HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 604
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 73/03, Urteil v. 13.05.2004, HRRS 2004 Nr. 604
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. Dezember 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
III. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die drei Angeklagten jeweils wegen gemeinschaftlicher Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren - vom Generalbundesanwalt vertretenen und zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten - Revisionen mit der Sachrüge allein den Rechtsfolgenausspruch. Alle Rechtsmittel haben Erfolg.
Das Landgericht hat jeweils ein Vergehen der Untreue darin gesehen, daß die Angeklagten als Mitglieder des Vorstands der B V V - AG (BVV AG) Gelder ihrer beiden ostdeutschen Tochtergesellschaften in den - dann später in Konkurs gefallenen - Konzernverbund überführt haben.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war die B V AG (BV AG) ein Werftenverbund mit dem Schwerpunkt Schiffbau. Im Jahr 1992 erfolgte eine Umstrukturierung, in deren Gefolge die B V AG ihre operativen Funktionen aufgab und in die B V V AG umfirmierte.
Der Angeklagte Dr. H war von 1987 bis zum 15. November 1995 zunächst Vorsitzender des Vorstands der BV AG sowie dann der BVV AG. Der Angeklagte Sc war als Mitglied des Vorstands der BVV AG ab Ende 1993 für das Ressort Controlling, der Angeklagte Sm ab August 1993 als Mitglied des Vorstands der BVV AG für den Bereich Schiffbau und später (ab September 1995) auch für den Bereich Finanzen zuständig.
Ab 1991 verhandelte die BV AG mit der Treuhandanstalt über den Erwerb ostdeutscher Werften. Tatsächlich ging es um zwei Werften aus dem D M - und Sch . Nach der Privatisierung der ostdeutschen Werftindustrie sollten aus dem ehemaligen Kombinat die M W in Wismar (MTW) und die V in Stralsund (VWS) herausgelöst und an die BV AG veräußert werden. Eigner der beiden Werften war letztlich - über ein zwischengeschaltetes Konstrukt von Beteiligungsgesellschaften - die Treuhandanstalt, der als einer dem Bundesminister der Finanzen unterstellten Anstalt des öffentlichen Rechts die Aufgabe zukam, die ostdeutschen Betriebe zu privatisieren.
Der Angeklagte Dr. H war von Anfang an in die Verhandlungen mit der Treuhandanstalt einbezogen. Die Treuhandanstalt verfolgte bei den Privatisierungsverhandlungen das Ziel, Arbeitsplätze zu sichern und an den Standorten moderne konkurrenzfähige Werften entstehen zu lassen.
Nachdem sich weitere Interessenten zurückgezogen hatten, wurden die Verhandlungen über einen Erwerb mit der BV AG intensiviert, wobei auch eine Reihe externer Berater hinzugezogen wurde. Am 11. August 1992 kam es dann zum Verkauf der MTW, am 18. Februar 1993 zum Verkauf der VWS. Beide Ostwerften waren zu diesem Zeitpunkt jeweils als GmbH im Handelsregister eingetragen.
Mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 11. August 1992 (KAV) wurden die Geschäftsanteile der MTW an die BV AG übertragen. Als Erwerberin übernahm die BV AG dabei eine Garantie, 3110 Arbeitsplätze bis 31. Dezember 1995 zu sichern (§ 9.2 KAV) und bis dahin die Werft nicht stillzulegen (§ 10 KAV). Darüber hinaus sollten näher beschriebene Investitionen im Umfang von etwa 560 Mio. DM in das Anlagevermögen erfolgen (§ 8 KAV), wobei Modifikationen der geplanten Vorhaben bei Einhaltung der Wertgrenze zulässig sein sollten. Die Treuhandanstalt verpflichtete sich in dem Vertrag außer zum Ausgleich von Altkrediten auch zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von 680 Mio. DM. In dem Gesamtausgleichsbetrag war ein Investitionszuschuß in Höhe von 340 Mio. DM enthalten. Weiterhin sollten durch den - in drei Raten bis Ende 1993 zu erbringenden - Gesamtausgleichsbetrag drohende Verluste aus laufenden Geschäften (nicht kostendeckende Schiffbauverträge), die Kosten für einen als erforderlich angesehenen Personalabbau (Sozialpläne) und für weitere erwartete Einbußen abgegolten werden (§ 5 KAV).
Mit notariell beurkundetem Kauf- und Übertragungsvertrag (KÜV) vom 18. Februar 1993 erwarben zwei Gesellschaften, an denen die - mittlerweile umfirmierte - BVV AG maßgeblich beteiligt war, die Geschäftsanteile der VWS. Auch in diesem Vertrag übernahmen die Erwerber die Garantie für den Erhalt von mindestens 2200 Arbeitsplätzen (§ 11 KÜV) und sicherten den Bestand der Werft bis Ende 1997 zu (§ 12.3 KÜV). Die Käufer verpflichteten sich zu Investitionen bis 2005 in Höhe von insgesamt 640 Mio. DM in das Anlagevermögen (§ 10.1 KÜV). Daneben sah dieser Vertrag - anders als der KAV - eine Verpflichtung der Käufer vor, die Volkswerft als eigenes Profitcenter zu führen und die der Volkswerft zugedachten Beihilfen ausschließlich für diese zu verwenden (§ 12.2 KÜV). Die Treuhandanstalt verpflichtete sich in der Vereinbarung zu einer Entschuldung von Altkrediten und zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von 585 Mio. DM. Neben einer Kompensation für drohende Verluste aus laufenden Geschäften und personellen Umstrukturierungen enthielt dieser Betrag auch einen Investitionszuschuß in Höhe von 380 Mio. DM (§ 4 KÜV). Weiterhin begründete der Vertrag auch Einstandspflichten der Treuhandanstalt für Forderungen gegen andere ehemals kombinatsabhängige Unternehmenseinheiten. Im Laufe des Jahres 1994 erwarb die H H , eine Tochter der BVV AG, 89 % der Anteile an der VWS; 11 % der Anteile hielt die Stadt Stralsund.
Beide Verträge (KAV und KÜV) sahen einen Genehmigungsvorbehalt im Hinblick auf die Zustimmung der Europäischen Kommission vor. Diese legte Wert darauf, daß keine sogenannten Spill over Effekte eintreten würden, sich also die Beihilfeleistungen der Treuhandanstalt nicht zugleich als Subventionen für die im Westen gelegenen Betriebsstätten der BVV AG auswirken würden. Um dem Anliegen der Kommission Rechnung zu tragen, einigte man sich darauf, daß vierteljährlich entsprechende "Spill over Berichte" zu fertigen seien, die zudem von einem Wirtschaftsprüfer einmal jährlich testiert werden mußten. In der Folgezeit wurden entsprechende Berichte dann auch durch die beiden Ostwerften vorgelegt.
Die BVV AG befand sich - bedingt durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Schiffbau - seit 1992 ständig in einer angespannten finanziellen Situation. Um die Liquiditätsstruktur innerhalb des Konzerns zu optimieren, war ein zentrales Cash-Management-System in der Planung. Dadurch sollten zunächst Finanzüberhänge innerhalb des Konzerns genutzt und so die Aufnahme von Bankkrediten reduziert werden. Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses im Herbst 1992 wurde ein zentrales automatisches Cash-Management für sämtliche Tochtergesellschaften eingeführt. Dieses richtete die BVV AG aufgrund eines auch mit der Commerzbank als Hausbank geschlossenen Vertrages im Herbst 1993 zunächst nur unter den westdeutschen Tochterunternehmen ein, während die MTW und VWS nicht einbezogen waren. Danach wurde bei der BVV AG ein Zielkonto gebildet, auf das von den Konten der Tochterunternehmen Guthaben automatisch abgebucht wurden. Gleichzeitig erfolgte von dem Zielkonto ein Ausgleich entsprechender Debetsalden der Tochterunternehmen.
Die beiden Ostwerften verfügten auch aufgrund der erhaltenen Leistungen über erhebliche Liquiditätsreserven. Zunächst wurden freie Gelder der MTW als Festgeldanlage an den Treasury der BVV AG ausgereicht. Die Treuhandanstalt, die von der Anlage dieser Gelder im Treasury Kenntnis erlangt hatte, stimmte der Ausleihung der Gelder unter der Bedingung zu, daß ihre jederzeitige Rückzahlbarkeit gesichert sein mußte. Die Gelder wurden zum 31. März 1994 vereinbarungsgemäß zurückgeführt. Gleiches gilt auch für eine - wesentlich geringere - Anlage der VWS im Treasury. Das Jahr 1993 hatte den höchsten Verlust der Konzerngeschichte erbracht; die Banken kürzten die Kreditlinien. Im Verlauf des Jahres 1994 wurde die Liquidität im Konzern zunehmend schwächer. Bereits am 5. April 1994 überwies die MTW 70 Mio. DM, am 8. April 1994 weitere 40 Mio. DM als Festgeld an die BVV AG. Nach der Freigabe eines erheblichen Betrages durch die EU-Kommission legte die MTW im Mai 1994 zusätzlich 220 Mio. DM bei der BVV AG an.
Nachdem sich eine zunächst ins Auge gefaßte Kapitalerhöhung nicht realisieren ließ, beschloß der Vorstand in seiner Sitzung Mitte Juli 1994 ein Sanierungskonzept, das auch die Veräußerung von Firmenanteilen vorsah. Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Finanzplanung sollten nun die bislang hiervon ausgenommenen Ostwerften in das automatische Cash-Management-System einbezogen werden. Nach internen Unstimmigkeiten innerhalb der Konzernführung wies schließlich der Vorstand der BVV AG die MTW an, sich an dem Cash-Management-System zu beteiligen. Daraufhin kam es im September 1994 zu einer Vereinbarung, welche die MTW verpflichtete, freie Mittel auf das bei der Commerzbank geführte Konto zu übertragen, über das automatisch eine Saldenkonzentration innerhalb des Konzerns bewirkt wurde. Von Seiten der VWS wurde zunächst hinhalten der Widerstand gegen eine Einbeziehung in das Cash-Management-System geleistet. Aufgrund einer Gesellschafterweisung trat schließlich auch die VWS dem Cash-Management-System bei.
Nach anfänglichen Erfolgen bei der finanziellen Konsolidierung des Gesamtkonzerns gab es im Verlauf des Jahres 1995 weitere Rückschläge wegen Forderungsausfällen und der nicht kostendeckenden Fertigstellung von Schiffbauvorhaben. Die Sanierungsvorhaben scheiterten ebenso wie die in Aussicht genommene Veräußerung von steuerlichen Verlustvorträgen in der Gesamthöhe von etwa 3 Mrd. DM. Den Angeklagten war die sich verschärfende wirtschaftliche Situation und insbesondere die dramatische Liquiditätslage bekannt. Dies war Gegenstand einer Vorstandssitzung am 7. August 1995, die - unter Einbeziehung des Aufsichtsrats - in der Folgezeit zu Bemühungen führte, weitere Kredite zu erlangen. Ende August 1995 kam es zur Vereinbarung eines Konsortialkredits in Höhe von insgesamt 300 Mio. DM, an dem mehrere Banken beteiligt waren. Als Sicherheiten wurden die wesentlichen im Konzern noch vorhandenen freien Vermögenswerte verpfändet. Die VWS nahm dabei auf Geheiß der Konzernmutter aus dem Gesamtkredit ein Teildarlehen in Höhe von 68 Mio. DM auf. In seiner Sitzung im September 1995 billigte der Aufsichtsrat die Kreditaufnahme. Zugleich entband er auf dessen Anerbieten den Angeklagten Dr. H von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender, wobei dieser das Amt kommissarisch weiterführen sollte, bis ein Nachfolger gefunden sei.
Trotz des Konsortialkredits kam es im Herbst 1995 zu einer weiteren Verschlechterung der Liquiditätssituation der BVV AG. Diese wurde unter anderem auch durch negative Meldungen in den Medien über die Finanzsituation des Gesamtkonzerns ausgelöst, weil nunmehr etliche Zulieferer nur noch gegen Vorkasse lieferten. Noch im Oktober 1995 wurden von der EU-Kommission aus dem Gesamtausgleichsbetrag 194 Mio. DM freigegeben, die auf Konten der MTW ausgezahlt wurden und sofort in das Cash-Management-System einflossen. Zugleich nahm die MTW auf Veranlassung der Konzernleitung einen sogenannten Bauzeitenkredit in Höhe von 80 Mio. DM auf.
Der Aufsichtsrat beschloß aufgrund der anhaltenden schwierigen finanziellen Situation in seiner Sitzung vom 15. November 1995 die sofortige Entbindung des Angeklagten Dr. H von seinen Pflichten als Vorstandsvorsitzender und übertrug zugleich diese Funktion dem Angeklagten Sm . Ende 1995 kam es durch die Commerzbank und das Land Bremen zu einer neuerlichen Kreditvergabe von über 384 Mio. DM. Im Dezember 1995 traten erneut Liquiditätslücken auf. Schließlich verschärfte sich die Situation im Januar 1996 drastisch. Eine Sanierung kam nicht mehr zustande. Am 21. Februar 1996 wurde für die BVV AG ein Vergleichsantrag gestellt. Am 1. Mai 1996 kam es durch das Amtsgericht Bremen zur Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens.
Im Februar 1996 waren Gelder der Ostwerften in erheblichem Umfang im Gesamtkonzern angelegt oder - als Transferleistungen im Cash-Management-System - von anderen Tochterunternehmen beansprucht. So flossen bei der MTW insgesamt etwa 590 Mio. DM auf diese Weise ab; bei der VWS, die bis zum 31. Dezember 1995 nur noch das Cash-Management-System bediente und keine Festgeldanlagen mehr unterhielt, betrug dieser Betrag etwa 260 Mio. DM. Anfang 1996 schieden die beiden Ostwerften aus dem Cash-Management-System aus. Bemühungen der aus der Treuhandanstalt hervorgegangenen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), die Festgeldanlagen zurückzuerlangen, scheiterten ebenso wie die Versuche, die Einlagen im Cash-Management-System nachträglich besichern zu lassen. Die Ausfälle von MTW und VWS wurden im Konkurs der BVV AG zur Konkurstabelle anerkannt.
Das Landgericht hat in dem Verhalten der Angeklagten jeweils eine Untreue zum Nachteil der beiden Ostwerften gesehen. Nach Auffassung des Landgerichts traf die Angeklagten als Organe der Muttergesellschaft (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich des Vermögens der beiden Tochtergesellschaften. Aus dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen, die durch massive Unterstützungsleistungen der Treuhandanstalt geprägt seien, ergebe sich, daß die Angeklagten als Organe der Muttergesellschaft sämtliche Vermögenswerte der Ostwerften in diesen Unternehmen hätten belassen müssen. Indem den Ostwerften die finanziellen Mittel durch die Anlage im Treasury entzogen worden seien, hätten die Angeklagten gegen diese Pflicht verstoßen. Dabei soll es nach Meinung des Landgerichts nicht darauf ankommen, ob diese Finanzmittel aus den Gesamtausgleichsbeträgen oder dem übrigen Vermögen der Werften stammen. Die Pflichtverletzung der Angeklagten sei darin zu sehen, daß Vermögenswerte der Ostwerften ungesichert angelegt worden seien. Spätestens ab 30. Juni 1994 seien die Gelder der Ostwerften nicht mehr gesichert gewesen. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt liege ein Nachteil im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vor. Diese Gefährdung habe sich bis zum Konkurs der Muttergesellschaft weiter vertieft, in dem die Tochtergesellschaften nur noch auf eine Konkursquote in Höhe von 5 % hoffen könnten.
Hilfsweise stützt das Landgericht seine Verurteilung auf die Vermögensbetreuungspflicht des beherrschenden Unternehmens. Es nimmt dabei Bezug auf ein im Laufe der Hauptverhandlung ergangenes Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 17. September 2001 - II ZR 178/99), der in dem Zivilverfahren - nur MTW betreffend - eine Haftung von Vorstandsmitgliedern nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs dem Grunde nach für möglich erachtet hat (teilweise abgedruckt in BGHZ 149, 10 ff.).
Das Landgericht hat bei sämtlichen Angeklagten für jede der beiden Taten zu Lasten der MTW und der VWS eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Aus diesen Einzelstrafen hat es jeweils aufgrund des sehr engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei sämtlichen Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Die auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls Erfolg.
Das landgerichtliche Urteil ist auf die Sachrügen der Angeklagten aufzuheben, weil die getroffenen Feststellungen die Verurteilungen wegen Untreue nicht tragen. Die Annahme der Strafkammer, die Verträge über den Kauf der Ostwerften begründeten eine Vermögensbetreuungspflicht der Angeklagten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Eine Vermögensbetreuungspflicht setzt voraus, daß die Angeklagten als Organe der BVV AG aufgrund der jeweiligen Verträge über den Unternehmenskauf der Ostwerften (KAV und KÜV) zur Wahrung von deren Vermögensinteressen verpflichtet waren. Das Landgericht ist durch Auslegung der beiden Verträge zu der Auffassung gelangt, diese begründeten ein Verbot, Vermögenswerte der Ostwerften an die Muttergesellschaft zu übertragen. Dieses Ergebnis hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Seine durch Würdigung der vorhandenen Beweismittel gewonnene Überzeugung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es kann eine solche Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft oder Verstöße gegen Denk- oder Erfahrungssätze aufweist (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGH NStZ 2001, 491, 492; 2002, 48). Die Auslegung von Verträgen ist ein wertender Akt, weil sie unterschiedliche Aspekte in einer richterlichen Feststellung zusammenführt. Deshalb gelten die vorgenannten Grundsätze ebenso für die Würdigung von Erklärungen, Verträgen oder Urkunden durch den Tatrichter. Auch insoweit beschränkt sich die revisionsrichterliche Kontrolle auf die Prüfung, ob ein Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln vorliegt (BGH NJW 2003, 1821; vgl. auch BGHSt 37, 55, 61; 21, 371, 372).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich folgendes:
Das Landgericht berücksichtigt weder zureichend die Rechtslage innerhalb des Konzerns noch entspricht das Ergebnis der allgemein anerkannten Auslegungsregel einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung, durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (vgl. BGHZ 131, 136, 138).
aa) Das Landgericht hat sich insbesondere nicht ausreichend mit den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen auseinandergesetzt. Der Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter sind nämlich grundsätzlich berechtigt, auch formlos der Tochtergesellschaft Vermögenswerte zu entziehen. Die Gesellschaft hat gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf Gewährleistung ihres Bestands. Die Gesellschafter können die Existenz der Gesellschaft - sei es im Rahmen einer freiwilligen Liquidation, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens - beenden (BGHZ 151, 181, 186).
Dieses prägende Prinzip, daß es der Konzernmutter - unter noch zu erörternden Einschränkungen - jedenfalls im Grundsatz möglich sein muß, der Gesellschaft Vermögenswerte zu entziehen, hat der Tatrichter bei seiner Auslegung nicht hinreichend bedacht. Ungeachtet der Frage, ob eine vom Landgericht angenommene umfassende Bindung sämtlicher Vermögenswerte der Ostwerften überhaupt zulässig sein könnte, hat es dabei ersichtlich übersehen, daß es sich bei der Auslegung der Verträge vom aufgezeigten gesetzlichen Leitbild entfernt hat.
bb) Daneben läßt die Auslegung des Landgerichts vertragliche Einzelabreden außer Betracht. Beide Veräußerungsverträge enthielten Regelungen über ein Gewinnbezugsrecht, das mit Wirksamkeit der Anteilsabtretung ab 1. Januar 1992 (§ 2.2 KAV) bzw. ab 1. Januar 1993 (§ 1.4 und § 1.5 KÜV) der Käuferin zustehen sollte. Ein solches ausdrücklich vereinbartes Gewinnbezugsrecht ist mit dem vom Landgericht angenommenen Grundgedanken, sämtliche Vermögenswerte der Ostwerften sollten auch dort verbleiben, nicht vereinbar. Das den Erwerbern zustehende Gewinnbezugsrecht weist vielmehr darauf hin, daß ihnen - und letztlich damit der BVV AG als Konzernmutter - die notwendige unternehmerische Freiheit zugestanden werden sollte, die für die reale Wahrnehmung einer Gewinnchance erforderlich war.
Der notwendige wirtschaftliche Entscheidungsspielraum umfaßte dabei auch das Finanzmanagement des Gesamtkonzerns, das - jedenfalls idealtypisch - für sämtliche Beteiligte zunächst nur Zins- bzw. Liquiditätsvorteile hätte erbringen können. Hierfür sprechen im übrigen auch weitere - vom Landgericht nicht erörterte - Vertragsbestimmungen in den beiden Erwerbsverträgen. Die Veräußerung der beiden Ostwerften an einen relativ großen Konzern, dessen Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich des Schiffbaus lag, erfolgte auch vor dem Hintergrund, Synergieeffekte zu nutzen. Dieser Gesichtspunkt, formuliert als Verpflichtung der BVV AG, alle Synergieeffekte zu nutzen, kommt in beiden Verträgen (§ 10.1 KAV; § 12.1 KÜV) eindeutig zum Ausdruck. Daß vom Willen der Vertragsparteien dabei auch Geldanlagen umfaßt waren, zeigt im übrigen die nachfolgende Entwicklung. Die BvS hatte Kenntnis sowohl von den Geldanlagen als auch von der späteren Einbeziehung der Ostwerften in das Cash-Management-System. Sie hatte hiergegen nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Gefährdung der Anlagen Bedenken, nicht jedoch gegen den Transfer der Gelder an sich. Nur hierauf kann es aber für die Frage der Vertragsauslegung ankommen. Wenn die BvS prinzipiell eine Verlagerung von Vermögenswerten für zulässig hielt, dann spricht dies dafür, daß durch den Vertrag eine solche Praxis nicht generell ausgeschlossen sein sollte; denn die Praxis der Vertragsdurchführung bildet ein gewichtiges Kriterium für die Auslegung des Vertrages (vgl. BGH NJW 2003, 1821, 1822; NJW 1988, 2878, 2879 m.w.N.).
cc) Das Landgericht mißt im Rahmen der Vertragsauslegung den von den Erwerbern übernommenen Pflichten einen nicht mehr interessengerechten Bedeutungsgehalt zu. Sämtliche von der BVV AG bzw. ihren zwischengeschalteten Töchtern übernommenen Sonderpflichten (Fortführungspflicht, Arbeitsplatzgarantie und Investitionsverpflichtung) sind umsetzbar, ohne daß damit eine völlige Bindung des Vermögens der Ostwerften verbunden sein müßte. Zwar sind diese Sonderpflichten vorrangig, weil Konzerninteressen niemals geeignet sein können, die Verletzung vertraglicher Pflichten im Außenverhältnis zu rechtfertigen. Dies erschöpft jedoch die im Rahmen der Vertragsauslegung zu beachtende Bewertung der gegenseitigen Interessen nicht. Ein vom Landgericht angenommenes Verbot des Transfers von Vermögenswerten der Ostwerften ist nämlich keine zwangsläufige Notwendigkeit, um die Erfüllung dieser Pflichten sicherzustellen. Auch hier gilt vielmehr, daß der jeweilige Vertragspartner eigenverantwortlich zu entscheiden hat, wie er diese Pflichten erfüllt. Eine Vertragsauslegung, die das Interesse auch der Erwerberseite angemessen berücksichtigt, dürfte deshalb die unternehmerische Freiheit des Erwerbers nicht weiter einschränken, als dies durch die Art der vertraglichen Pflichten unumgänglich ist.
dd) Schließlich führen auch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Vorlage der "Spill over Berichte" nicht zu einer anderen Betrachtung.
Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob diese Abreden - weil sie jedenfalls von Seiten der BVV AG ohne Anerkennung einer Rechtspflicht jeweils erstellt wurden - überhaupt geeignet waren, die vertraglichen Vereinbarungen zu modifizieren. Die "Spill over Berichte" bezogen sich nämlich allein auf die von der Treuhandanstalt bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin BvS erbrachten Leistungen, die im Ergebnis Subventionen waren. Selbst wenn man insoweit von einer vertraglichen Verpflichtung ausginge, diese Leistungen nur zugunsten der Ostwerften zu verwenden, könnte dies nicht die wesentlich weitergehende Vermögensbindung, von der das Landgericht ausgeht, rechtfertigen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind nämlich - allein schon durch die betragsmäßige Festlegung - Subventionsleistungen und sonstige Vermögenswerte der Ostwerften ohne weiteres trennbar. Wieso dann für die letztgenannten Vermögenswerte ebenfalls ein unbedingtes Transferverbot gelten soll, ist nicht nachvollziehbar. Dies zeigt im übrigen auch die vertragliche Regelung des § 12.2 KÜV. Diese Vorschrift schreibt lediglich fest, daß die Investitionsbeihilfen ausschließlich für die VWS verwendet werden müssen. Diese vertragliche Regelung, die vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt schon bekannten Bedenken der Europäischen Kommission zu möglichen Spill over Effekten zu sehen ist, legt vielmehr den Gegenschluß nahe, daß andere Vermögenswerte an die in den alten Bundesländern gelegenen Konzernteile überführt werden durften.
b) Das Landgericht kann sich für seine Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des 3. Strafsenats vom 20. Mai 1996 (NJW 1997, 66 ff.) stützen. Zwar liegt auch jener Entscheidung ein Vertrag über die Veräußerung eines Treuhandunternehmens zugrunde. Der Bundesgerichtshof findet dort jedoch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB nicht in einer Auslegung des (vergleichbaren) Erwerbsvertrages, sondern in der dominierenden Stellung des Alleingesellschafters, der faktisch das erworbene Unternehmen gelenkt hat.
c) Da sich die vom Landgericht angenommene Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Ostwerften nicht aus den Verträgen herleiten läßt, entfällt die Grundlage für den Schuldspruch wegen Untreue gemäß § 266 StGB:
Das Landgericht hat die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des Treubruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 StGB) aus der vertraglichen Pflichtenbindung hergeleitet. Wenn diese Pflichtenbindung unzutreffend definiert ist, dann setzt sich dieser Mangel zwingend fort in der Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, die letztlich eine gesteigerte Pflichtenbindung aus dem Vertragsverhältnis darstellt (vgl. BGHSt 28, 20, 23 ff.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 23).
2. Eine Treupflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann auch anderweitig aus den Regelungen der Erwerbsverträge nicht hergeleitet werden. Die dort zugesicherten Gesamtausgleichsbeträge (680 Mio. DM - KAV; 585 Mio. DM - KÜV) stellen gleichfalls kein Treugut im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar. Hinsichtlich der im KAV oder KÜV vereinbarten Gesamtausgleichsbeträge ist nach den unterschiedlichen Leistungsarten zu differenzieren, die jeweils in einem einheitlichen Gesamtbetrag zusammengefaßt sind.
a) Soweit Teilbeträge einen Ausgleich für drohende Verluste aus vereinigungsbedingten Verlustgeschäften oder Aufwendungen aus Sozialplänen darstellen sollen, kommen die hierfür angesetzten anteiligen Beträge als Treugut nicht in Betracht. Insoweit bilden diese Beträge einen Ausgleich für bereits eingetretene oder bevorstehende Vermögenseinbußen. Mit ihrer Zahlung sollten die Ostwerften auf einen ausgeglichenen Anfangsstatus gebracht werden, um jedenfalls nicht verschuldet auf den Erwerber überzugehen. Daraus wird auch deutlich, daß damit kein Raum für einen treuhänderischen Umgang der Empfänger mit diesen Geldern bestand. Mit dem Eingang der Zahlung war der eingetretene oder bereits bilanziell eingestellte Verlust rechnerisch ausgeglichen. Eine irgendwie geartete Sonderverpflichtung an diesen ins allgemeine Firmenvermögen eingeflossenen Zahlungen ist nicht erkennbar.
b) Eine privatrechtliche Bindung besteht unzweifelhaft hinsichtlich der Anteile in dem Gesamtausgleichsbetrag, die als Investitionsbeihilfen ausgewiesen sind. Beide Verträge enthalten feste Höchstbeträge für einen Investitionszuschuß (340 Mio. DM - § 5 I.1.h KAV; 380 Mio. DM - § 4.2.6 KÜV).
Diese Zusicherungen waren jeweils an eine Investitionsverpflichtung ins Anlagevermögen gekoppelt, die in den Anlagen zu beiden Verträgen näher spezifiziert war. Ihrem Charakter nach waren diese Investitionsbeihilfen Subventionen, die auszuzahlen waren, soweit die Ostwerften die in den Vertragsanlagen beschriebenen Leistungen erbracht hatten. Die Käufer verpflichteten sich dabei in den Erwerbsverträgen, die Werften zu veranlassen, den aufgeführten Investitionen nachzukommen. Solche Investitionspflichten, die mit Förderleistungen bezuschußt werden, stellen zwar zweifelsfrei vertragliche Pflichten dar. Dies bedeutet indes nicht, daß diese bloß vertraglichen Pflichten notwendig gleichzeitig eine spezifische Treupflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB beinhalten, die darauf gerichtet sein muß, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen.
aa) Der Bundesgerichtshof hat eine solche besondere Pflichtenstellung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bei Subventionen grundsätzlich verneint. Der Empfänger solcher staatlichen Leistungen nehme durch die Zuwendung noch nicht Vermögensinteressen der öffentlichen Hand wahr. Diesem fehle im allgemeinen eine besondere, enge Beziehung zu den staatlichen Vermögensinteressen. Die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der öffentlichen Hand obliege vielmehr den Amtsträgern oder solchen Personen, denen der Staat die Zuteilung übertragen hat (BGH LM StGB § 266 Nr. 16; BGHZ 149, 10, 23). Dem letzten Empfänger der staatlichen Gelder fehle danach diese enge Beziehung zu den staatlichen Vermögensinteressen; deren Wahrung sei für ihn nicht die wesentliche Verpflichtung, die ihm aus seinem mit dem Staat abgeschlossenen Rechtsgeschäft erwachse, es sei denn, daß besondere Umstände vorlägen (BGH LM aaO).
Zwar erwägt der II. Zivilsenat hinsichtlich der Investitionsbeihilfen dann eine gesteigerte Vermögensbetreuungspflicht, wenn die zweckgerichtete Verwendung der Subventionsmittel die wesentliche Pflicht aus dem mit der öffentlichen Hand geschlossenen Vertrag ist (BGHZ 149, 10, 24). Danach soll im Blick auf die besondere Bedeutung des Fortbestands der Werften hier eine gesteigerte Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB anzunehmen sein. Dies bleibt im Ergebnis jedoch offen, weil nach der vertraglichen Ausgestaltung diese Pflicht nicht die BVV AG betraf, sondern MTW selbst.
bb) Eine Treupflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB liegt bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht vor.
(1) Eine Treupflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB setzt regelmäßig ein Rechtsverhältnis voraus, das auf die Betreuung fremder Vermögensangelegenheiten gerichtet ist (vgl. BGH NJW 1983, 461; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16). Eine solche Treuebeziehung wird sich prinzipiell bei fremdnützigen Schuldverhältnissen ergeben. Deshalb wird die Treupflicht auch als "fremdnützig typisiertes Schuldverhältnis" verstanden (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 23a). Es wird sogar verlangt, daß die Treupflicht eine Art Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (vgl. BGH GA 1977, 18, 19).
Anders ist es beim Subventionsempfänger. Dieser wird nicht fremdnützig tätig. Vielmehr wird nach der Zielsetzung der Subventionsleistung die eigene Wertschöpfung des Empfängers gefördert. Insoweit nimmt er kein fremdes, sondern letztlich ein eigenes Geschäft wahr. Damit unterscheidet sich der Subventionsempfänger grundlegend von der Person des über die Subventionsgewährung entscheidenden Amtsträgers. Dieser steht nach ständiger Rechtsprechung in einem Treueverhältnis, weil er über die Mittelvergabe als staatliche Aufgabe entscheidet. Deshalb nimmt er - anders als der Empfänger der Subvention - eine fremde Aufgabe wahr (BGH NJW 2003, 2179; 2001, 2411).
(2) Die vorliegende Sachverhaltsgestaltung legt es auch nicht nahe, einen besonderen Ausnahmefall anzunehmen, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einzelfall eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen könnte. Da sich die Treupflicht grundsätzlich auf ein fremdes Geschäft bezieht, kommt bei dem Subventionsempfänger die Annahme einer Treupflicht ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn er zugleich Vermögensinteressen seines Treugebers zu beachten hat (vgl. BGH GA 1977, 18, 19). Dies kann dann der Fall sein, wenn der Subventionsgeber an dem subventionierten Objekt eigene finanzielle Interessen verfolgt, etwa im Sinne einer Beteiligung an dort zu erwartenden Einnahmen.
Das vom II. Zivilsenat in der genannten Entscheidung in den Vordergrund gestellte Wesentlichkeitselement liefe letztlich darauf hinaus, eine Subvention nach ihrer Größenordnung und wirtschaftlichen Bedeutung zu beurteilen. Inwieweit ein Subventionsziel aus sozial-, kultur- oder wirtschaftspolitischen Gründen mehr oder weniger bedeutsam ist, erscheint jedoch für die Frage von untergeordneter Bedeutung, ob die Subventionsgewährung fremdnützige Elemente aufweist.
Im vorliegenden Fall sind solche Gesichtspunkte auch nicht ersichtlich. Die Förderung der Ostwerften erfolgte allein aus wirtschafts- und strukturpolitischen Überlegungen, was sich schon daraus ergibt, daß die Gewinnbezugsrechte ausschließlich den Anteilserwerbern zustehen sollten. Ein Interesse an konkreten Investitionsmaßnahmen ist gleichfalls nicht erkennbar. Zwar sahen § 8.1 KAV und § 10.1 KÜV konkrete Investitionsmaßnahmen vor. Mit diesen verfolgte die Treuhand aber keine über den allgemeinen Vertragszweck - die Herstellung der Lebensfähigkeit der Werften - hinausgehende Ziele. Den Unternehmen war es vielmehr sogar ausdrücklich gestattet, die in der Anlage vorgesehenen Maßnahmen im Einzelfall auszutauschen und durch wertmäßig gleichartige zu ersetzen (§ 10.1 KÜV; § 8.1 KAV).
(3) Eine Strafbarkeitslücke entsteht hierdurch nicht. Die zweckwidrige Verwendung einer Subvention ist pönalisiert durch die Strafbestimmung des § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zwar ist diese Vorschrift erst durch das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz - EGFinSchG) vom 10. September 1998 (BGBl II 2322) am 22. September 1998 in Kraft getreten und erfaßt mithin die hier zu beurteilenden Tathandlungen nicht mehr. Die Gesetzesnovellierung offenbart jedoch, daß der Gesetzgeber - vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - eine zweckwidrige Verwendung von Subventionsleistungen grundsätzlich nicht als Untreue gemäß § 266 StGB angesehen hat. Anderenfalls hätte es einer Neuregelung nicht bedurft (vgl. BT-Drucks. 13/10425, S. 6).
3. Nach den bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts kommt allerdings in Betracht, daß eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt eines existenzgefährdenden Eingriffs gegeben sein könnte.
a) Den Angeklagten als Organen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) der Alleingesellschafterin BVV AG kann nämlich gegenüber dem beherrschten Unternehmen insoweit eine Treupflicht zukommen, als sie dem beherrschten Unternehmen nicht Vermögenswerte in einem Umfang entziehen durften, welcher die Existenzfähigkeit des Unternehmens gefährdete.
aa) Allerdings können der Gesellschaft mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Deshalb sind solche Verfügungen, die in Übereinstimmung mit dem Vermögensinhaber erfolgen, grundsätzlich nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB (vgl. BGHZ 151, 181, 186 f.; BGH wistra 2003, 344, 346 f.; NJW 2003, 2996, 2998). In der zivil- wie auch strafgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, daß es Fallkonstellationen gibt, in denen der Geschäftsführer als der für das Vermögen einer Gesellschaft Treupflichtige seine Pflichten nach § 266 Abs. 1 StGB auch dann verletzt, wenn er mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter handelt. Insoweit gibt es einen Bereich, der einer Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter entzogen ist, weil Interessen anderer oder öffentliche Interessen berührt sind. Der Zweck einer Kapitalgesellschaft erschöpft sich nämlich nicht in einer bloßen Vermögensanlage für die Gesellschafter. Jedenfalls wenn die Gesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen hat, handelt sie unter eigener Rechtspersönlichkeit als Wirtschaftssubjekt im Geschäftsverkehr und wird Träger von Rechten und Pflichten. Dies läßt gleichzeitig Schutzerfordernisse entstehen, die sicherstellen, daß die Gesellschaft die Essentialien einhält, die für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufs unerläßlich sind und auf die der Rechtsverkehr vertrauen können muß. Dementsprechend hat die Rechtsprechung eine Vermögensverfügung dann gegenüber der Gesellschaft als treuwidrig und wirkungslos angesehen, wenn die Verfügung geeignet ist, das Stammkapital der Gesellschaft zu beeinträchtigen (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2003, 2996, 2998; 1997, 66, 68 f.; jeweils m.w.N.). Gleiches gilt, wenn durch die Vermögensverfügung eine konkrete und unmittelbare Existenzgefährdung einträte, weil der GmbH ihre Produktionsgrundlagen entzogen würden oder ihre Liquidität gefährdet wäre (BGH aaO; vgl. BGH wistra 2003, 344, 346 f.).
bb) Eine entsprechende Pflicht, die Gesellschaft nicht existenzbedrohend zu beeinträchtigen, trifft nicht nur den Geschäftsführer als das vertretungsberechtigte Organ, sondern in gleicher Weise den beherrschenden Alleingesellschafter (vgl. BGHZ 149, 10, 17 f.). Den Gesellschaftern steht innerhalb wie außerhalb der Liquidation nur der Zugriff auf den zur Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht benötigten Überschuß zu. Das System der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung beruht auf der unausgesprochenen, für das Recht der Kapitalgesellschaft jedoch grundlegenden Voraussetzung, daß das Gesellschaftsvermögen das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, in der Gesellschaft zum Zweck der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben muß und damit der - im Recht der GmbH im übrigen sehr weitgehenden - Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist (BGHZ 151, 181, 186 f.). Es ist ihnen nicht erlaubt, der Gesellschaft Vermögen zu entziehen, das sie für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.
cc) Aufgrund dieser Pflichtenstellung der Alleingesellschafterin hat der II. Zivilsenat in dem parallelen Zivilverfahren eine gegen die Gesellschafterin persönlich gerichtete Ausfallhaftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs bejaht (vgl. BGHZ 149, 10, 17 f.). Als Alleingesellschafterin treffe die BVV AG nämlich die Pflicht, das Vermögen von MTW insoweit zu betreuen, als sie bei ihren Dispositionen über Vermögenswerte der MTW durch angemessene Rücksichtnahme auf deren Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, darauf zu achten hatte, daß sie die Existenz der MTW nicht gefährdete (BGH aaO). Dabei lehnt sich der II. Zivilsenat an die strafrechtliche Judikatur (BGHSt 35, 333 = NJW 1989, 112) an, die zu den - oben aufgezeigten - Grenzen der Verfügungsbefugnis des Gesellschafters entwickelt wurde. Aus zivilrechtlicher Sicht begründet diese Rechtsprechung eine Ausfallhaftung des in diesem Sinne rechtswidrig handelnden Alleingesellschafters gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft; sie greift dabei aber auf die anerkannten Grenzen der Verfügungsbefugnis des Alleingesellschafters zurück. Dies verdeutlichen auch die später ergangenen Entscheidungen (BGHZ 150, 61 ff.; 151, 181 ff.), in denen das Rechtsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs weiter entwickelt wurde (vgl. Benecke BB 2003, 1190 ff.).
Soweit dabei in der strafgerichtlichen Entscheidungspraxis der Begriff des existenzgefährdenden Eingriffs verwandt wird (vgl. BGH wistra 2003, 344, 346; NJW 2003, 2996, 2998), bedeutet dies keinen wesentlichen Unterschied in den Anwendungsvoraussetzungen. Die terminologische Abweichung erklärt sich vielmehr daraus, daß für den strafrechtlichen Schadens- oder Nachteilsbegriff die schadensgleiche Gefährdung ausreicht (vgl. BGHSt 44, 376, 384 ff. m.w.N.), während im Zivilrecht der Gefährdungsgedanke in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Hat sich die Gefahr nämlich letztlich dann doch nicht verwirklicht, besteht zivilrechtlich kein ausgleichsfähiger Schaden.
dd) Jedenfalls bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation kann die den Alleingesellschafter gegenüber der Gesellschaft obliegende Pflicht, ihr das zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten erforderliche Kapital zu belassen, auch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen. Der Senat kann dabei offenlassen, ob allein die gebotene Rücksichtnahme des Alleingesellschafters auf das Eigeninteresse der GmbH schon für die Erfüllung des Treuebruchtatbestandes ausreichen kann (so BGHZ 149, 10, 17 f.). Insoweit könnte fraglich sein, inwieweit diese Pflicht schon die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen betrifft oder nicht vielmehr nur die Schranke eigener Dispositionsfreiheit aufzeigt.
Der vorliegende Fall weist nämlich folgende Besonderheit auf, die jedenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht begründete. Die Vermögenswerte der Ostwerften befanden sich innerhalb des Konzerns. Diese standen entweder als Festgeldanlagen dem Konzern bzw. seinen Tochtergesellschaften zur Verfügung oder waren in das Cash-Management-System einbezogen, was materiell die Gewährung eines Darlehens bedeutete (vgl. Burgard, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, 2002, S. 48 f.). Damit befanden sich die Gelder in der ausschließlichen Einflußsphäre des Konzerns. Insoweit war die BVV AG, die als Alleingesellschafterin über die Gelder nur in den oben gesteckten Schranken verfügen durfte, rechtlich gehalten, eine andauernde Sicherung der Gelder zu gewährleisten.
Jedenfalls in dieser Sachverhaltsgestaltung kommt die besondere, auf die Wahrung fremder Vermögensinteressen gerichtete Betreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zum Ausdruck. Zwar ist die Errichtung eines entsprechenden Cash-Management-Systems nicht an sich pflichtwidrig. Werden automatisch ohne Rücksicht auf bestehende Verbindlichkeiten Gelder in dieses System eingespeist, löst dies dann gesteigerte Sicherungspflichten aus, wenn auf diese Weise Vermögenswerte das Unternehmen verlassen und innerhalb des Konzerns transferiert werden (vgl. Vetter, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, S. 94 f.). Erreicht der Vermögenstransfer ein solches Ausmaß, daß die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten des einlegenden Konzernmitglieds im Falle eines Verlusts der Gelder gefährdet wäre, dann trifft die Muttergesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht, die Rückzahlung der Gelder - etwa durch ausreichende Besicherung - zu gewährleisten. Sie hat dann die wirtschaftlichen Eigeninteressen ihrer Tochtergesellschaft (und deren Gläubiger) zu wahren. Diese Pflicht der Konzernmutter wird den Angeklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Mitgliedern des Organs der Muttergesellschaft zugerechnet. Sie haften deshalb strafrechtlich, soweit die von ihnen geleitete Konzernmutter eine ordnungsgemäße Sicherung der Einzahlungen der Tochtergesellschaften VWS und MTW unterlassen hat.
b) Etwaige Untreuehandlungen in Gestalt von jeweils existenzgefährdenden Eingriffen in das Vermögen der Tochtergesellschaften sind von der Anklage erfaßt. Diese schildert im Anklagesatz die tatsächlichen Voraussetzungen der Tatbestandsverwirklichung in dieser Form. Sie weist zudem in der rechtlichen Würdigung ausdrücklich auf diesen Begründungsansatz hin.
Insofern scheidet im vorliegenden Fall ein Freispruch aus. Zwar hat das Landgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob unter diesem Gesichtspunkt eine Strafbarkeit wegen Untreue gegeben wäre. Dies hätte jedoch seiner Kognitionspflicht unterlegen, zumal das Landgericht die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen hat.
c) Es kann hier dahinstehen, ob die bislang getroffenen Feststellungen eine Untreuehandlung unter dem Gesichtspunkt des existenzgefährdenden Eingriffs tragen könnten. Dem Senat ist bei der hier gegebenen Verfahrenskonstellation jedenfalls eine Durchentscheidung zum Schuldspruch verschlossen.
Dies ergibt sich aus einer von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge, mit der die Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 StPO gerügt wird.
aa) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Im Blick auf die mittlerweile ergangene Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2001 in dem parallel geführten Zivilverfahren haben die Verteidiger der drei Angeklagten einen rechtlichen Hinweis für den Fall erbeten, daß das Landgericht die Vermögensbetreuungspflicht nicht ausschließlich aus den Erwerbsverträgen ableiten sollte, und für diesen Fall weitere Ausführungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angekündigt.
Dem ging eine Erklärung des Vorsitzenden voraus, wonach als selbständige Grundlage einer möglichen Vermögensbetreuungspflicht nur die Privatisierungsverträge und deren Auslegung untersucht würden; die gesellschafterliche Treupflicht und die tatsächliche Ausübung der Leitungsmacht im faktischen Konzern seien dagegen nicht geprüft worden.
bb) Gegen die Hinweispflicht hat das Landgericht - entgegen der Auffassung der Revisionen der Angeklagten - im vorliegenden Fall nicht verstoßen, weil es die Vermögensbetreuungspflicht tragend allein auf die Erwerbsverträge gestützt hat. Der vom Landgericht gesetzte Vertrauenstatbestand muß indes im Revisionsverfahren fortwirken. Den Angeklagten, die entsprechendes Verteidigungsvorbringen mit Rücksicht auf den gerichtlichen Hinweis unterlassen haben, ist die Möglichkeit zu erhalten, sich zu dem Vorwurf eines existenzgefährdenden Eingriffs gegenüber den Tochterunternehmen in einer neuen Hauptverhandlung umfassend zu verteidigen. Der neue Tatrichter wird dabei festzustellen haben, ob und gegebenenfalls wann die von den Ostwerften angelegten Gelder konkret in einem Maße gefährdet waren, daß von einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB auszugehen ist. Zugleich wird zu klären sein, inwieweit die Angeklagten von der Gefährdung der Anlagen Kenntnis erlangt hatten.
d) Der neue Tatrichter wird weiterhin in den Blick zu nehmen haben, daß die BVV AG bei der VWS zwar - durch eine hundertprozentige Tochter - die unternehmerische Führung übernehmen sollte (Ziff. 3 der Präambel des KÜV) aber niemals - anders bei MTW - selbst 100 % der Anteile der VWS hielt. Nach den Urteilsfeststellungen war die Stadt Stralsund Inhaberin einer Minderheitsbeteiligung in Höhe von 11 % des Stammkapitals (UA S. 154, 488). Deshalb wird in einer neuen Hauptverhandlung zweierlei zu beachten sein: aa) Zunächst ist zu klären, ob die Minderheitsgesellschafterin überhaupt informiert wurde und ob gegebenenfalls zwischen den Gesellschaftern Einverständnis hergestellt wurde. Sollte eine entsprechende Billigung der Festgeldanlagen oder der Einbeziehung der freien Gelder in das Cash-Management-System bestanden haben, ergeben sich keine Unterschiede zu dem vorstehend Ausgeführten (vgl. BGH ZIP 2002, 848, 850). Für die einverständlich handelnden Gesellschafter gelten nämlich dieselben Grundsätze wie für den Alleingesellschafter (vgl. BGHZ 151, 181, 186).
bb) Läßt sich kein Einverständnis mit der Stadt Stralsund feststellen, entfiele grundsätzlich jede Befugnis der Muttergesellschaft, auf Vermögen der Tochtergesellschaft ohne gesellschaftsrechtliche Legitimation zuzugreifen.
Unter dieser Prämisse sind die Vermögenstransfers zu beurteilen. Anlagen in dem Cash-Management-System sind deshalb nur zulässig, wenn dies aufgrund der Interessenlage des Tochterunternehmens aus unternehmerischen Gründen jedenfalls noch als vertretbar erscheint. Kann dies aufgrund fehlender Sicherheiten bei den einzelnen Anlagen trotz einer möglicherweise adäquaten Verzinsung nicht angenommen werden, liegt gegebenenfalls schon in der Veranlassung zur Kapitaleinlage eine Anstiftung zur Untreue. Dies wird insbesondere für die Kreditaufnahme der VWS in Höhe von 68 Mio. DM im Zusammenhang mit dem Konsortialkredit über 300 Mio. DM vom September 1995 gelten. Insofern läßt sich nach den bisherigen Feststellungen aus der Sicht der VWS kein wirtschaftlich nachvollziehbares Motiv für eine Kreditaufnahme in dieser Größenordnung erkennen. Als Mehrheitsgesellschafterin hatte die BVV AG gegenüber der VWS als ihrer Tochtergesellschaft gleichermaßen eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der im Cash-Management-System angelegten Gelder. Insoweit liegt - wie oben ausgeführt - eine pflichtwidrige Handlung vor, wenn die angelegten Gelder unmittelbar und konkret gefährdet sind und für die Begleichung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung stehen.
e) Sollte der neue Tatrichter unter den oben genannten Voraussetzungen zu dem Ergebnis gelangen, daß existenzgefährdende Eingriffe zu Lasten der Tochtergesellschaften erfolgt sind und den Angeklagten dies auch bewußt war, so liegt die Annahme einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nahe (vgl. BGHSt 40, 218, 236 ff.; 45, 270, 296 ff.; BGH NJW 2004, 375, 378, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Die Angeklagten haben nach den bisherigen Feststellungen aufgrund ihrer Leitungsmacht im Konzern sowohl die Festanlagen größerer Gelder als auch insbesondere das Cash-Management-System in den wesentlichen Grundsätzen installiert, wobei die maßgeblichen Entscheidungen im Vorstand getroffen oder dort jedenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen wurden. Dies würde eine gemeinsame (mittäterschaftliche) strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten als Mitglieder des Organs der Konzernmutter begründen (vgl. BGHSt 37, 106, 123 ff.; 48, 77, 89 ff.), ohne daß es darauf ankäme, ob sie von den einzelnen Kapitaltransfers Kenntnis erlangt haben. Sämtliche Einlagen der beiden Ostwerften, die auf der Grundlage des von den Angeklagten zu verantwortenden Systems in den Konzernverbund überführt worden wären, würden dadurch zu einer einheitlichen Handlung zusammengefaßt. Dann wären - auch wenn beide Ostwerften geschädigt sein sollten - die Angeklagten wegen eines einzigen Vergehens der Untreue zu bestrafen.
Für die Abgrenzung, ob die Angeklagten sich wegen Tuns oder Unterlassens strafbar gemacht haben, kann es von Bedeutung sein, ab wann eine schadensgleiche Gefährdung der Einlagen vorgelegen hat und die Angeklagten dies auch erkannt haben. Bestand zum Zeitpunkt der von den Angeklagten vorgenommenen maßgeblichen Weichenstellungen noch keine entsprechende Gefährdungslage, sondern trat diese erst später ein, kann dies für ein Unterlassen im Sinne des § 13 StGB sprechen. Denn dann läge der Unrechtsschwerpunkt darauf, daß die Angeklagten keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder notfalls den Kapitaltransfer insgesamt nicht abgebrochen hätten.
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben gleichfalls Erfolg.
Der Senat besorgt, daß das Landgericht betreffend alle drei Angeklagte Gesichtspunkte der Findung der schuldangemessenen Strafe mit solchen der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung vermengt hat. Anlaß zu dieser Besorgnis gibt - neben der außergewöhnlich straffen Zusammenführung zweier Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren - insbesondere die Erwägung, es erscheine "vertretbar, bei allen Angeklagten auf Freiheitsstrafen zu erkennen, die noch eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglichten". Der Tatrichter hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, daß die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind (BGHSt 29, 319, 321; 32, 60, 65; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH NStZ 2001, 311; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 815; Häger in LK 11. Aufl. vor § 38 Rdn. 38). Da nicht auszuschließen ist, daß schon die verhängten Einzelstrafen in der vorgenannten Weise beeinflußt sind, hebt der Senat - auch auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft - die Strafaussprüche umfassend auf.
Der neue Tatrichter wird für den Fall eines Schuldspruches im Hinblick auf die Bestimmung der Schadenshöhe folgendes zu bedenken haben:
1. Nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs begründet der Fall eines existenzvernichtenden Eingriffs in dem beschriebenen Sinne eine Ausfallhaftung des Gesellschafters gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Maßgebliche Erwägung ist dabei, daß durch einen entsprechenden Eingriff das Haftungsprivileg des Gesellschafters (§ 13 - 32 - Abs. 2 GmbHG) entfällt, weil er die Rechtsform der GmbH mißbraucht hat.
Die Notwendigkeit der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von dem übrigen Vermögen der Gesellschafter und die strikte Bindung des ersteren zur - vorrangigen - Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger besteht während der gesamten Lebensdauer der GmbH. Beide - Absonderung und Zweckbindung - sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, daß die Gesellschafter die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen in Anspruch nehmen können (BGHZ 151, 181, 186 f.). Wer der Gesellschaft erst Vermögen entzieht und die Gläubiger dann auf dieses Vermögen verweisen will, setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten. Er muß deshalb für die ungedeckten Schulden der Gesellschaft einstehen und kann vom Gläubiger direkt in Anspruch genommen werden. Als ein auf richterrechtlicher Lückenschließung beruhender Haftungsdurchgriff ist er aber subsidiär gegenüber dem im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesetzlichen Ausgleichssystem der §§ 30, 31 GmbHG (Röhricht, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, S. 27 ff.). Ob dieser Anspruch dann in seinem Umfang den gesamten Betrag erfaßt, den der Gesellschafter der Gesellschaft entzogen hat, oder ob er sich auf den Anteil beschränkt, den der Gesellschafter nicht hätte entnehmen dürfen, ist in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion umstritten (vgl. Vetter ZIP 2003, 601, 603 ff. m.w.N.). Für die strafrechtliche Beurteilung kann dies freilich dahinstehen.
2. Die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze sind nämlich nur dem Grunde nach auf das Strafrecht übertragbar, nicht jedoch was die Bestimmung des Schuldumfangs anbelangt. Das Rechtsinstitut einer Ausfallhaftung ist wegen seiner andersartigen Zielrichtung nicht ohne weiteres geeignet, Anhaltspunkte für die Bestimmung des strafrechtlich relevanten Schadens zu liefern. Der durch die Verletzung des Untreuetatbestands begründete Unrechtsgehalt muß danach bestimmt werden, welche Vermögenseinbuße der Täter dem geschützten Vermögen pflichtwidrig zugefügt hat. Dies kann nur im Rahmen einer wertenden Betrachtung erfolgen. Da der Entzug von Vermögenswerten nicht schlechthin, sondern nur insoweit pflichtwidrig ist, als die Erfüllung von Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet ist, kann sich der Nachteil im Sinne des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB auch nur darauf beziehen. Der neue Tatrichter wird deshalb festzustellen haben, welcher Anteil des den Ostgesellschaften letztlich verloren gegangenen Vermögens für die Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten benötigt worden wäre.
HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 604
Externe Fundstellen: BGHSt 49, 147; NJW 2004, 2248; NStZ 2004, 559; NStZ 2005, 269; StV 2004, 425
Bearbeiter: Karsten Gaede