Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 336/99, Urteil v. 19.10.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. März 1999 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie der Verfallsbeteiligten hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat die Angeklagten P. und K. wegen Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Es hat den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, gegen die Verfallsbeteiligte, die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg, nach § 73 Abs. 3 StGB den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 20.000 DM - dem liegt eine Zahlung des Angeklagten P. zugrunde - anzuordnen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die unterbliebene Verfallsanordnung. Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Angeklagten hatten eine BGB-Gesellschaft gegründet, um Bauprojekte durchzuführen. Um finanzielle Engpässe zu beheben, machten sie beim Finanzamt mit gefälschten Bauhandwerker-Rechnungen Vorsteuererstattungen geltend. Auf diese Weise erreichten sie, daß von September 1996 bis Juni 1997 unberechtigte Vorsteuererstattungen in Höhe von insgesamt 930.000 DM auf das Konto des Angeklagten P. bei der Deutschen Bank - das als Firmenkonto diente - überwiesen wurden.
Von dem Konto bei der Deutschen Bank überwies der Angeklagte P. im März 1997 einen Betrag in Höhe von 20.000 DM an die Sparkasse. Rechtsgrund der Zahlung war die Erfüllung eines zwischen P. und der Sparkasse geschlossenen Vergleichs zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das Wohnhaus der Eheleute P. Die Vergleichsforderung der Sparkasse beruhte auf einer titulierten Bürgschaftsforderung gegen P., der sich gegenüber der Sparkasse für Verbindlichkeiten seiner Ehefrau verbürgt hatte.
2. Das Landgericht sieht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 StGB nicht als erfüllt an. Der Verfall beim Drittbegünstigten müsse spätestens dort seine Grenze haben, wo der erlangte Vorteil aus einer Tat herrühre, die völlig außerhalb des Einflußbereichs des Empfängers liege. P. habe die Steuerhinterziehung auch nicht im Interesse der Sparkasse begangen. Die Sparkasse habe die Überweisung zudem nicht unmittelbar durch die Tat erlangt, denn es seien weitere Rechtshandlungen dazwischengetreten. Schließlich lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Sparkasse bei einer Zwangsversteigerung weniger erlöst hätte als durch die Erfüllung des Vergleichs.
3. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, daß trotz des dazwischengetretenen Vergleichs der Vorteil unmittelbar durch die Tat erlangt worden sei. Der Verfall hätte daher gegen die Sparkasse nach § 73 Abs. 3 StGB angeordnet werden müssen.
Die Voraussetzungen des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB liegen hier nicht vor.
1. Nach § 73 Abs. 1 StGB kann der Verfall grundsätzlich nur gegen den Täter oder Teilnehmer der rechtswidrigen Tat angeordnet werden. Davon macht § 73 Abs. 3 StGB eine Ausnahme. Danach kann der Verfall - bzw., was hier in Betracht käme, der Verfall des Wertersatzes nach § 73a StGB - auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und dadurch dieser etwas erlangt hat.
Unter welchen Voraussetzungen der Verfall gegen den Dritten angeordnet werden kann, ergibt sich nicht eindeutig aus der Vorschrift des § 73 Abs. 3 StGB; die Norm bedarf daher der Auslegung. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Merkmale "für einen anderen" und "dadurch etwas erlangt".
2. Wörtliche und systematische Auslegung können nichts wesentliches zum Verständnis des Anwendungsbereichs beitragen.
Handeln "für einen anderen" und "dadurch" sind aus sich heraus nicht näher interpretierbar; die Merkmale werden nur aus dem Normzusammenhang heraus verständlich. Auch der Vergleich mit ähnlichen Formulierungen in anderen Bestimmungen des StGB führt nicht weiter. Zwar entspricht das Handeln "für einen anderen" der gesetzlichen Überschrift des § 14 StGB, die Entstehungsgeschichte der Norm (siehe unten) und der Vergleich mit § 75 StGB zeigen aber auf, daß damit nicht nur Organe und Vertreter erfaßt werden sollten. Die gleichlautende Formulierung beim Berufsverbot in § 70 Abs. 3, § 145c StGB regelt einen gänzlich anderen Anwendungsbereich.
Die Abschöpfungsregelungen im OWiG (§ 29a, § 30 Abs. 5, § 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4) und im WiStG (§ 10 Abs. 3) erlauben zwar ebenfalls einen Zugriff gegen Dritte und sind ersichtlich - wie auch § 73 Abs. 3 StGB - Bestandteil des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, daß eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11, der auch auf Regelungen des Zivil- und Verwaltungsrechts verweist). Zur Auslegung des § 73 Abs. 3 StGB können sie für die vorliegende Fallgestaltung nichts beitragen. Entsprechendes gilt für die strafrechtliche Sanktionierung bestimmter Vermögensverschiebungen, etwa bei der Gläubiger- oder Schuldnerbegünstigung (§§ 283c, 283d StGB) oder der Geldwäsche (§ 261 StGB).
3. Für das Verständnis des Anwendungsbereichs der Vorschrift muß auf ihre Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden (vgl. dazu auch Schäfer in LK 10. Aufl. § 73 Rdn. 38 ff.).
a) Die Vorschrift des § 73 Abs. 3 StGB geht zurück auf die Strafrechtsreform in der 5. Wahlperiode. Sie wurde durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts (vom 4. Juli 1969, BGBl I, 717) im Zusammenhang mit der Neukonzeption des Verfalls und der Einziehung beschlossen und trat am 1. Januar 1975 in Kraft (Gesetz vom 13. Juli 1973, BGBl I, 909). Sie gilt seitdem nahezu unverändert. Durch das Gesetz vom 28. Februar 1992 (BGBl I, 372, Inkrafttreten am 7. März 1992) wurde als Folge der Einführung des Bruttoprinzips (vgl. dazu BGH NJW 1994, 1357) das Wort "Vermögensvorteil" durch das Wort "etwas" ersetzt.
b) Ihr Anwendungsbereich erschließt sich aus dem Vergleich der verabschiedeten Fassung mit § 109 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1962 (E 1962 = BR-Drucks. 200/62). Dieser Entwurf war auch Grundlage der Beratungen im Sonderausschuß des Bundestages für die Strafrechtsreform. § 109 E 1962 lautete: "Hat der Täter oder Teilnehmer als Vertreter eines anderen oder sonst für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben, so richtet sich die Anordnung des Verfalls gegen den Empfänger."
Nach der Begründung des E 1962 (BR-Drucks. 200/62, S. 242) sollte der Verfall - damals noch als strafähnliche Maßnahme verstanden - nur dann gegen den Dritten angeordnet werden können, wenn der Täter oder Teilnehmer als Vertreter eines anderen oder sonst - etwa als Angestellter - für den Dritten gehandelt hatte und das Entgelt oder der Gewinn unmittelbar in das Vermögen des Dritten geflossen war. Die Vertreter-Regelung sollte eine Erkennbarkeit nach außen erfordern, um die Fälle auszuscheiden, daß der Täter oder Teilnehmer allein für sich tätig gewesen ist, das Entgelt oder den Gewinn zunächst in sein Vermögen erwirbt und das Erlangte dann einem Dritten zukommen läßt, auch wenn dies von vornherein sein Ziel gewesen ist. Im letztgenannten Fall sollte die Anordnung des Wertersatzverfalls nur gegen den Täter oder Teilnehmer genügen.
In der 53. Sitzung (Prot. V, S. 1017; siehe auch 2. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. V/4095, S. 39) entschied sich der Sonderausschuß für einen weitergehenden Anwendungsbereich des Verfalls gegen den Drittbegünstigten. Grund dafür war unter anderem, daß der neu konzipierte Verfall nicht mehr als strafähnliche, sondern als quasi-kondiktionelle Maßnahme verstanden wurde. Deshalb wurde auf die Worte "als Vertreter eines anderen oder sonst" verzichtet. Der Sonderausschuß empfahl folgende Fassung des § 109 Abs. 3, die schließlich Gesetz (§ 73 Abs. 3 StGB a.F.) wurde: "Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser den Vermögensvorteil erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn."
c) Diese Abänderung war Gegenstand eingehender Beratungen in der 28. und 53. Sitzung des Sonderausschusses. Insbesondere ging es auch um die Bedeutung der Worte "für einen anderen" und "dadurch". Vertreter der Bundesregierung bildeten auf Wunsch der Abgeordneten typische Anwendungsbeispiele.
Insbesondere wurde der Fall genannt, daß die Tat eines Angestellten einen Vermögensvorteil bei seinem Geschäftsherrn herbeiführte, weil hier "eine sehr enge Beziehung gegeben sei" (Prot. S. 543, 547, 1015). Allerdings wurde auch betont, daß ein Vertretungsverhältnis nicht gegeben sein müsse (Prot. S. 1016).
Die Formulierung in § 109 E 1962 ("als Vertreter eines anderen oder sonst") wurde als zu einengend angesehen, weil sich daraus ergeben würde, daß der Täter oder Teilnehmer nach außen erkennbar für einen anderen gehandelt haben müsse (Prot. S. 1014; 2. Schriftlicher Bericht, BT-Drucks. V/4095, S. 40). Auf eine solche Erkennbarkeit nach außen sollte es deshalb nicht ankommen.
Andererseits hoben Vertreter des BMJ im Zusammenhang mit der geplanten Entbehrlichkeit eines Vertretungsverhältnisses auch hervor, daß der Vermögensvorteil dem Dritten ("dadurch") unmittelbar durch das Handeln des Täters oder Teilnehmers und nicht durch irgendwelche zwischengeschaltete Geschäfte zufließen müsse. Ein gezieltes Handeln für den Empfänger sei dabei allerdings nicht erforderlich. Vielmehr genüge es, daß durch das Handeln des einen, ohne daß es von diesem beabsichtigt zu sein brauche, bei dem Dritten ein Vorteil eingetreten sei (Prot. S. 1016). Der Verfall könne sich sogar gegen den Dritten richten, der von der Tat überhaupt keine Kenntnis hatte (2. Schriftlicher Bericht, BT-Drucks. V/4095, S. 39).
Man sah sehr wohl, daß die Formulierung "für einen anderen" sehr weit ging, also auch die Geschäftsführung ohne Auftrag erfaßte, und sich sogar gegen den gutgläubig Bereicherten richtete (Prot. S. 547), meinte aber, daß in diesem Fall die Härteklausel angewendet werden könne.
Auch die Parallele zu den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) wurde erörtert (Prot. S. 1001). Der Ausschußvorsitzende kam zu dem Ergebnis, die Regelung "stelle praktisch die Übertragung" des § 822 BGB "in das Strafrecht dar" (Prot. S. 1006). Der Vertreter des BMJ äußerte demgegenüber, § 822 BGB ginge noch weiter als die Verfallsvorschrift, weil im BGB auch unentgeltliche, durch ein zusätzliches Rechtsgeschäft erlangte Vermögensvorteile erfaßt würden (Prot. S. 1016). Die Problematik des gutgläubigen Empfängers wurde auch mit Blick auf § 819 BGB diskutiert (Prot. S. 1017) und deswegen wurde eine Ergänzung der Härteklausel bei Wegfall der Bereicherung vorgeschlagen (jetzt § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB).
d) Den Gesetzesmaterialien läßt sich als Wille des Gesetzgebers entnehmen:
Das Handeln für einen anderen soll nicht auf den Fall der (echten) Stellvertretung begrenzt sein. Demzufolge soll es nicht auf die Erkennbarkeit nach außen ankommen. Auch ein gezieltes Handeln für den Dritten wird nicht gefordert. Allerdings soll die Vermögensverschiebung unmittelbar, also ohne dazwischengeschaltete Rechtsgeschäfte, eintreten. Nicht näher diskutiert wurde der Fall einer gezielten Vermögensverschiebung zu einem (bösgläubigen) Dritten - mit oder ohne dazwischengeschaltete Rechtsgeschäfte -; dieser Fall dürfte aber ersichtlich ebenfalls von der Vorschrift erfaßt sein. Diese drei Kriterien, Entbehrlichkeit der Erkennbarkeit nach außen, Entbehrlichkeit von gezieltem Handeln, aber Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung, sind demnach entscheidend für die historische Auslegung der Bestimmung.
Eine zusätzliche Eingrenzung soll der Anwendungsbereich bei einem gutgläubigen Dritten erfahren. Der Verfall beim Drittbegünstigten soll dort seine Grenze finden, wo ein zusätzliches Rechtsgeschäft mit dem gutgläubigen Dritten dazwischen tritt. In solchen Fällen soll die Anordnung des Verfalls beim Dritten jedenfalls nicht weiter gehen, als der Bereicherungsanspruch nach §§ 819, 822 BGB.
4. Die Literaturmeinungen haben sich an der historischen Auslegung orientiert. Weitgehende Einigkeit besteht nur insoweit, als es auf das Kriterium der Unmittelbarkeit ankomme; was darunter zu verstehen ist, wird indes kontrovers beantwortet. Hingegen sei eine Erkennbarkeit nach außen entbehrlich. Wie die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens diskutierten Kriterien - anknüpfend an die Merkmale "für einen anderen" und "dadurch" - konkret zu verstehen sind, ist allerdings sehr umstritten.
a) Die weitestgehenden Auffassungen vertreten Schäfer (LK 10. Aufl. § 73 Rdn. 41 ff.), Brenner (DRiZ 1977, 203), Franzheim (wistra 1989, 87) und Güntert (Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983).
Schäfer (aaO Rdn. 41) stellt aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm allein darauf ab, daß unmittelbar durch das Handeln des Täters oder Teilnehmers der Dritte den Vermögensvorteil erlangt. Das Kriterium der Unmittelbarkeit dürfe nicht zu eng ausgelegt werden (aaO Rdn. 44). Unmittelbarkeit sei aber nicht mehr gegeben, wenn irgendwelche Geschäfte dazwischengeschaltet sind. Nicht vorausgesetzt seien rechtliche Beziehungen zu dem Dritten, ein Handeln im (ursprünglich) eigenen Interesse oder ein gezieltes Handeln. Auf die Motive des Täters oder Teilnehmers komme es ebensowenig an wie auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten.
Brenner (aaO S. 203) legt das Merkmal "für" enger, das Merkmal "dadurch" hingegen weiter als Schäfer aus. Handeln für den anderen setze ein gesetzwidriges Verhalten im Interesse des Vorteilsempfängers voraus. Der Vorteil müsse nicht durch dieselbe Handlung erlangt sein. Notwendig sei nur eine enge Verknüpfung mit der rechtswidrigen Tat. Die Wechselbeziehung müsse so eng sein, daß Handlung und Vermögensvorteil bei natürlicher Betrachtung eine sinnvolle Einheit bildeten, das sei etwa bei gezielten Vermögensverschiebungen der Fall.
Franzheim (aaO) hält die Nichtanwendbarkeit für dazwischengeschaltete Geschäfte für kriminalpolitisch unerwünscht; die Anordnung des Verfalls müsse etwa auch bei auffällig "preiswerten" Verträgen, die eine illegale Abfallbeseitigung durch den Abfallbeförderer nahelegten, gegen den Abfallerzeuger möglich sein.
Güntert (aaO S. 56 ff.) will das Handeln "für einen anderen" nicht dahin einschränken, daß es im Interesse und im Einflußbereich des Dritten liegen müsse; es soll zumindest in bestimmten Fallkonstellationen ausreichen, daß der Täter die Tat im eigenen Interesse begehen will. Auch solche Vorteile, die nicht zielgerichtet dem Drittempfänger zufließen, seien von § 73 Abs. 3 StGB erfaßt. Auch solle es nicht darauf ankommen, ob der Dritte von der Tat Kenntnis habe oder die Möglichkeit der Einflußnahme hatte. Bezüglich des Kriteriums der Unmittelbarkeit schließt sich Güntert im Ergebnis der Ansicht Brenners an (Kriterium des Bereicherungszusammenhangs). In Anlehnung an die Bereicherungsvorschriften des BGB sieht Güntert (aaO S. 61) einen solchen Bereicherungszusammenhang nur bei unentgeltlich weitergegebenen Vermögensvorteilen als gegeben an.
b) Eser (Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 73 Rdn. 34 ff.; ders., Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, 1969, S. 287 ff.), dem sich das Landgericht im wesentlichen angeschlossen hat, legt die Vorschrift restriktiver aus.
Zwar stellt auch Eser (aaO Rdn. 36) auf die Unmittelbarkeit und nicht auf die Erkennbarkeit nach außen ab. Die Anordnung des Verfalls gegen den Dritten habe aber spätestens dort seine Grenze, wo der Vorteil aus einer Tat herrühre, die völlig außerhalb des Einflußbereichs des Empfängers liege. Von einem Handeln für einen anderen könne nur insoweit die Rede sein, als die verfallsbegründende Tat im Interesse des Vorteilsempfängers und von einer in seinem Einflußbereich stehenden Person begangen werde (aaO Rdn. 37). Eine weitere Einschränkung ergäbe sich aus der Einführung des Bruttoprinzips, weil dadurch der Verfall strafähnlichen Charakter habe. Deshalb müsse - zumindest bei juristischen Personen - ein organschaftliches oder wenigstens organschaftsähnliches Zurechnungsverhältnis bestehen (aaO Rdn. 37a). Eine ähnliche Ansicht vertritt Herzog (Nomos Kommentar zum StGB § 73 Rdn. 25).
c) Andere Literaturstimmen betonen nur einzelne Kriterien. Fischer (Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 73 Rdn. 13) hält die Anordnung des Verfalls gegen den Dritten auch bei nach außen nicht erkennbarem faktischen Handeln für den anderen und in dessen Interesse für zulässig. Kühl (Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 73 Rdn. 9) verlangt ein Handeln im Interesse des anderen, es sei aber nicht erforderlich, daß der Täter oder Teilnehmer im Einflußbereich des Dritten stehe. Horn (SK-StGB 18. Lfg. § 73 Rdn. 14) fordert, daß die Willensrichtung bei objektiver Betrachtung als auch fremdnützig erscheine.
5. Die Rechtsprechung hat sich nur vereinzelt mit § 73 Abs. 3 StGB befaßt; eine Fallgestaltung wie die vorliegende hat sie indes noch nicht beurteilt.
a) Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Urteil vom 9. Oktober 1990 - 1 StR 538/89 - (Bestechung eines Beamten der Evangelischen Landeskirche; insoweit in BGHSt 37, 191 nicht abgedruckt; vgl. auch die im gleichen Komplex ergangene Entscheidung BGHR StGB § 73 Verfallsbeteiligte 1) unter Hinweis auf Literaturmeinungen (Brenner, Schäfer, Dreher/Tröndle, Horn und Lackner) ausgeführt, ein Handeln für einen anderen liege vor, wenn die rechtswidrige Tat objektiv bewirke, daß diesem anderen unmittelbar ein Vermögensvorteil zufließe, und wenn der Handelnde dies im Interesse des Empfängers wolle. Hierbei reiche es aus, wenn der Tatbeteiligte rein faktisch (auch) im Interesse des Dritten gehandelt habe, mag dies auch nach außen nicht erkennbar geworden sein. Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, daß die Verfallsbeteiligte - die Tante des Angeklagten - Vermögensvorteile mittels Leistungen erwarb, die ein Makler aufgrund der mit dem Angeklagten geschlossenen Unrechtsvereinbarung erbrachte. Nach dieser Vereinbarung sollte die Verfallsbeteiligte für den Angeklagten als ("lediglich vorgeschobene") Käuferin auftreten. Dem entnahm der Bundesgerichtshof, daß diese Zuwendungen im Interesse der Verfallsbeteiligten erfolgen sollten.
Auf das Erfordernis der Unmittelbarkeit hat auch der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluß vom 13. November 1996 - 3 StR 482/96 - abgestellt; in diesem Zusammenhang erwähnte er eine Sammelaktion für einen verbotenen Verein.
b) Das OLG Düsseldorf (NJW 1979, 992, kritisch dazu Schäfer aaO Rdn. 44a und Lackner/Kühl aaO Rdn. 9) hat die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 3 StGB in einem Fall bejaht, wo der Täter, der betrügerisch ein Darlehen erlangt hatte, Geld von dem Darlehenskonto abhob und den Betrag nur deswegen auf das Konto seiner nicht tatbeteiligten Lebensgefährtin einzahlte, um den Vorteil vor der Geschädigten in Sicherheit zu bringen. Ein Handeln "für einen anderen" liege unzweifelhaft vor; dabei bezieht sich das OLG auf die insoweit weitgehend unstrittige Literaturmeinung. Auch sei der Vermögensvorteil unmittelbar durch die Tat begründet worden. Zwar sei die Einzahlung ein gegenüber der Abhebung eigenständiger Akt, der zu der Tat nicht mehr unmittelbar in Beziehung stünde. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es aber, auch solche Vermögensverschiebungen an Dritte zu erfassen, durch die der Täter versuche, die Vorteile der Tat dem Gläubiger zu entziehen. Durch die Tat erlangt seien auch noch solche Vermögensvorteile, die der Täter einem Dritten, den er begünstigen wolle, ohne rechtfertigenden Grund aus der Tatbeute überlasse, um zumindest diesem die Vorteile seiner Tat zu sichern und zu verhindern, daß die Beute an den rechtmäßigen Besitzer zurückgelange.
6. Die Umgrenzung des Anwendungsbereichs des § 73 Abs. 3 StGB ist vor allem anhand der Gesetzesmerkmale "für einen anderen" und "dadurch" vorzunehmen.
a) Handeln "für einen anderen" verlangt zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde muß bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. "Dadurch" bedeutet schon vom Wortlaut her nicht "unmittelbar durch ein- und dieselbe Handlung", verlangt aber immerhin einen Bereicherungszusammenhang zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. Beide Merkmale bedürfen jedoch einer näheren Konkretisierung.
b) Die in den Gesetzesmaterialien, in Rechtsprechung und Literatur genannten Kriterien (Erkennbarkeit nach außen, Vertretungsverhältnis, enge Beziehung, gezieltes Handeln, Kenntnis des Dritten von der Tat, Interesse, Einflußbereich, Unmittelbarkeit, Bereicherungszusammenhang, dazwischengeschaltete Geschäfte, Unentgeltlichkeit) haben als solche kaum hinreichend klare Konturen. Was damit konkret gemeint ist, wird erst deutlich, wenn man die Kriterien auf die Fallgruppen bezieht, bei denen sie zur Anwendung kommen sollen. Insbesondere die in den Gesetzesmaterialien genannten Kriterien waren jeweils im Blick auf ganz bestimmte Fallgruppen diskutiert worden. Betrachtet man die Fallgruppen näher, so wird deutlich, daß es sich dabei um ganz unterschiedliche Konstellationen des Vorteilserwerbs handelt. Das hat zur Folge, daß die Abgrenzungskriterien auf die jeweiligen Fallgruppen bezogen werden müssen.
c) Die drei wichtigsten Fallgruppen sind Vertretungsfälle im weiteren Sinn, Verschiebungsfälle und Erfüllungsfälle.
aa) Zu den Vertretungsfällen (im engeren Sinne) gehört zunächst das Handeln als Organ, Vertreter oder Beauftragter im Sinne des § 14 StGB. Vertretungsfälle im weiteren kann man bei sonstigen Angehörigen einer Organisation annehmen, die im Organisationsinteresse tätig werden. Das können bei betrieblichen Organisationen etwa die Angestellten sein, bei kriminell handelnden Organisationen werden diejenigen für die Organisation tätigen Personen dazugehören, die nicht selbst Tatbeteiligte sind (vgl. auch den Spendensammel-Fall des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs).
Gerade die Vertretungsfälle im weiteren Sinne in Betrieben hatte der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform im Auge, so den Angestellten (Prot. S. 1002), den Buchhalter, der eine Steuerhinterziehung zugunsten des Betriebsinhabers begeht, ohne daß dieser davon weiß (Prot. S. 1015, als typischer Fall bezeichnet) und den Contergan-Fall, bei dem der Chemiker Täter, die Unternehmensleitung jedoch gutgläubig ist (Prot. S. 1015).
Fließt in solchen Fällen dem Dritten der Vorteil zu, so hat der Täter oder Teilnehmer für den Dritten gehandelt und dieser dadurch den Vorteil erlangt. Er hat zumindest faktisch auch in dessen Interesse gehandelt. Der Bereicherungszusammenhang ist durch das (betriebliche) Zurechnungsverhältnis gegeben. Auf eine Unmittelbarkeit im Sinne von "durch ein- und dieselbe Handlung" kann es im Regelfall schon deshalb nicht mehr ankommen, weil - insbesondere bei Warentermingeschäften, Scheckreitereien, Steuer- oder Umweltdelikten - nicht selten ein komplexer Geldkreislauf in Gang gesetzt wird. Auch bei dem Contergan-Fall trat die Vermögensmehrung erst durch zahlreiche zwischengeschaltete Handlungen ein. Zudem werden in der Regel - oft auch zur Verschleierung - mehrere Geschäfte dazwischengeschaltet sein. Selbst auf eine Kenntnis des Dritten kann es nicht ankommen (so die Beispielsfälle des Sonderausschusses); er muß sich die bei ihm zu Unrecht eingetretene Bereicherung zurechnen lassen.
bb) Eine andere Fallgestaltung liegt im Verschiebungsfall vor, bei dem der Täter dem Dritten die Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäftes zukommen läßt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, oder um die Tat zu verschleiern. Dieser Fall beurteilt sich nach anderen Kriterien, schon deshalb, weil hier der Dritte in die Nähe der Tatbeteiligung geraten kann (vgl. auch § 261 StGB, insbesondere dessen Absatz 5). Solche Konstellationen liegen dem Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs und der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde. Hier wird der Täter regelmäßig die Tat und auch die (spätere) Vermögensverschiebung primär im eigenen Interesse und allenfalls faktisch (auch) im Interesse des Dritten begehen. Hier kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter im Einflußbereich des Dritten steht, er kann sich sogar eines gutgläubigen Dritten bedienen, der etwa sein Konto zur Verfügung stellt. Gerade für die Vermögensverschiebung wird es typisch sein, daß zwischen Tat und Bereicherung des Dritten weitere Rechtsgeschäfte dazwischengeschaltet sind (so die Fälle des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs und des OLG Düsseldorf). Daß derartige Fallkonstellationen - namentlich bei unentgeltlichen Verfügungen - von § 73 Abs. 3 StGB erfaßt werden sollten, zeigt auch die im Sonderausschuß gezogene Parallele zu § 822 BGB.
cc) Davon zu unterscheiden ist der Erfüllungsfall; ein solcher Fall liegt hier vor. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß der Täter oder Teilnehmer einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile zuwendet, und zwar in Erfüllung einer nicht bemakelten entgeltlichen Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat stehen.
Hier handelt der Täter oder Teilnehmer bei der Tatbegehung zwar nicht selten auch - zumindest faktisch - im Interesse des Dritten, seines Gläubigers, denn er begeht die Tat zumeist, weil er in finanziellen Schwierigkeiten ist und von seinen Gläubigern bedrängt wird. Das Kriterium des auch faktischen Interesses kann bei dieser Fallgestaltung aber nicht bedeuten, daß damit bereits der Anwendungsbereich des § 73 Abs. 3 eröffnet ist.
Beim Erfüllungsfall kommt der Unmittelbarkeit im Sinne von dazwischengeschalteten Rechtsgeschäften entscheidende Bedeutung zu; auch das Argument von Eser (aaO), die rechtswidrige Tat dürfe nicht völlig außerhalb des Einflußbereichs des Dritten liegen, hat hier Gewicht. Hat der Dritte die Tatbeute (oder deren Wertersatz) aufgrund eines mit dem Täter oder Teilnehmer geschlossenen entgeltlichen Rechtsgeschäfts erlangt, das weder für sich noch im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat bemakelt ist, so hat der Dritte den Vorteil nicht "durch" die Tat erlangt. In einem solchen Fall - Zäsur durch ein von der Tat unabhängiges Rechtsgeschäft - fehlt es an der Unmittelbarkeit; der Verfall kann gegen den Dritten nicht nach § 73 Abs. 3 StGB angeordnet werden. So liegt es hier.
Diese Einschränkung - und zwar bei dieser Fallgruppe - folgt auch mit Blick auf die Bereicherungsvorschriften des BGB. Gerade die Parallele zu § 812 ff. BGB hatte der Gesetzgeber im Auge; sie wird auch in der Literatur gezogen. § 73 Abs. 3 StGB sollte jedenfalls nicht weiter gehen als der Durchgriff nach § 822 BGB. Diese Bestimmung (vgl. auch § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB) durchbricht das bereicherungsrechtliche Unmittelbarkeitsprinzip (Münch. Komm./ Lieb BGB 2. Aufl. § 822 Rdn. 1) und erlaubt - ähnlich wie § 73 Abs. 3 StGB gegenüber dem Regelfall des § 73 Abs. 1 StGB - ausnahmsweise den Zugriff gegen den unbeteiligten Dritten. Der Grund für den Durchgriff auf den Dritten bei § 822 BGB ist sowohl im sonst nicht realisierten Restitutionsinteresse des Gläubigers als auch in der im Vergleich dazu fehlenden Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Empfängers zu sehen (Lieb aaO). Ähnliche Überlegungen gelten für den Verfall. Empfängt der Dritte den Vorteil jedoch aufgrund eines nicht bemakelten entgeltlichen Rechtsgeschäfts, so kann auch der Verfall gegen ihn nicht nach § 73 Abs. 3 StGB angeordnet werden.
Hinzu kommt ein verfahrensrechtliches und ein verfahrensökonomisches Argument. Wollte man den Verfall auch gegen solche Dritte zulassen, denen das aus der rechtswidrigen Tat Erlangte aufgrund eines unbemakelten entgeltlichen Rechtsgeschäfts zugewendet wurde, so müßten unter Umständen zahlreiche Gläubiger des Täters oder Teilnehmers ermittelt und als Verfallsbeteiligte nach § 442 i.V.m. §§ 430 ff. StPO am Verfahren beteiligt werden (siehe auch BVerfG - Kammer - Beschluß vom 17. Dezember 1996 - 2 BvR 2327/96 -). Auch diese Problematik hat der Gesetzgeber gesehen: "Es würden sich erhebliche verfahrensrechtliche Schwierigkeiten ergeben; alle diese Personen müßten dann notgedrungen im Strafverfahren gehört werden, bevor ihnen der Gewinn abgenommen werden kann" (Prot. S. 544). Gestattete man in solchen Fällen den Durchgriff, so wäre etwa kaum zu vermeiden, daß ein Wahlverteidiger mit einer nicht bemakelten Honorarvereinbarung der Gefahr ausgesetzt wird, zum Verfallsbeteiligten zu werden und damit zugleich in einen Interessenskonflikt zu seinem Mandanten gerät. Das wäre mit dem rechtsstaatlichen Gebot, dem Beschuldigten jederzeit die Möglichkeit einer geordneten und effektiven Verteidigung zu geben (BGH StV 1998, 246; StV 1999, 412), schwerlich zu vereinbaren.
7. Bei dem hier vorliegenden Erfüllungsfall scheidet daher die Anordnung des Verfalls gegen die Sparkasse nach § 73 Abs. 3 StGB aus. Es kommt folglich nicht mehr auf die weiteren von der Revision aufgeworfenen Fragen an, ob der Steuerfiskus generell oder jedenfalls bei Steuerhinterziehungen der vorliegenden Art Verletzter i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist und ob er einen steuerrechtlichen Anspruch gegen die Sparkasse hat.
Der Senat übersieht nicht, daß auch bei den sonst gegebenen Möglichkeiten der Anordnung des Verfalls gegen den Dritten die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 - die nicht ganz zu Unrecht als "Totengräber des Verfalls" bezeichnet wird - entgegenstehen kann; das zu ändern ist Sache des Gesetzgebers.
Externe Fundstellen: BGHSt 45, 235; NJW 2000, 297; NStZ 2000, 34; StV 2000, 130; StV 2000, 73
Bearbeiter: Karsten Gaede