Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 604/98, Urteil v. 20.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 17. Dezember 1997 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte des gewerbsmäßigen Schmuggels in zwölf Fällen schuldig ist.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die durch die Revision entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, und zu einer Gesamtgeldstrafe von 700 Tagessätzen zu je 700 DM verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - zuungunsten des Angeklagten eingelegte - Revision der Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Die Revision hat im wesentlichen keinen Erfolg.
Der Angeklagte organisierte von seinem Wohnsitz in Österreich aus in der Zeit zwischen Ende Oktober 1992 und Februar 1993 zusammen mit weiteren Mittätern den Schmuggel von unverzollten und unversteuerten Zigaretten, indem er zwölf LKW-Transporte, die in den Niederlanden zum Zollversand im Carnet-TIR-Verfahren nach Rumänien abgefertigt worden waren, der zollamtlichen Überwachung entzog und in Deutschland auf dem Schwarzmarkt absetzte. Auf diese Weise wurden Eingangsabgaben von mehr als 20 Mio. DM verkürzt. Das Landgericht hat diese Taten als (gemeinschaftlich begangene) Steuerhinterziehung in zwölf Fällen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2, § 53 StGB in der Form des gewerbsmäßigen Schmuggels nach § 373 Abs. 1 AO gewertet; den Tatbestand des § 129 StGB hat das Landgericht mangels Gruppenwillens als nicht gegeben erachtet.
Darüber hinaus hat der Tatrichter die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO verneint, weil der Angeklagte bei der Tatbegehung sich nicht in Deutschland aufgehalten habe, er also nicht mit den Schmugglern zusammen betroffen worden sei. Ebenso wenig sei ein besonders schwerer Fall im Sinne von § 370 Abs. 3 AO gegeben. Zwar habe der Angeklagte in jedem Einzelfall aus groben Eigennutz in großem Umfang Steuern verkürzt. Eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, vor allem aber der hier besonders zugunsten des Angeklagten sprechenden ganz erheblichen Milderungsgründe, lasse die Annahme eines besonders schweren Falles jedoch - auch außerhalb der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO - nicht gerechtfertigt erscheinen.
Der Schuldspruch weist keine den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler auf.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht das Vorliegen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach § 373 Abs. 1 AO bejaht. Die vom Angeklagten begangenen Steuerhinterziehungen wurden unter den erschwerenden Begleitumständen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben begangen. Denn der Angeklagte wollte sich schon bei der ersten Steuerhinterziehung durch wiederholte Begehung des Zigarettenschmuggels eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen (vgl. BGHSt 1, 383).
Die Vorschrift des § 373 AO stellt allerdings nicht, wie das Landgericht meint, lediglich einen Strafzumessungsgrund dar, weswegen der Angeklagte nur wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden könne. § 373 AO stellt vielmehr eine unselbständige tatbestandliche Abwandlung der §§ 370, 372 AO dar (vgl. BGHSt 32, 95, 96 f.; Kohlmann, Steuerstrafrecht § 373 Rdn. 5). Der Senat hat den Schuldspruch berichtigt; § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts zum Schuldspruch sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Erwägungen der Strafkammer, mit denen sie eine Verurteilung aus §§ 129 StGB, 373 Abs. 2 Nr. 3 AO ablehnt, entsprechen den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an eine kriminelle Vereinigung und eine bandenmäßige Tatausführung stellt (vgl. BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1, 2; BGHSt 8, 70; BGH, wistra 1998, 348; wistra 1999, 29).
a) Rechtlich zutreffend hat das Landgericht das Vorliegen des § 129 StGB verneint. Eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB ist ein im räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes bestehender auf Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluß von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame (kriminelle) Zwecke verfolgen oder gemeinsame (kriminelle) Tätigkeiten entfalten und unter sich derart in Beziehung stehen, daß sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen. Eine solche Vereinigung setzt die Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit voraus. Wenn sich der einzelne nur dem Willen eines anderen Individuums unterordnet, repräsentiert der andere hier immer nur einen eigenen Willen, nicht den einer hinter ihm stehenden Mehrheit. Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, verbindet diese, weil der Wille des einzelnen maßgeblich bleibt und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt, noch nicht zu einer kriminellen Vereinigung, und zwar auch dann nicht, wenn eine Person als Anführer eingesetzt wird, nach dem sich die anderen richten. Der Erfassung krimineller Erscheinungsformen dieser Art dienen Strafbestimmungen, welche die bandenmäßige Begehung bestimmter Straftaten mit höherer Strafe bedrohen. Das schließt nicht aus, daß dieser Gruppenwille darauf gerichtet ist, einem der Mitglieder die Entscheidungsbefugnisse zuzuweisen, mit der Folge, daß die anderen Mitglieder sich dessen Willen unterordnen (BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1).
In Anlehnung an diese Entscheidung des Senats hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen weder bei der Hannoveraner Gruppe um B , die für die Abgabe der unverzollten und unversteuerten Zigaretten an die vietnamesischen Händler in den neuen Bundesländern verantwortlich war, noch bei der Wiener Gruppe um K, der der Angeklagte zugehörte und die den Zigarettenschmuggel nach Hannover organisierte, eine Unterwerfung der Mitglieder der Gruppierungen unter einen Gruppenwillen feststellen können. K und B waren aufgrund ihrer Informationen, ihrer Verbindungen, ihrer Finanzkraft und ihrer Autorität Anführer ihrer jeweiligen Gruppen, denen sich die anderen Mitglieder - ohne daß ein entsprechender Gruppenwille bestand - untergeordnet haben (vgl. auch BGHR StGB § 129 Gruppenwille 2).
b) Auch die Ausführungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO verneint hat, sind im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zu § 244 StGB: BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 2; MDR 1994, 763; zu § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB a.F.: BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; BGH, Beschluß vom 19. März 1997 - 5 StR 18/97 -; zu § 373 Abs. 2 Nr. 4 AO: BGHSt 8, 70; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 373 Rdn. 42) erfordert eine bandenmäßige Begehung stets, daß die Bandenmitglieder während der Tatausführung zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich, zusammenwirken (BGH, wistra 1998, 348). Diese Rechtsprechung - anknüpfend an das Tatbestandsmerkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" - hat zur Folge, daß ein am Tatort nicht selbst mitwirkendes Bandenmitglied selbst dann nicht als Täter eines Bandendelikts bestraft werden kann, wenn es nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund seines Täterwillens, und seines Tatbeitrages als Mittäter angesehen wird (vgl. zu den Bedenken BGH, Beschluß vom 19. März 1997 - 5 StR 18/97).
Denn der Grund für die Strafschärfung der Bandendelikte nach §§ 244, 250 StGB, § 373 AO liegt jeweils darin, daß die Effizienz des Vorgehens durch das zeitliche und örtliche Zusammenwirken gesteigert und daß durch die gleichzeitige Anwesenheit von mindestens zwei Tätern am Tatort die Gefahr für Tatopfer wie für Zöllner gleichermaßen erhöht wird. Begründen aber erst die Effizienzsteigerung und die Gefahrerhöhung durch das zeitliche und örtliche Zusammenwirken der Bandenmitglieder die Strafschärfung, kann eine bandenmäßige Begehung der Tat zumindest dann nicht angenommen werden, wenn bei der Tatausführung vor Ort nur ein Bandenmitglied beteiligt ist, auch wenn andere Bandenmitglieder an der Tat im Hintergrund mitwirken.
Anderes gilt für den bandenmäßigen Betäubungsmittelhandel, dessen tatbestandsmäßige Voraussetzungen in § 30a BtMG abweichend geregelt sind; für diesen ist typisch, daß konkrete Aktivitäten wie Bestellungen, Lieferungen, Kurierfahrten, Geldübergaben und vielfältige Handlungen zur Koordination der Beteiligten nur von Einzelpersonen durchgeführt werden. Das dient der Risikoverringerung, beruht aber auch darauf, daß bei diesen Aktivitäten - anders als bei Diebstahl, Raub und Schmuggel - ein örtliches und zeitliches Zusammenwirken regelmäßig nicht nötig ist, um die Effizienz des Vorgehens zu steigern. Deswegen verlangt § 30a BtMG im Unterschied zu §§ 244, 250 StGB, § 373 AO auch nicht, daß der Täter "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" handelt (vgl. BGHSt 38, 26, 29 f.).
Einen Fall der zeitlichen und örtlichen Mitwirkung von zwei Bandenmitgliedern an der Tatausführung hat das Landgericht nicht festgestellt. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestand die "Wiener Gruppe" aus vier Bandenmitgliedern, nämlich dem Angeklagten, den Brüdern K und einem G . Aus dieser Gruppe war allein G vor Ort in Deutschland, als die unverzollten und unversteuerten Zigaretten in der Umgebung von Hannover dem Zollgutversandverfahren entnommen wurden. Allerdings wirkten vor Ort vom Beginn der Ausführungshandlung - Öffnung der LKW - bis zur Tatbeendigung des Schmuggels - Verbringen der Ware an die vietnamesischen Händler - weitere Personen zeitlich und örtlich an dem Schmuggel mit, nämlich sowohl die vom Angeklagten organisierten und an gewiesenen polnischen LKW-Fahrer als auch Mitglieder der Hannoveraner Gruppierung unter Leitung des in Hannover lebenden B, die die geschmuggelten Zigaretten der Wiener Gruppe abkauften und an Vietnamesische Großabnehmer im Raum Berlin, Leipzig und Magdeburg weiterveräußerten. Aber weder die polnischen LKW-Fahrer noch die Mitglieder der Hannoveraner Gruppierung waren - nach den insoweit widerspruchsfreien und lückenlosen Feststellungen des Landgerichts - mangels entsprechenden Bandenwillens Mitglieder der "Wiener Bande".
Wegen Fehlens der bandenmäßigen Begehung durch das Bandenmitglied G scheidet insoweit auch eine Teilnahme des Angeklagten an einem Bandenschmuggel des G aus. Soweit andere Beteiligte, insbesondere die Mitglieder der Hannoveraner Gruppe, möglicherweise sich eines Bandenschmuggels schuldig gemacht haben, ist auch insoweit eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Teilnahme hieran nicht gegeben, da der Angeklagte mangels Bandenwillens nicht Mitglied dieser Gruppe gewesen ist; ein Nichtmitglied, gleichgültig, ob am Tatort anwesend oder nicht, kann nicht wegen Bandenschmuggels bzw. Teilnahme daran verurteilt werden, weil die Eigenschaft als Mitglied einer Bande ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluß vom 18. März 1998 - 5 StR 1/98 -; BGH NStZ 1996, 128; StV 1995, 408).
3. Auch der vom Landgericht jeweils angenommene Schuldumfang begegnet letztlich keinen durchgreifenden Bedenken.
Rechtlich im Ansatz zutreffend ist das Landgericht bei Ermittlung der verkürzten Eingangsabgaben vom Transaktionswert nach Art. 2, 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert von Waren (Zollwertverordnung - ZWVO -), ABI EG Nr. L 1341/1 die zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Taten noch galt, ausgegangen. Allerdings waren die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 1 ZWVO nicht vollständig erfüllt; denn der bei der Zollwertermittlung im Urteil zugrundegelegte Rechnungspreis, den das Landgericht aus dem Verkaufspreis der Herstellerbetriebe ableitet, betraf keinen "Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft". Die Zigaretten wurden vielmehr offiziell zum Zweck der Ausfuhr in ein Drittland verkauft; dementsprechend wurden die Lieferungen zum Zollgutversandverfahren abgefertigt und unter zollamtlicher Aufsicht - überwiegend nach Ungarn und Tschechien - in Zollager verbracht.
Das Landgericht hätte bei dieser Sachlage den Zollwert entsprechend Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 ZWVO unabhängig von dem tatsächlich gezahlten Preis nach dem Transaktionswert gleicher Waren - also gleicher Zigarettenlieferungen - ermitteln müssen, die im selben oder annähernd im selben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Lieferungen in die Gemeinschaft ausgeführt wurden. Auf den Verkaufspreis, den der Angeklagte und seine Mittäter gegenüber den Abnehmern der Zigaretten in Hannover erzielten (vgl. Art. 6 ZWVO) kommt es - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht an; denn die Zollwertverordnung sieht eine zwingend einzuhaltende Stufenfolge vor (Art. 2 Abs. 2 ZWVO), bei der die jeweils nachfolgende Zollwertermittlungsmethode erst angewendet werden darf, wenn die vorhergehenden zu keinem Ergebnis geführt hat (vgl. dazu Witte/Reiche, Zollkodex 2. Aufl. Art. 30 Rdn. 2). Damit ist Art. 6 ZWVO hier ersichtlich nicht anzuwenden.
Es ist indes auszuschließen, daß auf den Abweichungen bei der Feststellung des Transaktionswerts der Zigarettenlieferungen das Urteil beruht. Der Schuldspruch wird dadurch ohnehin nicht berührt. Bei der Rechtsfolgenentscheidung aber war das Landgericht sich des sehr großen Hinterziehungsschadens bewußt und hat diesen ausreichend bedacht.
Der Strafausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, daß sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). In Zweifelsfällen muß das Revisionsgericht die Bewertung des Tatrichters hinnehmen (BGHSt 29, 319, 320; BGH wistra 1993, 297).
Die Strafzumessung durch das Landgericht ist - gemessen an den genannten Grundsätzen - letztlich nicht zu beanstanden.
1. Das Landgericht hat sich nicht vor Abschluß der Hauptverhandlung an ein bestimmtes Verfahrensergebnis gebunden und dadurch § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StGB verletzt. Ebenso wenig hat das Landgericht infolge einer mißglückten Verfahrensverständigung gegen §§ 260, 261 StPO verstoßen.
a) Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung kam es zu Gesprächen zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht über eine mögliche Verständigung. Zu Beginn der Verhandlung trug der Vorsitzende die Voraussetzungen für eine Verständigung vor. Sollte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegen und der Nachweis der Mitwirkung an der Aufklärung anderer erheblicher Straftaten geführt werden, könne eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung und eine Geldstrafe von etwa 700 Tagessätzen zu je 700 DM in Betracht kommen. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte laut Protokoll, er sei mit dem erwogenem, von ihm selbst angeregten, Strafmaß zunächst einverstanden gewesen, die Staatsanwaltschaft sehe sich jedoch nunmehr - ohne daß sich der Schuldumfang geändert hatte - nicht mehr in der Lage, eine Freiheitsstrafe zu beantragen, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Im weiteren Verhandlungsverlauf kündigte ein anderer Vertreter der Staatsanwaltschaft - die näheren Umstände der Ablösung des ursprünglichen Sitzungsvertreters geben zu Bedenken Anlaß, sind für die Entscheidung jedoch unerheblich - an, daß er eine nicht zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe beantragen werde; die Aufklärungshilfe des Angeklagten könne von den für die Gnadenentscheidung zuständigen Stellen angemessen gewürdigt werden. Dieser Vorschlag wurde von dem Gericht zutreffend als "Scheinstrafmaß" zurückgewiesen.
Die Strafkammer wies die Verfahrensbeteiligten darauf hin, daß sie bereit sei, sich an die ursprüngliche Absprache zu halten, falls das - bis dahin vorliegende pauschale -Geständnis des Angeklagten zu den Taten ergänzt und Angaben zu dem Vermögen des Angeklagten gemacht würden; des weiteren wurde der Hinweis erteilt, daß die Möglichkeit bestehe, daß das Verfahren wegen einer eventuellen Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft nicht rechtskräftig vor der Strafkammer abgeschlossen werden könne.
Nach einem umfassenden Geständnis durch den Angeklagten unter Angabe seiner Vermögenswerte und dem Nachweis des Umfangs seiner Aufklärungshilfe (und Beweisaufnahme) wurde der Angeklagte entsprechend verurteilt.
b) Die Staatsanwaltschaft rügt, Verfahrensgang und Begründung des Ausspruchs der kumulativen Geldstrafe nach § 41 StGB belegten, daß die Strafkammer von vornherein unabhängig vom Ergebnis der Hauptverhandlung an der zuvor zugesagten Strafhöhe habe festhalten wollen und sich bereits vor Abschluß der Hauptverhandlung an ein bestimmtes Verfahrensergebnis gebunden habe.
c) Die Rüge hat weder als Verfahrens- noch als Sachrüge Erfolg.
Allerdings darf ein Gericht keine verbindliche Zusage zur Höhe der zu verhängenden Strafe machen, denn es hat aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung in der Urteilsberatung über die Strafe zu entscheiden. Diese richterliche Entscheidungsfindung darf nicht durch Festlegung auf eine konkrete Strafe vorweggenommen werden, eine Bindung des Gerichts an ein bestimmtes Verfahrensergebnis vor Abschluß der Hauptverhandlung ist ausgeschlossen (dazu Laufhütte KK 4. Aufl. vor § 137, Rdn. 7). Der Bundesgerichtshof hat es jedoch für unbedenklich angesehen, wenn das Tatgericht für den Fall der Ablegung eines glaubhaften Geständnisses im Wege der Verständigung eine Strafobergrenze angibt, die es nicht überschreiten werde. Falls der Angeklagte ein Geständnis ablegt, schränkt er seine Verteidigungsmöglichkeiten nämlich auf einen schmalen Bereich ein-, er kann dann regelmäßig gegen seine Verurteilung nichts mehr vorbringen und nur noch die Höhe der zu verhängenden Strafe zu beeinflussen versuchen; es ist daher nicht unbillig, wenn er vor Ablegung eines Geständnisses erfahren möchte, wie das Gericht dieses bei der Strafzumessung bewerten würde. Wenn das Gericht dementsprechend erklärt, die Strafe werde im Falle der Ablegung eines Geständnisses eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, der vom Gesetz allgemein vorgesehene - zumeist sehr weite - Strafrahmen somit in einer bestimmten Weise eingeschränkt wird, wird damit die Entscheidung des Gerichts noch nicht vorweggenommen. Die Festlegung der konkreten Strafe unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte bleibt der Urteilsberatung vorbehalten. Eine solche Zusage beseitigt auch nicht die nötige Unvoreingenommenheit und Objektivität des Gerichts; denn daß sich das Gericht während des Verfahrens - vorbehaltlich des weiteren Verfahrensganges und des Beratungsergebnisses - eine Meinung über das mögliche Verfahrensergebnis bildet, ist der Strafprozeßordnung nicht fremd und liegt bereits dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens oder Haftentscheidungen zugrunde (BGHSt 43, 195, 206 ff.).
Das Landgericht hat sich in diesem Sinne ausweislich der Urteilsgründe und ausweislich der dienstlichen Erklärungen der verfahrensbeteiligten Richter und Staatsanwälte und der Ausführungen der Verteidigung weder in den Vorbesprechungen vor der Hauptverhandlung noch in der Hauptverhandlung auf eine Strafe festgelegt. Vielmehr hat es - in zulässiger Weise unter Einbeziehung der Schöffen und in öffentlicher Hauptverhandlung - für die Verfahrensbeteiligten erkennbar eine Strafobergrenze bekannt gegeben, die es im Falle des Eintritts bestimmter Bedingungen nicht überschreiten wollte. Die Bedingungen waren ein glaubhaftes - vom Gericht in der Beweisaufnahme überprüftes - Geständnis des Angeklagten, Angaben zur Bemessung der Tagessatzhöhe und eine Überprüfung des Umfangs der Aufklärungshilfe des Angeklagten in der Beweisaufnahme. Schon aufgrund dieser Bedingungen - insbesondere der Überprüfung der Aufklärungshilfe - war für alle Verfahrensbeteiligten deutlich, daß das Landgericht mit der Mitteilung der Straferwartung sich nicht rechtswidrig festlegen wollte und nicht festgelegt hat.
2. Das Landgericht ist vom richtigen Strafrahmen des § 373 Abs. 1 AO (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) ausgegangen und hat rechtsfehlerfrei einen besonders schweren Fall im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO abgelehnt. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht das Vorliegen des Regelbeispiels in § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO verneint, weil die Täter nur mit schriftlichen Lügen, nicht aber mit gefälschten Urkunden gearbeitet hätten (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 4. Aufl. § 370 Rdn. 274). Mit ebenso zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht zwar das Vorliegen des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO bejaht, da der Angeklagte Steuern in großem Ausmaß (in jedem Einzelfall ein Steuerschaden im Millionenbereich) hinterzogen und grob eigennützig (hohe persönliche Gewinne, Anzahl der Hinterziehungsfälle) gehandelt hat (vgl. Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 4. Aufl. § 370 Rdn. 268 ff.). Die indizielle Bedeutung eines Regelbeispiels gemäß § 370 Abs. 3 AO für das Vorliegen eines besonders schweren Falles kann jedoch durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden, mit der Folge, daß das Landgericht grundsätzlich nicht gehindert war, auf den Strafrahmen des § 373 Abs. 1 AO zurückzugreifen (BGHR StGB § 176 Abs. 3 Strafrahmenwahl 7; BGHR WaffG § 52a Strafzumessung 1, BGH wistra 1993, 297). Auch halten die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen besonders schweren Fall außerhalb der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO verneint hat, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafkammer hat die in diesem Zusammenhang erforderliche Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit vorgenommen. Sie hat bei ihrer Prüfung die in Betracht kommenden erschwerenden Umstände (Schadenshöhe, erhebliche kriminelle Energie, Gefährlichkeit) gesehen, gewürdigt und mit den für den Angeklagten sprechenden Tatsachen (insbesondere das Geständnis, ohne das der Angeklagte in acht der zwölf Fälle nicht hätte überführt werden können; die umfangreiche Aufklärungshilfe des Angeklagten nicht nur in den angeklagten Schmuggelfällen, eine Aufklärungshilfe, die zur Aufklärung und Aufhellung mafiöser Strukturen in Osteuropa beigetragen hat - vgl. auch Art. 5 der Kronzeugenregelung, BGBl. 1 1996, S. 58 -; die Lebensgefahr, in der sich der Angeklagte und seine Familie als Folge seiner Mithilfe befindet; seine erklärte Bereitschaft, den entstandenen Steuerschaden zumindest teilweise auszugleichen) abgewogen. Die Wertung, für die Anwendung des verschärften Strafrahmens sei kein Raum, da die Strafmilderungsgründe überwögen, liegt im Rahmen des Spielraums, der dem Tatrichter eingeräumt ist.
3. Das Landgericht durfte neben der Gesamtfreiheitsstrafe eine Gesamtgeldstrafe verhängen.
a) Die Voraussetzungen des § 41 StGB lagen vor. Der Angeklagte hat sich durch die zwölf Schmuggeltaten bereichert. Die Wertung des Tatgerichts, die Verhängung der Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe sei unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten angebracht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat zutreffend bei dem Ausspruch der kumulativen Geldstrafe auf alle sonstigen Strafzumessungserwägungen Bedacht genommen. Es hat festgestellt, daß der Angeklagte Einkommen hat und somit der Ausspruch der gesonderten Geldstrafe seine Resozialisierung nicht gefährdet. Es liegt im Rahmen tatrichterlichen Ermessens, wenn das Landgericht es nach Art von Delikt und Täter für angemessen hält, den Angeklagten nicht nur an der Freiheit, sondern auch am Vermögen zu bestrafen.
b) Die Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht - wie die Revision meint - damit den Zweck verfolgt habe, die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, die nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können, zu vermeiden.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der das Bestreben, dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu führen darf, daß die schuldangemessene Strafe unterschritten wird, hindert den Tatrichter nicht daran, pflichtgemäß zu prüfen, ob - insbesondere im Hinblick auf die von der Strafe ausgehende Wirkung für das künftige Leben des Täters -eine Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, in Verbindung mit einer anderen Sanktion, insbesondere einer Geldstrafe oder Vermögensstrafe, noch schuldangemessen ist. Der Tatrichter darf Freiheitsstrafe und Geldstrafe so miteinander verbinden, daß die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe zusammen das Maß des Schuldangemessenen erreichen (BGHSt 32, 60, 66). Das gilt auch dann, wenn ohne die zusätzliche Geldstrafe eine nicht mehr aussetzbare Freiheitsstrafe erforderlich würde. Die Bildung einer Gesamtsanktion aus einer zusätzlichen Geldstrafe und einer wegen der Geldstrafe kürzeren Freiheitsstrafe darf lediglich nicht dazu führen, daß diese Gesamtsanktion nicht mehr geeignet ist, den Angeklagten und die Rechtsgemeinschaft zu beeindrucken (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 34).
Der Senat besorgt nicht, daß das Landgericht diese Grundsätze verkannt haben könnte.
4. Die gegen den Angeklagten jeweils verhängten Einzelstrafen von sieben Monaten Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, jeweils kombiniert mit Geldstrafen von 90 bis 150 Tagessätzen, sind - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von drei Monaten bis fünf Jahren auch nicht unvertretbar niedrig.
a) Die ausgeworfenen Einzelstrafen, aber auch die Gesamtstrafe haben sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Das Landgericht hat die fast einmaligen Besonderheiten des Falles ausführlich dargestellt, ist aufgrund des umfassenden Geständnisses und der erweiterten tätigen Reue des Angeklagten, seiner Stellung quasi als Kronzeuge, zu einer besonders gewichtigen Strafmilderung gelangt. Diese Strafzumessungserwägungen liegen im Rahmen tatrichterlichen Ermessens; sie lassen die ausgesprochenen Einzelstrafen und die ausgeworfene Gesamtstrafe nicht unvertretbar niedrig erscheinen. Dies gilt um so mehr, als die Beschwerdeführerin selbst eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten bis zu vier Jahren (ohne zusätzliche Geldstrafe) für schuldangemessen erachtet.
b) Dem steht nicht entgegen, daß die Strafkammer den Angeklagten nicht wegen einer materiellen Tat, sondern wegen zwölf Taten verurteilt hat. Entgegen der Auffassung der Revision müssen sich aus der Änderung der rechtlichen Bewertung der Konkurrenzfrage keine "erheblichen Veränderungen bei der Strafzumessung ergeben". Der Schuldumfang ist nämlich derselbe, unabhängig davon ob das Geschehen rechtlich als eine Tat oder aber als mehrere Taten im rechtlichen Sinne begriffen wird.
5. Die Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung ist ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat nach einer Gesamtabwägung rechtsfehlerfrei eine günstige Sozialprognose gestellt und das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB bejaht. Es hat sich zwar nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB). Dies ist hier aus Rechtsgründen jedoch nicht zu beanstanden.
Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müßte und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Eine Erörterung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe gebietet, ist nur dann unerläßlich, wenn die aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen dies nahelegen (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15). Das ist hier wegen der vom Landgericht dargelegten Besonderheiten nicht der Fall.
Externe Fundstellen: NStZ 1999, 571; StV 1999, 424
Bearbeiter: Karsten Gaede