Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 406/98, Urteil v. 26.11.1998, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 23. Dezember 1997 wird verworfen; jedoch wird die Urteilsformel geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Angeklagte B. wird wegen Diebstahls und Beihilfe zum Diebstahl unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Stendal vom 22. September 1997 - Az.: 510 Ns 90/97 - verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Anordnung der Sperrfrist von drei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis in dem vorbezeichneten Urteil bleibt aufrechterhalten.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gemeinschaftlichen Diebstahls sowie wegen Beihilfe zum vierfachen Diebstahl in Tateinheit mit Beihilfe zum zweifachen versuchten Diebstahl unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gardelegen vom 30. Juli 1997" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; ferner hat es die "Entziehung der Fahrerlaubnis und die festgesetzte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis aus dem einbezogenen Urteil" aufrechterhalten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
1. Die auf § 245 StPO gestützte Verfahrensrüge, bei der es sich um eine Aufklärungsrüge handelt, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Danach hat der Beschwerdeführer auch die Umstände zu bezeichnen, aufgrund derer sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte (BGHR § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). Dem Revisionsvorbringen ist aber nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen sich das Landgericht zu einer ergänzenden Befragung der Sachverständigen über die Auswirkungen des Konsums von Weinbrand im Fall II 2 der Urteilsgründe hätte gedrängt sehen müssen, obwohl der Angeklagte ausdrücklich erklärt hatte, er könne nicht angeben, wieviel "Braunen" er "getrunken haben könnte".
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerde hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Die Verurteilung im Fall II 2 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Nach den Feststellungen unterstützte der Angeklagte nach Alkoholgenuß den gesondert verfolgten Ricardo M., als dieser sechs auf einem umzäunten Gelände abgestellte Lastkraftwagen aufbrach, um daraus Funkgeräte zu entwenden, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb.
aa) Für den Schuldspruch kommt es nicht - wie das Landgericht offenbar annimmt - auf die Frage an, ob für die Diebstahlstaten des Haupttäters eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen ist (vgl. dazu BGH NStZ 1996, 493). Besteht die Beihilfe - wie hier - aus einer einzigen Handlung, so braucht im Schuldspruch das rechtliche Verhältnis der Haupttaten zueinander nicht dargelegt zu werden (BGH NStZ 1993, 584 m.w.N.). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt.
bb) Der Strafausspruch hält ebenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
(1) Die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Revision und Generalbundesanwalt weisen allerdings zu Recht darauf hin, daß das Landgericht nach dem Zweifelssatz seiner Berechnung der Blutalkoholkonzentration aufgrund der Trinkmengenangaben des Angeklagten den spätesten in Betracht kommenden Trinkbeginn (17 Uhr statt 16 Uhr) und den frühesten möglichen Tatzeitpunkt (nach 23 Uhr statt 24 Uhr) hätte zugrundelegen müssen. Auch hätte es von der theoretisch maximalen Blutalkoholkonzentration den geringstmöglichen Abbauwert von 0,1 Promille für eine Zeit von nicht acht, sondern nur sechs Stunden abziehen müssen (vgl. BGHSt 37, 231, 238 f.; Tröndle StGB 48. Aufl. § 20 Rdn. 9g; Salger DRiZ 1989, 174, 175 f.). Der vom Landgericht vorgenommenen Berechnung des Mindestblutalkoholgehalts bedurfte es hier nicht (vgl. dazu BGH StV 1987, 477; 1990, 100; NStZ-RR 1997, 33, 34; 226, 227; BGH NStE Nrn. 15, 19 zu § 21 StGB). Rechtlichen Bedenken begegnet aber auch die unterlassene Berücksichtigung des Konsums des "Braunen". Der Angeklagte vermochte nicht anzugeben, "wieviel er davon getrunken haben könnte". Wenn das Landgericht dem nicht entnehmen konnte, daß er nur eine völlig unbedeutende Menge Weinbrand zu sich genommen hatte, durfte es den Blutalkoholwert hier nicht allein aus einer Teilmenge des genossenen Alkohols (Bier) berechnen. Entziehen sich die Angaben des Angeklagten zum Alkoholkonsum sowohl zeitlich als auch mengenmäßig jedem Versuch einer Eingrenzung, so bedarf es der Berechnung der Blutalkoholkonzentration jedoch ausnahmsweise nicht (BGH NStZ 1994, 334, 335). Die Beurteilung der Schuld kann sich in diesem Fall nur nach psychodiagnostischen Kriterien richten (BGH NStZ-RR 1997, 2/1-6, 227; zu den Grenzen eines solchen Vorgehens bei sehr hohen Promillewerten vgl. BGH, Beschluß vom 13. November 1997 - 4 StR 539/97).
Der aufgezeigte Rechtsfehler hat sich indes nicht zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt: Das - sachverständig beratene - Landgericht hat die Frage erheblich verminderter Schuld auch mit Blick auf aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen (vgl. BGHSt 43, 66, 69 ff.) geprüft und im Ergebnis zutreffend verneint: Zu Recht hervorgehoben hat es die fehlenden Ausfallerscheinungen in der Motorik sowie insbesondere das Leistungsverhalten des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1998, 458; Maatz StV 1998, 279, 282 f.). Dieser war in der Lage, zur Tatbegehung zweimal an einem Eisenpfeiler hochzuklettern und dadurch den den Parkplatz einfriedenden ca. zwei Meter hohen Maschendrahtzaun zu übersteigen. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob allein aufgrund dieser außergewöhnlichen Körperbeherrschung der Schluß auf eine uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BGHSt 37, 231, 241; siehe auch BGHSt 35, 308; 43, 66, 73; BGH NStZ 1997, 384); der Angeklagte war nämlich zudem in der Lage, die von ihm erwartete Hilfe beim Abtransport der Beute über den Zaun hinweg zu erkennen und zu leisten. Hinzu kommt die erhebliche Alkoholgewöhnung des Angeklagten, der wiederholt wegen Trunkenheitsfahrten vorbestraft ist und wegen Alkoholmißbrauchs nicht zum Wehrdienst eingezogen wurde; seine detailreiche, präzise, auch psychische Sachverhalte einschließende Einlassung belegt ferner ein vollständig intaktes Erinnerungsvermögen (zur Bedeutung dieser Kriterien für eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit vgl. BGHSt 43, 66, 69, 71; BGH NStZ 1997, 591, 592; NStZ-RR 1997, 162; 226, 227; 1998, 133, 134 und Maatz StV 1998, 279, 283, aber auch BGH NStZ 1998, 295, 296; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 35; BGH, Beschluß vom 14. Oktober 1998 - 5 StR 473/98). Damit übereinstimmend hat sich der alkoholerfahrene Angeklagte als lediglich "angeheitert" beschrieben, wobei diese Einschätzung durch die glaubhaften Angaben des früheren Mitangeklagten L. bestätigt wurden. Der Senat schließt daher aus, daß das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler die Voraussetzungen erheblich verminderter Schuldfähigkeit für gegeben oder zumindest nicht ausschließbar erachtet hätte.
(2) Im übrigen ist. die Strafzumessung im Fall II 2 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei: Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht durch die strafschärfende Berücksichtigung des nicht unerheblichen Sachschadens nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Zu Lasten des Angeklagten hat es nämlich nicht Umstände herangezogen, die bei gesetzlich bestimmten besonders schweren Fällen ein Regelbeispiel begründen oder mit dessen Verwirklichung im allgemeinen einhergehen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1993 - 4 StR 302/93 = StV 1993, 521 LS), sondern gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB die konkrete und ausreichend festgestellte Höhe des eingetretenen Schadens.
b) Im Fall II 4 der Urteilsgründe wird die Annahme der Strafkammer, der Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB a.F. sei aufgrund eines spätestens beim Betreten der Wohnung des Geschädigten Sven S. gefaßten gemeinsamen Tatentschlusses vom Angeklagten und den weiteren Begleitern der Frau Mandy P. in Mittäterschaft begangen worden, von den Feststellungen nicht getragen. Hiernach sah sich ein jeder für sich nach solchen technischen Geräten um, die er gebrauchen und mitnehmen konnte; somit liegt Nebentäterschaft vor. Die - ohnehin entbehrliche (vgl. BGHSt 27, 287, 289; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 260 Rdn. 24) - Kennzeichnung des Diebstahls als "gemeinschaftlich" im Urteilstenor entfällt daher. Der Senat kann jedoch mit Blick auf die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils ausschließen, daß das Landgericht dem Angeklagten einen zu großen Schuldumfang strafschärfend angelastet hat, zumal es bereits in der rechtlichen Würdigung - wegen der unzutreffenden Annahme von Mittäterschaft nicht frei von Widerspruch - die Zueignungsabsicht des Angeklagten und des früheren Mitangeklagten L. jeweils nur auf die von ihnen erlangten Gegenstände bezogen hat. Im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB nicht unbedenklich ist allerdings die strafschärfende Erwägung, "daß in der Tat deutlich die Mißachtung des Angeklagten gegenüber dem Eigentum anderer zum Ausdruck kommt". Die Bestrafung wegen Diebstahls soll abgelten, daß der Täter dem Eigentümer die Sache in Zueignungsabsicht entzogen hat (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Diebstahl 2). Jedoch entnimmt der Senat dem Hinweis auf die Tat - und nicht nur auf die beiden vom Angeklagten entwendeten Geräte -, daß das Landgericht das Gesamtgeschehen bewertet hat, das als Ausplünderung einer schutzlos dem beliebigen Zutritt preisgegebenen Wohnung gekennzeichnet ist; diese Art der Ausführung (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) durfte es hier zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen.
c) Der Senat hat das Urteil insoweit berichtigt, als das Landgericht versehentlich die der - sachlich-rechtlich fehlerfreien - nachträglichen Gesamtstrafenbildung zugrundegelegte, von ihm in Teilen wörtlich zitierte Vorverurteilung falsch bezeichnet und auch die Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten hat, obwohl gegen den Angeklagten nach den Feststellungen lediglich eine isolierte Sperre gemäß § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB verhängt worden war.
Externe Fundstellen: NStZ-RR 1999, 297
Bearbeiter: Ulf Buermeyer