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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 311

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 475/03, Urteil v. 25.02.2004, HRRS 2004 Nr. 311


BGH 4 StR 475/03 - Urteil vom 25. Februar 2004 (LG Stendal)

Vorteilsannahme; Beweiswürdigung beim Freispruch (lückenhafte; zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung); Beschuldigteneigenschaft (Belehrungspflichten; Zeugenstellung; Verwertungsverbot).

§ 331 StGB; § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO; § 163 a Abs. 3 Satz 2 StPO; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nicht jeder Tatverdacht begründet bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht durch den Vernehmenden; es kommt vielmehr auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung dann von einer Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung überzugehen, wenn sich der Verdacht so verdichtet, dass die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (vgl. BGHSt 37, 48, 51 f.; BGH NStZ-RR 2002, 67; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 3 und § 136 Belehrung 6).

2. Für die erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es keiner absoluten, das Gegenteil denknotwendig - "zwingend" - ausschließenden und von niemanden anzweifelbaren Gewissheit, vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß denktheoretisch mögliche Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 14. Mai 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Fällen III 2 und 3 der Urteilsgründe freigesprochen worden sind.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts Dessau zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt; vom Vorwurf der Bestechlichkeit in drei Fällen hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ebenfalls aus tatsächlichen Gründen hat es den Angeklagten W. vom Vorwurf der Vorteilsgewährung in zwei Fällen und den Angeklagten B. vom Vorwurf der Beihilfe zur Vorteilsgewährung freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen die Freisprüche in den Fällen III 2 und 3 der Urteilsgründe mit der Sachrüge und mit einer Verfahrensrüge.

Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:

1. Der Angeklagte R. ist Richter am Amtsgericht und war seit 1992 in der Gesamtvollstreckungs- und späteren Insolvenzabteilung des Amtsgerichts tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Bestellung von Gesamtvollstreckungs- bzw. Insolvenzverwaltern. Im Rahmen seiner Tätigkeit lernte er den Angeklagten W. kennen, der in als Gesamtvollstreckungsverwalter tätig war. Zwischen ihnen entwickelte sich seit 1993 eine enge freundschaftliche Beziehung; sie verbrachten oft ihre Freizeit gemeinsam.

Mit dem früheren Mitangeklagten M., der im Jahre 1995 in das Gesamtvollstreckungsbüro des Angeklagten W. eingetreten war, freundete sich der Angeklagte R. ebenfalls an. Auch mit dem Angeklagten B. waren der Angeklagte R. sowie seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau E., die ebenfalls Richterin am Amtsgericht ist, befreundet. Der Angeklagte B. betrieb eine Rechtsanwaltskanzlei in und arbeitete seit 1998 nebenbei als freier Mitarbeiter in dem Büro W./M., in das er am 1. Januar 1999 als Juniorpartner aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit zählte dieses Büro zu den drei größten von etwa 12 im Bereich tätigen Insolvenzverwalterbüros.

Die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Angeklagten R. und W. erregten nicht nur bei einigen Amtsrichterkollegen Anstoß, sondern führten auch zu mehreren Gesprächen des Präsidenten des Amtsgerichts mit dem Angeklagten R. wegen der - im August 1998 sogar dem Präsidenten des Landgerichts zugetragenen - Gerüchte über unkorrekte Beziehungen zu dem Insolvenzverwalter. Der Angeklagte R. zeigte sich davon unbeeindruckt und änderte sein Verhalten nicht. In der Zeit vom 15. März 1999 bis zum 28. Juli 1999 trug er unter Umgehung der geschäftsplanmäßigen Zuständigkeit drei neueingehende Insolvenzverfahren, bei denen hohe Vergütungen zu erwarten waren, in seinem Dezernat ein und bestellte in zwei dieser Verfahren den Angeklagten W., in dem dritten dessen Partner M. zu Insolvenzverwaltern. Die Insolvenzverwaltervergütungen für diese Verfahren wurden später vom Rechtspfleger auf insgesamt etwa 790.800,00 DM festgesetzt.

2. Fall III 2 der Urteilsgründe (= Fall 2 der Anklageschrift vom 27. Februar 2003)

Am 16. September 1998 bot der Angeklagte B. der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten R. in dessen Beisein einen Pkw Audi A 3 zum Kauf an. Dieses Fahrzeug hatte nach der sogenannten "Schwacke-Liste" einen Händlereinkaufswert von 20.150,00 DM, nach einem zeitnah erstatteten Gutachten, von dem der Angeklagte B. Kenntnis hatte, einen solchen von 23.300,00 DM brutto. Es war eines der fünf von der Stahlgießerei Ro. über das Autohaus V. bei der VAG Leasinggesellschaft geleasten Fahrzeuge. Über das Vermögen der Stahlgießerei war von dem Angeklagten R. das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Angeklagte W. zum Verwalter eingesetzt worden. Der Angeklagte B. war als freier Mitarbeiter des Büros W./M: mit der Abwicklung der Leasingverträge befaßt. E. entschloß sich nach einer Probefahrt, das Fahrzeug als "Familienwagen" von dem Angeklagten B. zu erwerben. Ungeachtet der allen Beteiligten bekannten Eigentumsverhältnisse wurde der Kaufpreis schon jetzt auf 20.000,00 DM festgesetzt.

In der Folgezeit erwarb das Autohaus V. den Audi A 3 der Stahlgießerei Ro. von der VAG Leasinggesellschaft. Mit Kaufvertrag vom 3. November 1998 verkaufte es dieses Fahrzeug an den Angeklagten B. zum Preis von 25.000,00 DM brutto, der auch gezahlt wurde. Der Angeklagte B. übersandte E. am 5. November 1998 einen von ihm unterzeichneten Kaufvertrag, der für das Fahrzeug einen Kaufpreis von 20.000,00 DM inklusive Mehrwertsteuer auswies, und übergab ihr das Fahrzeug, das in der Folgezeit von ihr und dem Angeklagten R. genutzt wurde.

Spätestens am 21. Dezember 1998 unterschrieb sie den Kaufvertrag; zwei Tage danach wurde sie im Fahrzeugbrief als Eigentümerin eingetragen. Den Kaufpreis überwies sie am 9. Februar 1999 auf das Geschäftskonto des Angeklagten B. Auf dem entsprechenden Kontoauszug ist der Überweisungseingang mit dem handschriftlichen Zusatz "Hier vorverauslagt" versehen.

Bereits am 25. Januar 1999 war auf demselben Konto eine Überweisung des Büros W./M. in Höhe von 5.000,00 DM eingegangen, wobei auf dem vom Angeklagten W. unterzeichneten Überweisungsträger als Verwendungszweck "Sonder-Pkw" angegeben ist. Auch dieser Kontoauszug trägt den handschriftlichen Zusatz "Von hier vorverauslagt".

3. Fall III 3 der Urteilsgründe (= Fall 3 der Angeklageschrift vom 27. Februar 2003) Im Jahre 1999 wurde der frühere Mitangeklagte M. zum Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer in Hannover ansässigen Firma bestellt; auch der Angeklagte W. arbeitete dabei mit. Er fragte den Angeklagten R., ob dieser Interesse an einem der in diesem Verfahren zu verwertenden Computer, einem Pentium P III Diamond, habe, was dieser bejahte.

Daraufhin händigte ihm der Angeklagte W. Anfang Dezember 1999 das Gerät, das einen Wert von 1.416,00 DM hatte, aus. Der Angeklagte R. installierte es in seiner Wohnung und nutzte es bis zur Durchsuchung am 1. Februar 2000, wobei er Veränderungen daran vornahm, insbesondere eine zusätzliche höherwertige Festplatte und eine bessere Sound-Karte einbaute. Gegenüber dem die Durchsuchung leitenden Staatsanwalt erklärte er zunächst, er habe das Gerät in Hannover erworben bzw. aus Hannover erhalten, später gab er gegenüber dem Staatsanwalt an, er habe den Computer von dem Angeklagten W. erhalten, der wohl vergessen habe, eine Rechnung zu legen. Eine Bezahlung erfolgte auch später nicht.

II.

Gegen die den Freisprüchen in den vorgenannten Fällen zugrundeliegende Beweiswürdigung wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft zu Recht:

1. Allerdings muß das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter den Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 33 jeweils m.w.N.). Die Beweiswürdigung in den Fällen III 2 und 3 der Urteilsgründe weist derartige Mängel auf: Sie ist lückenhaft und läßt zudem besorgen, daß die Strafkammer zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung von der Schuld der Angeklagten gestellt hat.

2. Im Fall III 2 der Urteilsgründe hat es das Landgericht zwar als erwiesen angesehen, daß der Angeklagte R. in objektiver Hinsicht einen Vorteil angenommen habe, weil seiner Lebensgefährtin das auch von ihm benutzte "Familienfahrzeug" zu einem unter dem Händlereinkaufspreis liegenden und damit nicht marktgerechten Preis verkauft worden ist. Dagegen hat sich die Strafkammer weder davon zu überzeugen vermocht, daß der Angeklagte R. von der Zuwendung des Vorteils gewußt bzw. diesen billigend in Kauf genommen hat, noch, daß eine Unrechtsvereinbarung im Sinne einer Bestechlichkeit oder Vorteilsgewährung zwischen den Beteiligten zustande gekommen ist.

Die insoweit vorgenommene Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil sich die Strafkammer mit wesentlichen, die Angeklagten möglicherweise belastenden Indizien nicht oder nur unzureichend auseinandergesetzt und außerdem die Anforderungen an die richterliche Überzeugung (§ 261 StPO) überspannt hat.

a) Das Landgericht hat sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, warum der Angeklagte B. den Verkauf des Fahrzeugs nicht nur vermittelt hat, sondern selbst als Verkäufer aufgetreten ist. Diese Frage drängte sich hier auf. Bei Abschluß des mündlichen Kaufvertrags im September 1998 wußten die Vertragsparteien und auch der Angeklagte R., daß der Angeklagte B. nicht Eigentümer des Fahrzeugs war; er mußte sich folglich, um den Vertrag erfüllen zu können, erst selbst das Eigentum an dem Fahrzeug verschaffen. Das Landgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, warum die Vertragsparteien diesen umständlichen Weg gewählt haben und E. das Fahrzeug nicht unmittelbar von dem Autohaus erworben hat. Die Zwischenschaltung des Angeklagten B. hätte dann einen Sinn ergeben, wenn dieser - beispielsweise aufgrund besonderer Rabattgewährung - das Fahrzeug preisgünstiger als die Enderwerberin hätte erwerben können, oder wenn er selbst bei dem Weiterverkauf Gewinn hätte erzielen wollen. Beides war, abgesehen davon, daß durch die Weitergabe des Rabatts ebenfalls ein Vorteil gewährt worden wäre, nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Auch dafür, daß E. wegen ihrer Verbindung mit dem Angeklagten R., dem zuständigen Gesamtvollstreckungsrichter, gegenüber dem Autohaus V. nicht in Erscheinung treten sollte, geben die Feststellungen keinen Anhalt, zumal der Angeklagte R. selbst das Fahrzeug später dort warten ließ. Wenn der Angeklagte B. dennoch den mündlichen Kaufvertrag abschloß und einen bestimmten Kaufpreis vereinbarte, obwohl es nach seiner Einlassung zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher war, zu welchem Preis er das Fahrzeug erwerben würde, liegt es nahe, daß der Sinn des Zwischenerwerbs darin lag, E. - und damit dem Angeklagten R. - das Fahrzeug auf jeden Fall zu diesem günstigen Preis zu verschaffen.

b) Die erforderliche Auseinandersetzung mit dieser Frage hätte naheliegend auch zu einer anderen Bewertung weiterer belastender Beweisanzeichen geführt, insbesondere der Überweisung von 5.000,00 DM durch den Angeklagten W. an den Angeklagten B. mit der Angabe des Verwendungszwecks "Sonder-Pkw" und die handschriftlichen Zusätze auf den entsprechenden Kontoauszügen. Daß diese Zusätze bereits für sich den Verdacht begründen, zwischen den Angeklagten sei von Anfang an abgesprochen gewesen, daß der Angeklagte W. die Differenz von 5.000,00 DM übernehmen und der Angeklagte B. nur als Mittelsmann auftreten solle, hat das Landgericht zwar erkannt; es hat diese Schlußfolgerung jedoch nicht als "zwingend" angesehen. Diese Formulierung läßt besorgen, daß das Landgericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat: Dazu bedarf es keiner absoluten, das Gegenteil denknotwendig - "zwingend" - ausschließenden und von niemanden anzweifelbaren Gewißheit, vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß denktheoretisch mögliche Zweifel nicht zuläßt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 261 Rdn. 2 m.w.N.).

c) Ferner hat das Landgericht ein weiteres gravierendes Beweisanzeichen - die geschäftsplanwidrige Eintragung von drei für den Insolvenzverwalter lukrativen Insolvenzverfahren im eigenen Dezernat und die Bestellung des Angeklagten W. bzw. dessen Geschäftspartners M. zu Insolvenzverwaltern in diesen Verfahren durch den Angeklagten R. - nicht als "zwingendes Indiz" für dessen Kenntnis von der Vorteilsgewährung oder den Abschluß einer Unrechtsvereinbarung angesehen. Es hat die Einlassung des Angeklagten R. als unwiderlegt hingenommen, wonach es ihm nur darum gegangen sei, einen Zeitverlust bei der Bearbeitung zu vermeiden, der durch die Abwesenheit des zuständigen Richters sonst eingetreten wäre. Die Frage, ob der Angeklagte R. mit dieser Vorgehensweise gegen den Grundsatz, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG), verstieß, hat das Landgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht erörtert.

Abgesehen davon, daß die Urteilsgründe nicht belegen, daß der zuständige Richter bei Eingang der Verfahren tatsächlich nicht erreichbar war, wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung ein Abweichen von der im Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts festgelegten Zuständigkeit nicht erforderlich gewesen. Die neu eingehenden Verfahren hätten in jedem Fall im zuständigen Dezernat eingetragen werden müssen. Falls dann tatsächlich Eilanordnungen notwendig gewesen wären, hätte - bei Unerreichbarkeit des zuständigen Richters - der Angeklagte R. diese treffen können, sofern er der nach dem Geschäftsverteilungsplan zur Vertretung berufene Richter gewesen wäre. Die vom Angeklagten R. gewählte Vorgehensweise war mit der jedem Richter bekannten Regelung der Geschäftsverteilung (§ 21 e GVG) unvereinbar; sie war objektiv unter keinem Gesichtspunkt vertretbar und damit willkürlich (vgl. BVerfGE 42, 237, 242).

Dem Landgericht hätte sich die Frage aufdrängen müssen, aus welchem Grund der Angeklagte R. mehrmals so schwerwiegende Pflichtwidrigkeiten begangen hat. Da es sich um drei Verfahren handelte, die hohe Insolvenzverwaltervergütungen erwarten ließen, liegt es nahe, daß der Angeklagte R. deshalb selbst über die Einsetzung der Verwalter entscheiden wollte, und zwar zugunsten des Mitangeklagten W. und dessen Geschäftspartner, deren wirtschaftlicher Erfolg von der Übertragung lukrativer Verwaltungen durch das Insolvenzgericht abhing. Zwar hätte der Angeklagte R. die von ihm ausgewählten Insolvenzverwalter auch dann einsetzen können, wenn er als Vertreter in den fraglichen Verfahren tätig geworden wäre. Er hätte dann aber gewärtigen müssen, daß der zuständige Kollege die Einsetzungen beanstanden würde, wie dies in einer entsprechenden Situation bereits geschehen war.

Darüber hinaus hätte auch die zeitliche Nähe der pflichtwidrigen Handlungen zu dem objektiv erlangten Vorteil als ein Indiz für die Kenntnis des Angeklagten von der Vorteilsgewährung gewürdigt werden müssen.

3. Im Fall III 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar angenommen, daß der Angeklagte R. durch die unentgeltliche Nutzung des Computers während einer Zeit von etwa acht Wochen einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt habe, es hat jedoch die Einlassungen der Angeklagten R. und W., die eine Schenkung des Geräts und den Abschluß einer Unrechtsvereinbarung in Abrede gestellt haben, als nicht widerlegt angesehen. Dabei hat die Strafkammer wie im vorhergehenden Fall zu hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt.

Sie hat insbesondere die Einlassung des Angeklagten R., er habe den Computer von W. kaufen wollen, jedoch bis zur Durchsuchung am 1. Februar 2000 von diesem weder eine Rechnung erhalten noch den Preis erfahren, für nicht widerlegt erachtet. Dabei hätte das Landgericht bei seiner Würdigung bedenken müssen, daß der Angeklagte R. bereits Veränderungen an dem Computer vorgenommen hat. Er hat ihn demnach schon wie sein Eigentum behandelt, obwohl über einen Kaufpreis noch nicht einmal gesprochen worden war.

III.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Die neu erkennende Strafkammer ist nicht gehindert, die Angaben, die der Angeklagte B. bei seiner staatsanwaltlichen Vernehmung vom 8. Februar 2000 gemacht hat, im Wege der Vernehmung des Staatsanwalts in die Hauptverhandlung einzuführen und in die Beweiswürdigung einzubeziehen. Ein Verwertungsverbot besteht insoweit nicht, weil bei der Vernehmung als Zeuge nicht gegen das Belehrungsgebot nach §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163 a Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen wurde. Nicht jeder Tatverdacht begründet bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht durch den Vernehmenden; es kommt vielmehr auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung dann von einer Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung überzugehen, wenn sich der Verdacht so verdichtet, daß die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (vgl. BGHSt 37, 48, 51 f.; BGH NStZ-RR 2002, 67; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Verfolgung 3 und § 136 Belehrung 6). Dies war hier nicht der Fall, da die Tatsache, daß der Verkaufspreis des Fahrzeugs niedriger war als der zwei Tage zuvor gezahlte Einkaufspreis durchaus unverfängliche Gründe haben konnte, wie etwa ein - von dem Angeklagten B. damals auch in den Raum gestellter - zwischenzeitlich eingetretener Unfallschaden.

IV.

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 311

Bearbeiter: Karsten Gaede