Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 105/03, Urteil v. 17.07.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. November 2002 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Dies gilt auch für den Strafausspruch.
Die sachverständig beratene Strafkammer hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer affektbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sowie einen minder schweren Fall im Sinne des § 213 StGB verneint. Auch die Darlegungen, mit denen das Schwurgericht die Höhe der dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommenen Strafe begründet, begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer "die lange Tatanlaufzeit, während der er [der Angeklagte] alle Warnungen, eine Gefährderansprache durch die Polizei und gerichtliche Verbote in Verfolgung seiner eigenen egoistischen Interessen mißachtete", berücksichtigt hat. Es wäre allerdings rechtsfehlerhaft, wenn sich der Angeklagte bei Begehung der Tat in einem geistig-seelischen Ausnahmezustand befunden und das Landgericht auch solche Umstände strafschärfend verwertet hätte, die unverschuldete Folgen dieses Zustands darstellen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Gesamtbewertung 3). Das ist jedoch nicht der Fall.
Zwar weist der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen Persönlichkeitsauffälligkeiten auf, die Zeichen einer durch Zwanghaftigkeit geprägten (anankastischen) Persönlichkeit mit starken narzißtischen Anteilen sind; sie äußern sich in abnormem Geiz, Fixiertheit auf das Geld und Starrsinn sowie darin, daß er seiner Ehefrau und seinen Kindern nichts, sich selbst dagegen alles zubilligte.
Das Landgericht hat aber in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen nachvollziehbar ausgeschlossen, daß diese Auffälligkeiten einen forensisch relevanten Schweregrad erreicht haben, und hat deswegen eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit verneint. Es ist daher im Hinblick auf die Persönlichkeitsauffälligkeiten rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte seiner Ehefrau trotz aller Warnungen über einen längeren Zeitraum nachstellte, straferschwerend gewertet wurde.
Im übrigen ist nicht zu besorgen, daß die Strafkammer im Rahmen der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände einen gewissen Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitsauffälligkeiten und dem aggressiven Vorgehen gegen das Tatopfer nicht bedacht haben könnte, da sie bei den Milderungsgründen ausdrücklich die besondere Persönlichkeitsstruktur erwähnt.
Die strafschärfende Erwägung, daß die Tötung "objektiv" Besonderheiten aufweise, die sich "am Rande von Mordmerkmalen wie Heimtücke und niedrigen Beweggründen bewegen", begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat das Landgericht die subjektive Tatseite dieser Mordmerkmale verneint, da der Angeklagte aufgrund seiner zwanghaften Persönlichkeitsanteile möglicherweise nicht in der Lage gewesen sei, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers sowie die Umstände, welche die niedrigen Beweggründe ausmachen könnten, rational zu erfassen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Art des Angriffs und die egoistische Motivation als Belastungsfaktoren gänzlich ausscheiden müssen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Strafzumessung 1). Wie sich den Urteilsausführungen entnehmen läßt, mit denen die Strafkammer auf die objektive Nähe zu den Mordmerkmalen hinweist, war sie sich dessen bewußt, daß diese Tatumstände bzw. Beweggründe dem Angeklagten nur eingeschränkt anzulasten sind.
Die Bemessung der Strafhöhe läßt auch im übrigen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Strafkammer hat die für die Strafzumessung im engeren Sinn bestimmenden Gesichtspunkte ausreichend dargelegt. Die erkannte Strafe nähert sich zwar dem gesetzlichen Höchstmaß. Angesichts der konkreten Tatschwere und der gewichtigen Strafschärfungsgründe löst sie sich aber keineswegs nach oben von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie liegt vielmehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens und ist daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Bearbeiter: Karsten Gaede