HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 530
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 119/10, Beschluss v. 20.04.2010, HRRS 2010 Nr. 530
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. November 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen sie den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 7.419,72 € angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen tateinheitlichen - täterschaftlich begangenen - unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den Feststellungen begleitete die Angeklagte ihren damaligen Lebensgefährten B. bei einer Fahrt in die Niederlande. Ihr war dabei bekannt, dass B. dort Betäubungsmittel kaufen wollte, um diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und dort gewinnbringend weiter zu veräußern. Sie wusste weiterhin, dass B. sie mitnahm, um bei dem Grenzübertritt nicht aufzufallen. In den Niederlanden erwarb B. 50 g Kokaingemisch, das er - wie geplant - in Begleitung der Angeklagten in das Bundesgebiet einführte und in der Folge dort verkaufte.
Diese Feststellungen belegen nicht täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten. Sie hatte danach weder Einfluss auf den Erwerb der Betäubungsmittel noch auf deren Weiterverkauf. Die Tätigkeit der Angeklagten erschöpfte sich darin, B. bei der Einfuhr der Betäubungsmittel durch ihre Anwesenheit zu unterstützen. Ihr Tatbeitrag ist somit rechtlich nicht als täterschaftliches Handeltreiben, sondern als Beihilfe zu dem Handeltreiben des B. zu werten (vgl. auch BGHSt 51, 219, 223 Rn. 11). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben.
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagte den Handel mit Betäubungsmitteln "aus reinem Gewinnstreben betrieben hat, ohne sich etwa aufgrund eigener Sucht zum Verkauf von Drogen gezwungen zu sehen". Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (Senat, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 m.w.N.), zumal das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagte ab dem Tode ihres Vaters im Januar 2008, das heißt im Tatzeitraum, Drogen konsumiert hat. In Anbetracht dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erlöse aus den Drogenverkäufen jedenfalls auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums gedient haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09). Der Senat hebt daher die Einzelstrafen und den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf, da - trotz der verhängten maßvollen Strafen - nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf mildere Freiheitsstrafen erkannt hätte.
b) Zur Verfallsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, der Verfall des bei der Angeklagten sichergestellten Geldes (insgesamt 6.070,00 €) sowie des aus der Verwertung eines sichergestellten Pkw's der Angeklagten erzielten Erlöses von 1.349,72 € sei "gemäß § 73 StGB" anzuordnen, da davon auszugehen sei, dass sie dieses Geld durch die Veräußerung von Kokain erlangt habe. Die Angeklagte, deren sonstigen Einnahmen nach eigenen Angaben nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausgereicht hätten, habe keine plausible Erklärung vorbringen können, auf welche andere Weise sie in den Besitz des Geldes gekommen sei.
Diese Ausführungen lassen bereits besorgen, dass das Landgericht das Verhältnis zwischen § 73 StGB (Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371, 373) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08 m.w.N.).
Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (Senat aaO).
Im Übrigen unterliegt dem Verfall - sei es nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73 d Abs. 1 Satz 1 StGB - stets nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit aus tätsächlichen Gründen nicht (mehr) möglich, kommt gemäß § 73 a Satz 1 StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall).
Hierbei ist - vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB - unter Zugrundelegung des Bruttoprinzips (vgl. hierzu Fischer StGB 57. Aufl. § 9 73 Rn. 7) auf den aus den Drogenverkäufen erlangten Gesamterlös abzustellen.
Die Sache bedarf daher auch zur Verfallsentscheidung neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 530
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2010, 255
Bearbeiter: Karsten Gaede