler möglichst unterbleiben. Die Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) soll sichern, dass die Gerichte ihre Entscheidung allein an Gesetz und Recht ausrichten. Die Verfahrensgrundrechte, insbesondere Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, sollen gewährleisten, dass die richterliche Entscheidung willkürfrei durch eine nach objektiven Kriterien bestimmte Instanz auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage und auf Grund einer unvoreingenommenen rechtlichen Würdigung unter Einbeziehung des Vortrags der Parteien ergeht. Überprüfen die unabhängigen Gerichte in diesem Rahmen einen Vorgang auf rechtliche Fehler und begehen sie dabei keinen neuen eigenständigen Verstoß gegen die grundgesetzlichen Verfahrensgarantien, ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht mehr durch eine weitere Instanz auf Fehler hin überprüft werden kann.
3. Im rechtsstaatlichen Kerngehalt unterscheiden sich der allgemeine Justizgewährungsanspruch und als dessen Spezialregelung die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Anwendungsbereiche.
a) Art. 19 Abs. 4 GG wird in der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur dahingehend verstanden, dass der dort benutzte Begriff der öffentlichen Gewalt einengend auszulegen und nur auf die vollziehende Gewalt anzuwenden sei. Dies wird regelmäßig in die Formel gefasst, das Grundgesetz gewährleiste Rechtsschutz durch den Richter, nicht aber gegen den Richter (vgl. BVerfGE 15, 275 <280>; 49, 329 <340>; 65, 76 <90> sowie aus der Literatur Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 IV Rn. 96 <Stand Januar 1985>; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl., 2002, Art. 19 Rn. 31; Krüger/Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 19 Rn. 120). Der zweite Teil dieser Formel wird allerdings zunehmend kritisiert (siehe dazu etwa Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, S. 158 ff., 176 ff.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. Bd. 1, 1999, Art. 19 Rn. 444 ff.; Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., 2000, Art. 19 Rn. 57; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. I, 1996, Art. 19 IV Rn. 35; Ibler, in: Friauf/Höfling, Grundgesetz, Art. 19 IV Rn. 90 ff. <Stand Oktober 2002>). Zur Begründung der Kritik wird unter anderem ausgeführt, dass der Begriff der öffentlichen Gewalt weit sei und die Rechtsprechung mitumfasse. Weder die Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 4 GG rechtfertigten eine einengende Auslegung unter Begrenzung auf den Rechtsschutz gegen die vollziehende Gewalt.
b) Die Anrufung des Plenums durch den Ersten Senat gibt keinen Anlass zur Abweichung von der bisherigen Auslegung des Art. 19 Abs. 4 GG. Die vom Ersten Senat angestrebte Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsschutz bei entscheidungserheblichen Verletzungen des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG setzt nicht voraus, dass der Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG neu bestimmt wird. Denn diese Norm steht der Annahme nicht entgegen, dass der allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz unter zum Teil anderen tatbestandlichen Voraussetzungen garantiert (cc). Die einengende Auslegung des Begriffs der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG (aa) unterliegt unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn der allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz auch in den von Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfassten Fällen ermöglicht, soweit dies rechtsstaatlich geboten ist (bb).
aa) Ziel der Normierung der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 GG war auf Grund historischer Erfahrungen der Schutz vor dem Risiko der Missachtung des Rechts durch ein Handeln der Exekutive. Daran knüpft die Auslegung des hier verwendeten Begriffs der öffentlichen Gewalt im überwiegenden Teil der Lehre und in der Rechtsprechung an.
(1) Im Anschluss an die Vorgängervorschriften des § 182 der Paulskirchen-Verfassung und des Art. 107 der Weimarer Reichsverfassung sah der Herrenchiemseer Entwurf zum Grundgesetz in Art. 138 zunächst vor, dass gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen könne, "wer sich durch eine Anordnung oder durch die Untätigkeit einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt oder mit einer ihm nicht obliegenden Pflicht beschwert glaubt". Dieser Entwurf verfolgte das Ziel, nicht der Exekutive allein die Kontrolle der Verwaltung zu überlassen. Vielmehr sollte gesichert werden, dass es gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Verwaltung gibt. In den Beratungen zum Grundgesetz wurde diese Einengung allerdings kritisiert. So wurde die Forderung formuliert, wirklich oder vermeintlich rechtswidrige Eingriffe des Staates in die Rechts- und Freiheitssphäre müssten umfassend einer gerichtlichen Prüfung zugeführt werden (vgl. die Nachweise bei Voßkuhle, a.a.O., S. 151 ff.; siehe ferner JöR N.F., Bd. 1, 1951, S. 183 ff.).
Art. 19 Abs. 4 GG hat dies so nicht aufgenommen, ist aber doch weiter formuliert als der Herrenchiemseer Entwurf. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Verwaltung ist entfallen. Ob die offenere Formulierung dahingehend zu verstehen ist, dass in Art. 19 Abs. 4 GG keine Einschränkung auf die vollziehende Gewalt erfolgen sollte, ist den Materialien zum Grundgesetz allerdings nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Insofern lässt die Entstehungsgeschichte Raum für unterschiedliche Auslegungen. Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung im Schrifttum haben die Norm im Anschluss an die historische Stoßrichtung der Rechtsschutzgewährung stets in der einengenden Weise der Beschränkung auf die vollziehende Gewalt ausgelegt. Dem ist das Bundesverfassungsgericht gefolgt und hat betont, die Bedeutung der Gewährleistung bestehe vornehmlich darin, die "Selbstherrlichkeit" der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger zu beseitigen (vgl. BVerfGE 10, 264 <267>; 35, 263 <274>). Durch Art. 19 Abs. 4 GG in dieser Auslegung wird gesichert, dass gegenüber Akten der Exekutive stets ein unabhängiges Gericht zur Prüfung einer geltend gemachten Rechtsverletzung einzuschalten ist. Sehen die Prozessordnungen allerdings eine weitere gerichtliche Instanz vor, so sichert Art. 19 Abs. 4 GG die Effektivität des Rechtsschutzes auch insoweit (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; stRspr).
(2) Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der öffentlichen Gewalt allerdings nicht auf die Exekutive im organisatorischen Sinne begrenzt. Es hat den Rechtsschutz auch für den Fall eröffnet, dass das Handeln einer nicht zur Exekutive gehörenden, aber auch nicht in richterlicher Unabhängigkeit handelnden Instanz als rechtswidrig angegriffen wird. So zählt das Bundesverfassungsgericht Akte des Rechtspflegers ebenso zur öffentlichen Gewalt gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 101, 397 <407>) wie die Justizverwaltungsakte der Kostenbeamten in den Geschäftsstellen der Gerichte (vgl. BVerfGE 28, 10 <14 f.>). Zur Ausübung öffentlicher Gewalt gehören ebenfalls Anordnungen der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde (vgl. BVerfGE 103, 142 <156>).
Als öffentliche Gewalt im Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG werden auch die Gerichte eingeordnet, wenn sie außerhalb ihrer spruchrichterlichen Tätigkeit auf Grund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts tätig werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 ff.>; 104, 220 <231 ff.>). In diesen Fällen handeln die Gerichte zwar in voller richterlicher Unabhängigkeit, aber nicht in ihrer typischen Funktion als Instanzen der unbeteiligten Streitentscheidung. Vielmehr nehmen sie auf Antrag eigenständig einen Eingriff vor, der aber, auch soweit er funktional Ausübung vollziehender Gewalt ist, im Interesse eines besonderen rechtsstaatlichen Schutzes nicht der Exekutive oder jedenfalls nicht ihr allein überlassen wird (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Die Besonderheit gegenüber der spruchrichterlichen Tätigkeit wirkt sich in der Möglichkeit spezifischer verfahrensrechtlicher Regeln für solche Entscheidungen aus, so häufig im Ausschluss rechtlichen Gehörs. Umso wichtiger ist die Garantie einer anschließenden gerichtlichen Kontrolle der Maßnahme unter Gewährung rechtlichen Gehörs. Dies garantiert Art. 19 Abs. 4 GG.
bb) Die Ausweitung der Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG sichert aber nicht auch Rechtsschutz gegenüber behaupteten Verletzungen der Verfahrensgrundrechte des Grundgesetzes durch ein Gericht. Kann dieser über den allgemeinen Justizgewährungsanspruch in Fällen verwirklicht werden, in denen Rechtsschutz rechtsstaatlich geboten ist, besteht insoweit von Verfassungs wegen keine Notwendigkeit, die enge Auslegung des Art. 19 Abs. 4 GG aufzugeben.
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat den aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten folgenden allgemeinen Justizgewährungsanspruch zunächst als Grundlage des Rechtsschutzes in zivilrechtlichen Streitigkeiten anerkannt, für die Art. 19 Abs. 4 GG nicht anwendbar ist (vgl. BVerfGE 88, 118 <123>; 93, 99 <107>; 97, 169 <185>). Auf diesem Wege wird gesichert, dass ein Gericht verbindlich über das Bestehen von Rechten und Pflichten in einer zivilrechtlichen Angelegenheit entscheidet.
(2) Der Justizgewährungsanspruch ermöglicht Rechtsschutz aber auch in weiteren Fällen, in denen dies rechtsstaatlich geboten ist. So liegt es bei der erstmaligen Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht.
Die Verfahrensgrundrechte, insbesondere die des Art. 101 Abs. 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG, sichern in Form eines grundrechtsgleichen Rechts die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards. In einem Rechtsstaat gehört zu einer grundrechtlichen Garantie die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung. Allenfalls im Interesse des Schutzes besonders hochrangiger Rechtsgüter kann die Verfassung Ausnahmen vorsehen, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG geschehen ist (vgl. BVerfGE 30, 1).
Die das gerichtliche Verfahren betreffenden Verfahrensgrundrechte können nicht durch einen Träger der vollziehenden Gewalt verletzt werden, denn sie sind ausschließlich an die Gerichte adressiert (vgl. BVerfGE 101, 397 <404 f.>). Wird Art. 19 Abs. 4 GG einengend dahin ausgelegt, dass er den Rechtsschutz gegen richterliche Akte nicht umfasst, verbleibt dort ein Rechtsschutzdefizit, das aber durch den allgemeinen Justizgewährungsanspruch behoben wird. Er ermöglicht Rechtsschutz hinsichtlich der gerichtlichen Verfahrensdurchführung, soweit durch sie die Verfahrensgrundrechte verletzt sein können. Andernfalls bliebe eine Verletzung dieser Grundrechte ohne verfassungsrechtlich gesicherte Möglichkeit fachgerichtlicher Abhilfe.
cc) Art. 19 Abs. 4 GG steht nicht entgegen, denn es heißt dort nicht, dass Rechtsschutz "nur" in seinem Rahmen garantiert sei. Auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt nichts für einen Ausschluss weiter gehenden Rechtsschutzes (siehe oben aa). Die Verfolgung des mit der einengenden Auslegung des Art. 19 Abs. 4 GG von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Schrifttum verbundenen rechtsstaatlichen Ziels, den endlosen Rechtsweg auszuschließen, darf nicht dazu führen, dass rechtlicher Schutz auch insoweit verweigert wird, als gar kein unendlicher Rechtsweg droht. Dieses Risiko besteht bei der Anwendung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs nicht, weil er - ebenso wie Art. 19 Abs. 4 GG - nur das Offenstehen des Rechtswegs garantiert, also die Öffnung des Zugangs zum Gericht (siehe oben 2 a).
4. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das Rechtsschutzsystem näher auszuformen und insbesondere die prozessualen Voraussetzungen für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe festzulegen. Die Verfahrensordnung ist so auszugestalten, dass effektiver Rechtsschutz für den einzelnen Rechtsuchenden besteht, aber auch Rechtssicherheit hergestellt wird (vgl. BVerfGE 88, 118 <123 f.>; 93, 99 <107 f.>).
Abwägung und Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen können bei der vorläufigen Rechtsschutzgewährung anders erfolgen als bei der endgültigen. Auch darf der Gesetzgeber differenzierend berücksichtigen, ob die angegriffene Maßnahme von der Exekutive oder der Judikative ausgeht. So muss Rechtsschutz gegen Akte eines Richters nicht zwingend zur Befassung einer höheren Instanz führen, sofern die rechtsstaatlich notwendige Kontrolle des behaupteten Verfahrensfehlers anderweitig in hinreichender Weise gesichert werden kann.
Der Vorlagebeschluss des Ersten Senats ist auf Rechtsschutz gegen die behauptete Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beschränkt. Die Besonderheiten dieses Verfahrensgrundrechts wirken sich auf die Rechtsschutzgarantie aus.
1. Das Grundgesetz sichert rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG. Rechtliches Gehör ist nicht nur ein "prozessuales Urrecht" des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes schlechthin konstitutiv ist (vgl. BVerfGE 55, 1 <6>). Seine rechtsstaatliche Bedeutung ist auch in dem Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Art. 47 Abs. 2 der Europäischen Grundrechte-Charta anerkannt. Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89 <95>). Rechtliches Gehör sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert es, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden.
Dementsprechend bedeutsam für den Rechtsschutz ist die Möglichkeit der Korrektur einer fehlerhaften Verweigerung rechtlichen Gehörs. Erst die Beseitigung eines solchen Fehlers eröffnet das Gehörtwerden im Verfahren. Dann steht der Weg zum Gericht nicht nur formal offen. Dies schafft einen wesentlichen Teil der Rechtfertigung dafür, dass der Gesetzgeber es den Beteiligten zumutet, die Entscheidung gegebenenfalls ohne weitere Korrekturmöglichkeit hinzunehmen (siehe oben I 2 b). Nicht nur die individualrechtssichernde, sondern auch die über den Einzelfall hinausreichende objektivrechtliche Bedeutung der Gehörsgarantie ist eine wesentliche Grundlage der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats und der Erwartung an die Bürger, sich zur Streitbeilegung auf das Gerichtsverfahren einzulassen.
Art. 103 Abs. 1 GG steht daher in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>). Diese sichert den Zugang zum Verfahren, während Art. 103 Abs. 1 GG auf einen angemessenen Ablauf des Verfahrens zielt: Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden. Wenn ein Gericht im Verfahren einen Gehörsverstoß begeht, vereitelt es die Möglichkeit, eine Rechtsverletzung vor Gericht effektiv geltend zu machen.
2. Wird das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, so geschieht dieser Fehler unabhängig von dem Anlass, der zur Einleitung des Gerichtsverfahrens geführt hat, und damit von den für den Ausgangskonflikt maßgebenden Rechtsnormen. Die Anrufung des Gerichts zielt auf die Kontrolle der Beachtung dieser Normen. Das Verfahrensgrundrecht enthält nicht etwa dafür einen Maßstab, wohl aber für die Rechtmäßigkeit des richterlichen Verhaltens bei der Verfahrensdurchführung.
3. Es entspricht dem Rechtsstaatsprinzip, wenn die Prüfung von gerichtlichen Gehörsverstößen und ihre Beseitigung in erster Linie durch die Fachgerichte erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip zielt auf die Effektivität des Rechtsschutzes. Dieses Ziel wird am wirkungsvollsten durch eine möglichst sach- und zeitnahe Behebung von Gehörsverstößen erreicht, die von den Fachgerichten ohne weitere Umwege geleistet werden kann.
4. Der Justizgewährungsanspruch sichert Rechtsschutz gegen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in jeder gerichtlichen Instanz, also auch dann, wenn das Verfahrensgrundrecht erstmalig in einem Rechtsmittelverfahren verletzt wird.
Die Maßgeblichkeit der Rechtsschutzgarantie entfällt nicht allein deshalb, weil eine Partei schon in der vorangegangenen Instanz die Möglichkeit gehabt hat, sich zur Sache zu äußern. Art. 103 Abs. 1 GG enthält weiter gehende Garantien als die, sich irgendwie zur Sache einlassen zu können, so beispielsweise den Schutz vor einer Überraschungsentscheidung (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>). Hat die Partei sich in einer Instanz zur Sache geäußert und dabei alles vortragen können, was mit Blick auf diese Instanz erheblich schien, können sich in einer weiteren Instanz auf Grund neuer tatsächlicher Gegebenheiten oder anderer rechtlicher Auffassungen der nun entscheidenden Richter neue oder veränderte relevante Gesichtspunkte ergeben; deshalb muss die Partei in der Lage sein, ihren Sachvortrag auch darauf auszurichten. Wird ihr dies verwehrt, wird die Garantie rechtlichen Gehörs verletzt. Gäbe es gegen diese neue und eigenständige Verletzung keinen Rechtsschutz, bliebe die Beachtung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG kontrollfrei.
Ist noch ein Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung gegeben, das auch zur Überprüfung der behaupteten Verletzung des Verfahrensgrundrechts führen kann, ist dem Anliegen der Justizgewährung hinreichend Rechnung getragen. Erfolgt die behauptete Verletzung des Verfahrensgrundrechts in der letzten in der Prozessordnung vorgesehenen Instanz und ist der Fehler entscheidungserheblich, muss die Verfahrensordnung eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsehen.
5. Stets aber genügt die Möglichkeit, eine behauptete Rechtsverletzung bei einem gerichtlichen Verfahrenshandeln einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Begeht das Rechtsbehelfsgericht einen Fehler im Zuge der Überprüfung, ob Art. 103 Abs. 1 GG bei der vorangegangenen gerichtlichen Verfahrensdurchführung beachtet worden ist, führt dies nicht zur erneuten Eröffnung des Rechtswegs. Auch hier gilt, dass ein Risiko fehlerhafter Überprüfung hinzunehmen ist. Das gebotene Mindestmaß an Rechtsschutz ist jedenfalls gewahrt. Nunmehr darf das Gebot der Rechtssicherheit Vorrang haben, das ebenso wie der Justizgewährungsanspruch seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip hat (vgl. BVerfGE 60, 253 <267>). Daher ist ein endloser Rechtsweg auch dann nicht zu erwarten, wenn Rechtsschutz gegen die Verletzung des Verfahrensgrundrechts in einer Rechtsbehelfsinstanz eingeräumt wird.
Bei der Ausgestaltung des Rechtsbehelfssystems hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Rechtsschutz unter Einschluss des Schutzes vor Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG ist in erster Linie in der Fachgerichtsbarkeit zu gewähren. Dies gilt grundsätzlich auch insoweit, als die Bürger ihre Rechte zusätzlich mit einer Verfassungsbeschwerde verfolgen können.
1. Der Gesetzgeber kann die Prüfung einer behaupteten Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG im allgemeinen Rechtsmittelsystem oder im Rahmen eines Sonderrechtsbehelfs vorsehen. Bei der Ausgestaltung sind die Interessen anderer Verfahrensbeteiligter und insbesondere die Belange der Rechtssicherheit zu berücksichtigen.
a) Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Anrufung einer weiteren Instanz vorzusehen. Die Besonderheit des auf die Überprüfung der Beachtung von Art. 103 Abs. 1 GG gerichteten Rechtsschutzes erlaubt es ihm vielmehr, von der Eröffnung des Rechtsmittelzugs Abstand zu nehmen, sofern er eine angemessene Kontrolle der Verletzung des Verfahrensgrundrechts anderweitig vorsieht. Dafür kommt auch ein Rechtsbehelf an das Gericht in Betracht, dessen Verfahrenshandlung als fehlerhaft gerügt wird (iudex a quo), sofern auf diese Weise der Mangel effektiv beseitigt werden kann.
Der Grundgedanke einer Befassung des iudex a quo liegt schon den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Wege einer Gegenvorstellung zu Grunde (vgl. BVerfGE 9, 89 <107>; 63, 77 <79>; 73, 322 <327>). Auch nach den im vorliegenden Verfahren eingeholten Stellungnahmen bedarf es zur Klärung der Fehlerhaftigkeit der Anwendung des Verfahrensgrundrechts nicht zwingend der Einräumung einer Rechtsschutzmöglichkeit bei einem anderen oder gar höheren Gericht. Wird der Rechtsbehelf zum iudex a quo eröffnet, erfolgt die Überprüfung durch die mit der Sache schon vertraute Instanz, und es ist möglich, unmittelbar nach der Feststellung eines Fehlers das bisher unterbliebene rechtliche Gehör zu gewähren und das Verfahren auf dieser Grundlage fortzusetzen.
b) Dem Gesetzgeber steht bei der näheren Ausgestaltung des Rechtsbehelfs und seiner Folgen ein Spielraum offen, bei dessen Ausfüllung auch die Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten und Anforderungen an die Funktionsfähigkeit der Gerichte zu beachten sind.
Der Gesetzgeber darf den Rechtsbehelf auf die Überprüfung des nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich Gebotenen beschränken, muss also nicht auch die Überprüfung verfahrensrechtlicher Regeln ermöglichen, die in den Verfahrensordnungen über den verfassungsrechtlichen Mindestschutz hinaus eingerichtet sind. Die verschiedenen betroffenen Interessen sind bei den formellen Anforderungen des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen, so hinsichtlich der Festlegung der für die Einlegung maßgebenden Frist und besonderer Anforderungen an die Rüge. Gleiches gilt für Regeln über den Eintritt und die Reichweite von Rechtskraft und Vollstreckbarkeit. Unter Abwägung der betroffenen Interessen ist auch zu klären, welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten die anderen Verfahrensbeteiligten nach einer erfolgreichen Gehörsrüge haben. Ist die behauptete Rechtsverletzung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgt, darf die Nachholung des rechtlichen Gehörs im Hauptsacheverfahren vorgesehen werden, sofern dadurch keine unzumutbaren Nachteile für die Rechtsverfolgung im Übrigen zu erwarten sind. Der Gesetzgeber darf auch Vorkehrungen gegen die missbräuchliche Nutzung des Rechtsbehelfs vorsehen. Allerdings darf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle nicht in einer dem Rechtsschutzsuchenden unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 88, 118 <123 f.>; 101, 397 <408>).
2. Das Grundgesetz hat die rechtsprechende Gewalt in erster Linie den Fachgerichten anvertraut. Bei entscheidungserheblichen Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG muss die gebotene Abhilfemöglichkeit daher grundsätzlich bei den Fachgerichten eingerichtet werden, auch wenn zusätzlich eine Rechtsverfolgung mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde möglich ist.
a) Die Verfassungsbeschwerde führt nur unter engen Voraussetzungen zur Überprüfung einer Rechtsverletzung. Insbesondere ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde Voraussetzung der Überprüfung eines Grundrechtsverstoßes.
aa) Die Verfassungsbeschwerde ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, der sich diesem in gleicher Funktion ohne weiteres anschlösse. Vielmehr ist sie eine besondere Vorkehrung zur Durchsetzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, mithin ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem der Träger des vermeintlich verletzten Rechts Eingriffe der öffentlichen Gewalt abwehren kann (vgl. BVerfGE 94, 166 <213 f.>; stRspr). Als Teil der Rechtsschutzgewährleistung sind Verfassungsbeschwerden von anderer Qualität als die an die Fachgerichte adressierten Rechtsbehelfe. Dies zeigt sich nicht nur an dem besonderen Prüfungsmaßstab und an den Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG. Verfassungsbeschwerden hindern den Eintritt der Rechtskraft der angegriffenen Entscheidungen nicht (vgl. BVerfGE 93, 381 <385>); auch können Verfassungsbeschwerdeverfahren regelmäßig erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, in dem das fachgerichtliche Verfahren seinen Abschluss gefunden hat und die Phase der Vollstreckung oder des Vollzugs eröffnet ist. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren setzt das fachgerichtliche Verfahren nicht einfach fort. Es dient nur der Überprüfung auf Verfassungsverstöße. Die Prüfungsintensität ist eingeschränkt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; stRspr). Bei Feststellung eines Grundrechtsverstoßes führt die verfassungsgerichtliche Kontrolle grundsätzlich zur Zurückverweisung der Entscheidung an das Fachgericht (siehe § 95 Abs. 2 in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), nicht etwa zur Ersetzung seiner mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht.
bb) Eine Besonderheit der Verfassungsbeschwerde ist in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung der Grundsatz der Subsidiarität. Diesem in § 90 Abs. 2 BVerfGG unter Nutzung der Ermächtigung des Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Prinzip liegt eine doppelte Erwägung zu Grunde. Der Beschwerdeführer muss selbst das ihm Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird. Das Subsidiaritätsprinzip enthält zugleich eine grundsätzliche Aussage über das Verhältnis der Fachgerichte zum Bundesverfassungsgericht. Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung obliegt zunächst den Fachgerichten die Aufgabe, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen. Nur unter den engen Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kann der Grundsatz der Subsidiarität durchbrochen werden. In dieser Konkretisierung des Verhältnisses von Grundsatz und Ausnahme spiegelt sich die Bedeutung wider, die das Grundgesetz der fachgerichtlichen Rechtsprechung auch für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen beimisst (vgl. BVerfGE 49, 252 <258>).
cc) Auch die Kriterien für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 90 Abs. 2, § 93 a BVerfGG in Verbindung mit Art. 94 Abs. 2 GG; vgl. auch BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248 ff.>) verdeutlichen, dass das Bundesverfassungsgericht einen Rechtsschutz besonderer Art gewährt. Die gesetzlichen Annahmevoraussetzungen belassen dem Gericht einen Spielraum bei der Auslegung und Anwendung der für die Annahmeentscheidung maßgebenden, ausfüllungsfähig formulierten Rechtsbegriffe. Eine Annahme ist gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG nur geboten, wenn der Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder die Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte angezeigt ist, namentlich wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entstünde. Die Annahme ist nicht angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten kein besonderes Gewicht hat und den Beschwerdeführer nicht in existentieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248 ff.>).
Der durch die Justizgewährungsgarantie gebotene Rechtsschutz vor den Fachgerichten beschränkt sich demgegenüber nicht auf besonders gewichtige Fehler oder Situationen existentiellen Betroffenseins, sondern erfasst Rechtsbeeinträchtigungen jeglicher Art (vgl. BVerfGE 101, 397 <409>). In der Fachgerichtsbarkeit spielen vergleichbare Gesichtspunkte, wie sie für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde vorgesehen sind, nur bei der Befassung einer weiteren überprüfenden Instanz eine Rolle, etwa für die Berufung oder Revision (vgl. etwa § 511 Abs. 4, § 543 Abs. 2 ZPO n.F.; § 124 Abs. 2, § 132 Abs. 2 VwGO), nicht aber für die Eröffnung des Rechtswegs als solchen.
Die mit der Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG verbundene Erwartung an die Bürger, dass sie dem staatlichen Rechtsschutzsystem vertrauen, bezieht Streitigkeiten ein, die aus objektiver Warte als wenig gewichtig erscheinen mögen. Auch Rechtsfehler, die eine Angelegenheit ohne grundsätzliche oder existentielle Bedeutung betreffen, können aus der Sicht des Bürgers sehr bedeutsam sein. Dementsprechend sehen die fachgerichtlichen Verfahrensordnungen vor, dass alle behaupteten Rechtsverletzungen, ihre Entscheidungserheblichkeit vorausgesetzt, in die richterliche Prüfung einbezogen werden.
b) Macht der Gesetzgeber durch Einführung des Subsidiaritätsgrundsatzes und des Annahmeverfahrens für Verfassungsbeschwerden von der Ermächtigung des Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG Gebrauch, gestaltet er zugleich das Verhältnis von Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit. Dies ist durch §§ 90 Abs. 2, 93 a BVerfGG geschehen. Schutz vor Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG ist daher in erster Linie in der Fachgerichtsbarkeit zu gewähren.
Den für den Rechtsschutz bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen genügt das Rechtsschutzsystem gegenwärtig nur teilweise.
1. Die Rechtsordnung entspricht dem Erfordernis fachgerichtlicher Kontrolle, soweit Rügen der Verletzung des Verfahrensgrundrechts noch im allgemeinen Rechtsmittelsystem geltend gemacht werden können. Dadurch kann ein erheblicher Teil möglicher Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG einer fachgerichtlichen Prüfung zugeführt werden. Zusätzlich sind besondere zur Überprüfung geeignete Rechtsbehelfe geschaffen worden, etwa befristete Anhörungsrügen (vgl. § 321 a ZPO, §§ 33 a, 311 a StPO). Die Behandlung dieser Rechtsbehelfe steht nicht im Ermessen des Gerichts. Sie führt im Falle der Zulässigkeit der Rechtsbehelfe zur Prüfung der Rechtsverletzung und gegebenenfalls zur Nachholung des rechtlichen Gehörs.
2. Um Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen, sind von der Rechtsprechung teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts außerordentliche Rechtsbehelfe geschaffen worden (siehe oben A II 1 a). Diese genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht. Die Rechtsbehelfe müssen in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein.
a) Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 87, 48 <65>). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Sind die Formerfordernisse so kompliziert und schwer zu erfassen, dass nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber Aufklärung verschaffen können, müsste die Rechtsordnung zumindest für eine das Defizit ausgleichende Rechtsmittelbelehrung sorgen (vgl. BVerfGE 93, 99 <108>). Diese kann aber zuverlässig nur erteilt werden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Rechtsbehelfs in der Rechtsordnung geregelt sind.
b) Die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit sind bei den zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG gegenwärtig verfügbaren außerordentlichen Rechtsbehelfen nicht erfüllt. Infolgedessen gibt es erhebliche Unsicherheiten bei der Entscheidung über die Frage, ob erst ein außerordentlicher Rechtsbehelf oder sogleich die Verfassungsbeschwerde einzulegen ist. Zur Vermeidung von Rechtsverlusten werden daher häufig beide Rechtsbehelfe parallel eingelegt. Derartige Zwänge illustrieren die rechtsstaatlichen Defizite der außerordentlichen Rechtsbehelfe. Zugleich führen sie zu einer unnötigen Belastung der Bürger und der Gerichte.
3. Die dargestellten rechtsstaatlichen Defizite schließen es aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde von der vorherigen erfolglosen Einlegung solcher außerordentlicher Rechtsbehelfe abhängig macht. Derartige Rechtsbehelfe gehören nicht zu dem Rechtsweg, dessen Erschöpfung § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG fordert. Soweit die bisherige Praxis des Bundesverfassungsgerichts dies anders gesehen hat, kann daran nicht festgehalten werden.
Dies führt allerdings nicht dazu, dass nunmehr eine Verfassungsbeschwerde regelmäßig ohne vorherige fachgerichtliche Überprüfung der Verletzung rechtlichen Gehörs zur Entscheidung angenommen werden kann. Sonst würde das System der Zuordnung von Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit beeinträchtigt, das auf dem Subsidiaritätsgrundsatz aufbaut. Um den Rechtsschutz der Bürger nicht in einer rechtsstaatswidrigen Weise zu verkürzen, hat das Bundesverfassungsgericht allerdings in Fällen, in denen der Weg zu den Fachgerichten wegen des Fehlens eines entsprechenden Rechtsbehelfs gar nicht eröffnet war, bisher unter bestimmten Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde trotz fehlender fachgerichtlicher Entscheidung über die behauptete Versagung des rechtlichen Gehörs für zulässig gehalten.
Diese Praxis widerspricht der Aufgabenverteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit. Sie kann nur noch für eine Übergangszeit hingenommen werden. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine Lösung zu finden, soweit dies nicht schon durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 geschehen ist. Bis zur gesetzlichen Neuregelung bleibt es bei der gegenwärtigen Rechtslage. Sollte der Gesetzgeber keine rechtzeitige Neuregelung treffen, ist das Verfahren auf Antrag vor dem Gericht fortzusetzen, dessen Entscheidung wegen einer behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angegriffen wird. Der Antrag ist binnen 14 Tagen seit Zustellung der Entscheidung zu stellen.
Die Entscheidung ist mit 10 : 6 Stimmen ergangen.
Externe Fundstellen: BVerfGE 107, 395; NJW 2003, 1924
Bearbeiter: Stephan Schlegel