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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1089

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 462/06, Urteil v. 13.11.2007, HRRS 2007 Nr. 1089


BGH 3 StR 462/06 - Urteil vom 13. November 2007 (LG Mönchengladbach)

Verleiten Unerfahrener zu Börsenspekulationsgeschäften; Eingehungsbetrug (Vermögensschaden: Vermögensvergleich, wirtschaftliche Betrachtung, homo oeconomicus, Vergleich von Leistung und Gegenleistung, unbrauchbare Dienstleistung); Verfahrensrüge (Begründung; Widerspruchsfreiheit); Aufklärungspflicht.

§ 89 Abs. 1 BörsenG aF; § 263 StGB; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 244 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Vermögensschaden beim Betrug ist durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln.

2. Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, ist dieser geschädigt.

3. Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert. Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten, nämlich eines fiktiven "homo oeconomicus", der von allen persönlichen Vorlieben oder Vorurteilen des Verfügenden abstrahiert und nur den nackten Kapitalwert der beim Verfügenden jeweils vorhandenen Mittel registriert und bilanziert.

4. Besteht die vertraglich geschuldete Leistung in der Erbringung einer Dienstleistung, so ist zwar der Anspruch des Dienstberechtigten gegen den Dienstverpflichteten nicht in allen Fällen ohne jeden Wert, in denen dieser zur Erbringung der von ihm vertraglich geschuldeten Leistung von vornherein nicht imstande ist. Jedoch ist ein solcher Anspruch wertlos, wenn auch die Leistung, die der Dienstverpflichtete tatsächlich erbringen kann, aus Sicht eines objektiven Beurteilers für den Dienstberechtigten unbrauchbar ist.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 12. Dezember 2005 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Betruges in Tateinheit mit acht Fällen des Verleitens Unerfahrener zu Börsenspekulationsgeschäften zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten M. wegen Betruges in Tateinheit mit drei Fällen des Verleitens Unerfahrener zu Börsenspekulationsgeschäften zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt. Die jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte K., der seit 1990 in der sogenannten Warenterminhandelsbranche tätig war, gründete im September 1997 die F. Vermögensberatungs-GmbH (im Folgenden: F.) und bestellte sich zu deren Geschäftsführer. Gegenstand des Unternehmens war die Vermittlung von Warentermin- und Optionsgeschäften.

Hauptzielgruppe des Angeklagten K. waren in Börsenspekulationsgeschäften unerfahrene Kapitalanleger. Der Angeklagte plante von vornherein, seinen Kunden durch eine intensive Telefonwerbung und regelmäßige Beratung vorzutäuschen, die F. verschaffe den Anlegern eine im Verhältnis zum Verlustrisiko größere Gewinnaussicht.

Zur Durchführung der den Anlegern von der F. empfohlenen Handelsgeschäfte arbeitete der Angeklagte K. mit der P. Market Inc. (im Folgenden: P) in C. zusammen. Mit ihr vereinbarte der Angeklagte K. ein mehrstufiges Vermittlungsverhältnis, in welchem die F. die Rolle eines "Introducing Broker" und die P die eines "Commodity Broker" einnahm. Diese sollte die Handelsgeschäfte der F. -Kunden durch in den USA zum Börsenhandel zugelassene "Floor Broker" an dortigen Börsen ausführen und die von der F. mit ihren Kunden vereinbarte Leistungsvergütung von den Kundenkonten an die F. überweisen. Zur Entgegennahme der Kundengelder in Deutschland unterhielt die P ein von einem Steuerberater in S. als sogenannte Treuhandstelle verwaltetes Bankkonto mit einzelnen kundenbezogenen Anlagekonten.

Den Angeklagten M. stellte der Angeklagte K. spätestens Mitte April 1998 als Kundenbetreuer der F. ein. Er kannte M. aus seiner früheren Tätigkeit für ein anderes mit der Vermittlung von Warentermin- und Optionsgeschäften befasstes Unternehmen, die mit der Insolvenz dieses Unternehmens und der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen deren Geschäftsführer im Juni 1997 geendet hatte. M., der ebenfalls in diesem Unternehmen tätig gewesen war, übernahm die Aufgabe, die geworbenen Kunden durch ständige telefonische Kontakte zu immer neuen Handelsentscheidungen zu bewegen und davon abzuhalten, sich ihr restliches Anlagekapital oder in Einzelfällen erzielte Gewinne auszahlen zu lassen.

Die von den Telefonverkäufern geworbenen Kunden schlossen mit der F. einen "Vermittlungs- und Verwaltungsvertrag" ab. In diesem beschrieb die F. ihre Tätigkeit als "Besorgung der Anlagegeschäfte des Kunden" und als "Beratung bei dem Erwerb und der Veräußerung der auf dem Konto befindlichen Vermögenswerte durch Anweisung des ausführenden Brokers". Für die Ausübung dieses "Vermögensverwaltungsauftrags" war die F. - neben anderen den Kunden entstehenden Gebühren - zur Berechnung einer einmaligen Vermittlungsgebühr von 5 % Disagio auf alle Einzahlungen des Kunden sowie zur Berechnung von An- und Verkaufskommissionen für jedes der getätigten Handelsgeschäfte berechtigt. In schriftlichen Risikohinweisen und Aufklärungsbroschüren wurden die F.-Kunden entsprechend den Vorschriften des Börsengesetzes auf die hohen Risiken eines Kapitalverlustes bei Börsenspekulationsgeschäften hingewiesen. Insbesondere wurden die Kunden schriftlich davon unterrichtet, dass das vom Anlagekapital durch die F. vereinnahmte Disagio sowie die Kommissionen und Brokergebühren das Kapitalverlustrisiko erheblich erhöhten.

Die schriftlichen Risikowarnungen wurden jedoch in der mündlichen Kundenwerbung durch die Telefonverkäufer der F. und in den folgenden Beratungsgesprächen durch den Angeklagten M., teils auch durch den Angeklagten K. selbst, im Rahmen der sogenannten Kundenbetreuung als bloße Formalität dargestellt, zu der man gesetzlich verpflichtet sei. In den mündlichen Kontakten täuschten die Angeklagten und ihre Telefonverkäufer den Anlegern, die bis auf wenige Ausnahmen keine Erfahrungen mit kurzfristigen Börsenspekulationsgeschäften gemacht hatten, unter Ausnutzung dieser Unerfahrenheit vor, dass bei den unter Beratung und Betreuung der F. durchzuführenden Börsenspekulationsgeschäften die Gewinnaussicht das Verlustrisiko überwiege. So wurde den Kunden erklärt, es bestünden realistische Gewinnchancen, mit einer Rendite von bis zu 30 % sei zu rechnen, eine Verdoppelung des eingesetzten Kapitals sei in der Vergangenheit schon erreicht worden, den Anlegern sei bereits ein erheblicher Gewinn entgangen, durch die Anwendung eines Computerprogramms seitens der F. seien die Gewinnaussichten noch besser, ein Totalverlust trete nur im Extremfall auf und die F. verfolge eine sehr sichere Anlagestrategie. Über die F. selbst hieß es gegenüber den Anlegern, diese sei schon seit längerem erfolgreich am Markt, habe Börsenfachleute und arbeite mit einem namhaften Broker zusammen. Den geworbenen Anlegern wurde suggeriert, die Handelsempfehlungen der F. ließen insbesondere bei einer Vielzahl von Spekulationsgeschäften über einen längeren Zeitraum gute bis hohe Gewinne erwarten. Der Angeklagte M. bestärkte in den von ihm zur Kundenbetreuung geführten Telefonaten den zuvor von den Telefonverkäufern vermittelten falschen Eindruck, aufgrund der Fachkompetenz ihrer Mitarbeiter bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihrer Handelsempfehlungen und für das Erzielen eines Gewinns. Zumindest einem Anleger gegenüber bezifferte der Angeklagte M. die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns mit 85 % bei einem Restrisiko von 15 %. Mit Wissen und Billigung des Angeklagten K. diente der regelmäßige Kundenkontakt des Angeklagten M. dem gemeinsamen Ziel, die Kunden trotz der unverändert weit erhöhten Wahrscheinlichkeit, einen Verlust zu erleiden, zum Abschluss weiterer Spekulationsgeschäfte zu veranlassen.

Beiden Angeklagten war bekannt, dass im Warentermin- und Optionshandel an amerikanischen Börsen erfahrungsgemäß etwa 80 % der Anleger ihr Kapital ganz oder teilweise verlieren und nur etwa 20 % der Anleger Gewinne erzielen. Ihnen war ebenfalls bewusst, dass auch die F. nicht in der Lage war, für ihre Kunden ein günstiges Gewinn-Verlust-Risiko zu erreichen. Der Angeklagte K. billigte das Verhalten der Telefonverkäufer und des Angeklagten M. als Kundenbetreuer, den Kunden wahrheitswidrig den Eintritt eines Gewinns bei jedem einzelnen Spekulationsgeschäft und insbesondere bei wiederholten Spekulationsgeschäften als wesentlich wahrscheinlicher als den Eintritt eines Verlustes darzustellen.

2. Im Fall von 28 Anlegern kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, diese hätten aufgrund ihres entsprechenden Irrtums in der Zeit von November 1997 bis April 1999 Kapital auf Veranlassung der F. auf ein Anlagekonto der P eingezahlt. Der Angeklagte K. sei in diesen 28 Fällen für die Täuschung und Vermögensschädigung der Anleger verantwortlich, der Angeklagte M. in 14 dieser Fälle. Den Betrugsschaden sieht das Landgericht in den von der F. einbehaltenen Disagio-Beträgen in Höhe von jeweils 5 % und den der F. für jedes Handelsgeschäft vergüteten Kommissionen. Danach habe der Angeklagte K. einen Betrugsschaden in Höhe von insgesamt etwa 230.000 DM und der Angeklagte M. einen Betrugsschaden in Höhe von etwa 114.000 DM zu verantworten.

3. Rechtlich begründet das Landgericht die Erfüllung des Betrugstatbestandes wie folgt:

Im Zusammenwirken mit den weiteren Mitarbeitern der F. hätten die Angeklagten die 28 Kunden bewusst durch die unwahre Tatsachendarstellung getäuscht, die Dienstleistungen der F. verschafften ihnen durch die Vermittlung und Steuerung von Börsenspekulationsgeschäften eine bei jedem Geschäft so große Gewinnchance, dass in der Summe der Spekulationsgeschäfte die Wahrscheinlichkeit, einen Gewinn zu erzielen, größer sei als die Wahrscheinlichkeit, einen Verlust zu erleiden. Aufgrund ihrer Fehlvorstellung über den Leistungsgegenstand der F., die vorgeblich durch deren Anlageberatung begründete überwiegende Gewinnerwartung, hätten die Kunden an die F. die als Disagio und Kommissionen vereinbarte Gegenleistung erbracht. In Höhe dieser Leistungen hätten sie einen Vermögensschaden erlitten. Dieser liege nicht in der enttäuschten Erwartung der Kapitalmehrung und auch nicht in dem Verlust der angelegten Beträge, sondern darin, dass der durch diese Zahlungen eingetretene Vermögensverlust nicht durch eine gleichwertige Gegenleistung der F. ausgeglichen wurde. Unter Berücksichtigung des auf Veranlassung der F. von den Kunden vorausgesetzten Vertragszwecks sei deren Vermögensberatungsleistung für sie wertlos gewesen. Die danach zwischen ihnen bestehende Geschäftsgrundlage habe in der Vermittlung einer überwiegenden Gewinnwahrscheinlichkeit bestanden. Ohne diese, das heißt bei Kenntnis der weit überwiegenden Verlustwahrscheinlichkeit, hätte keiner der Kunden die Leistung der F. in Anspruch genommen.

Darüber hinaus hätten sich der Angeklagte K. in acht Fällen und der Angeklagte M. in drei Fällen des gewerbsmäßigen Verleitens zur Börsenspekulation gemäß § 89 Abs. 1 BörsenG aF schuldig gemacht, indem sie in den jeweiligen Fällen gezielt die Unerfahrenheit der Kunden ausgenutzt hätten, um diese zur Vornahme von Börsenspekulationsgeschäften zu verleiten.

II.

Zu den Verfahrensrügen der Angeklagten

1. Verfahrensrügen des Angeklagten K.

Die von der Revision des Angeklagten K. erhobenen Verfahrensbeschwerden Nr. 1 bis Nr. 3 sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Die weiteren Verfahrensrügen Nr. 4 bis Nr. 10, zu denen der Generalbundesanwalt wegen der von ihm insoweit für erfolgreich erachteten Sachbeschwerde des Angeklagten nicht Stellung genommen hat, greifen ebenfalls nicht durch.

a) Die Verfahrensbeschwerden Nr. 7 (Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO durch Nichteinholung eines Gutachtens des Sachverständigen H.), Nr. 9 (Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO durch Nichteinholung eines schriftlichen Gutachtens dieses Sachverständigen) und Nr. 10 (Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 5 StPO ebenfalls durch Nichteinholung eines Gutachtens dieses Sachverständigen sowie durch Nichtverlesen von Kontoauszügen) genügen nicht den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig.

aa) Hinsichtlich der Verfahrensrüge Nr. 7 ist das Vorbringen der Revision widersprüchlich, indem sie einerseits beanstandet, die Kammer habe den Antrag mit der Begründung abgelehnt, das Beweismittel sei völlig ungeeignet, andererseits aber das Fehlen eines Ablehnungsbeschlusses rügt. Darüber hinaus teilt die Revision hier den von ihr genannten Beschluss der Kammer vom 5. Dezember 2005 nicht mit.

bb) Zu der Verfahrensrüge Nr. 9, die im Übrigen ihr Angriffsziel nicht ausreichend verdeutlicht, teilt die Revision die relevanten Verfahrenstatsachen, insbesondere den Ablehnungsbeschluss der Kammer, nicht vollständig mit. Zudem wird der Wortlaut von "Blatt 2 der Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 07.09.2005" nicht wiedergegeben, so dass auch insoweit unklar bleibt, mit welcher Begründung die Kammer die von der Verteidigung beantragte Beweiserhebung abgelehnt hat.

cc) Mit der Verfahrensrüge Nr. 10 hätte der von der Kammer in ihrem Ablehnungsbeschluss in Bezug genommene Beschluss vom 13. Oktober 2005 zumindest seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben werden müssen.

b) Die Verfahrensbeschwerden Nr. 4 bis 6, mit denen die Revision des Angeklagten K. jeweils eine Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO behauptet, sowie Nr. 8, mit der eine Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO gerügt wird, haben ebenfalls sämtlich die Ablehnung einer erneuten Vernehmung des Sachverständigen H. durch die Kammer zum Gegenstand. Diese Verfahrensbeschwerden sind jedenfalls unbegründet.

aa) Die Verfahrensrüge Nr. 4 ist unbegründet, da der Beweisantrag auf Vernehmung des Sachverständigen H. zum Wert der Leistungen der F. bereits von der Kammer beschieden worden war. Bei dem erneuten Antrag handelte es sich somit lediglich um eine Beweisanregung. Das Landgericht hat nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, indem es dieser Beweisanregung nicht gefolgt ist.

bb) Zur Verfahrensrüge Nr. 5: Die Kammer hat den Beweisantrag auf Vernehmung des Sachverständigen H. zu Recht wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt. Auf den unter Umständen marktgerechten Preis der vermittelten Optionen kam es auf Grundlage des von der Kammer angenommenen Betrugs bezüglich der Disagio- und Kommissionszahlungen nicht an.

cc) Bei dem Antrag der Verteidigung, deren Zurückweisung Gegenstand der Verfahrensbeschwerde Nr. 6 ist, handelte es sich um einen Beweisermittlungsantrag; mit ihm ist keine bestimmte Tatsache behauptet worden, die durch das Beweismittel bewiesen werden sollte. Diesem Beweisermittlungsantrag musste die Kammer auch unter Berücksichtigung ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgehen, da es für den Betrugsvorwurf nicht darauf ankam, welche Gewinnchancen die von der F. vermittelten Optionen genau boten. Die Kammer hat den Betrugsvorwurf daran geknüpft, dass die Angeklagten als Gegenleistung für die Gebühren eine besonders kompetente Anlage der Gelder und die Vermittlung einer das Verlustrisiko übersteigenden Gewinnwahrscheinlichkeit versprachen. Dass den Kunden tatsächlich eine solche das Verlustrisiko übersteigende Gewinnwahrscheinlichkeit vermittelt wurde und dass der Sachverständige H. dies darlegen würde, wird in dem Antrag der Verteidigung nicht behauptet und drängte sich auch im Übrigen nicht auf.

dd) Der mit der Verfahrensrüge Nr. 8 behauptete Verstoß gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO wird durch das Revisionsvorbringen nicht belegt. Weder trägt die Revision ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Wirtschaftsstrafkammer ihre Sachkunde zur Beurteilung der Frage, ob die Kunden der F. eine überwiegende Gewinnwahrscheinlichkeit hatten, zu Unrecht angenommen habe, noch sind sonst Anhaltspunkte für eine solche Fehleinschätzung der Kammer erkennbar.

2. Verfahrensrügen des Angeklagten M.

Auch die beiden Verfahrensbeschwerden des Angeklagten M. greifen nicht durch. Beide Rügen sind bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

a) Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO ergibt sich schon aus dem eigenen Vorbringen der Revision nicht. Insofern fehlt es auch an einer Wiedergabe des ablehnenden Kammerbeschlusses.

b) Bei der Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO gibt die Revision weder den vollständigen Inhalt des "Beweisantrages" vom 29. September 2005 noch den Ablehnungsbeschluss der Kammer vom 29. September 2005, den erneuten "Beweisantrag" vom 13. Oktober 2005 und den weiteren Ablehnungsbeschluss der Kammer vom 13. Oktober 2005 wieder.

III.

Zu den Sachrügen der Angeklagten

1. Strafbarkeit wegen Betruges

Entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts hat das Landgericht bei beiden Angeklagten ohne Rechtsfehler den Tatbestand des Betruges bejaht.

a) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet zunächst die Annahme der Tatbestandsmerkmale der Täuschung, des Irrtums und der Vermögensverfügung einschließlich des jeweiligen Ursächlichkeitszusammenhangs zwischen diesen Merkmalen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts haben die beiden Angeklagten den Kunden der F. bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass aufgrund der von der F. verfolgten Anlagestrategie und der speziellen Kenntnisse ihrer Mitarbeiter bei jedem einzelnen der von ihr vermittelten Börsenspekulationsgeschäfte und insbesondere bei wiederholten Spekulationsgeschäften die Gewinnaussicht das Verlustrisiko überwiege. Bei diesen Erklärungen handelt es sich nicht um übertreibende Anpreisungen oder Prognosen, die als Werturteile einzustufen wären und keine tatbestandsmäßigen Täuschungshandlungen darstellen. Vielmehr erhalten die Äußerungen gegenüber den Kunden, insbesondere durch die Berufung auf die Erfolge der F. in ihrer bisherigen Geschäftstätigkeit, die Erläuterung der angeblichen Ursachen für diesen Erfolg und die darauf gestützte Behauptung, die Gewinnchance für den Anleger sei bei der F. höher als das Verlustrisiko, den erforderlichen Tatsachenbezug. Die behaupteten Tatsachen sind auch unwahr. Aufgrund dieser Täuschungen wurde durch die Mitarbeiter der F. bei jedem der 28 im Urteil bezeichneten Kunden gezielt eine entsprechende Fehlvorstellung erzeugt. Infolge ihres täuschungsbedingten Irrtums haben die 28 genannten Kunden über ihr Vermögen verfügt, indem sie sich gegenüber der F. vertraglich verpflichtet haben, als Gegenleistung für deren Vermögensberatung ein Entgelt in Gestalt eines Disagios und von Kommissionen zu zahlen.

b) Mit Recht hat die Strafkammer auch das Vorliegen eines Vermögensschadens bejaht.

aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).

Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurück, ist dieser geschädigt (BGHSt 16, 220, 221).

Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325). Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BayObLG NJW 1987, 2452; OLG Hamm NStZ 1992, 593).

bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden hier zu bejahen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses war das Vermögen der Kunden durch die Forderung der F. auf Zahlung von Entgelt (Disagio und Kommissionen) belastet; dieser Forderung stand kein Anspruch der Kunden gegenüber, der den Vermögensnachteil wertmäßig ausgleichen konnte. Denn zu diesem Zeitpunkt war nach dem vernünftigen Urteil eines objektiven Dritten der Anspruch der Kunden auf die Leistung der F. wertlos. Dies ergibt sich daraus, dass die F. von vornherein nicht in der Lage war, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.

(1) Die von der F. geschuldete Leistung bestand in der Verwaltung der zur Anlage anvertrauten Gelder mit einer die Fähigkeiten und Erfahrungen anderer Vermittler in solchem Maße übersteigenden Kompetenz, dass - anders als bei jenen Anbietern - eine überwiegende Gewinnwahrscheinlichkeit vermittelt würde. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die F. nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages nicht bloß die Empfehlung und Vermittlung von Börsentermingeschäften schuldete, wie sie auch jedes andere in diesem Bereich tätige Vermittlungsunternehmen hätte erbringen können. Vielmehr war es nach den Feststellungen der Strafkammer gerade wesentlicher Inhalt des zwischen der F. und ihren Kunden abgeschlossenen Vermögensberatungsvertrages und zugleich für die Kunden der entscheidende Grund für die Inanspruchnahme der Dienste der F., dass diese die Anlagegeschäfte mit herausragender Kompetenz durchzuführen und ihnen eine überwiegende Gewinnwahrscheinlichkeit zu vermitteln hatte.

(2) Diese Leistung, nämlich die Kunden unter Einsatz von außergewöhnlichen Erfahrungen, Fähigkeiten und Sachmitteln so zu beraten, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Gewinne erzielen würden, vermochte die F. indessen nicht zu erbringen. Insofern kann dahinstehen, ob überhaupt jemand dazu in der Lage ist, Anleger beim Handel mit Optionen auf Börsentermingeschäfte derart zu beraten, dass diese bei jedem einzelnen Spekulationsgeschäft und insbesondere bei wiederholten Spekulationsgeschäften mit einer das Verlustrisiko übersteigenden Gewinnerwartung rechnen können. Den Feststellungen zufolge war jedenfalls die F. nicht in der Lage, ihren Kunden diese von ihr vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Sie verfügte über keine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse. Dementsprechend lagen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen landgerichtlichen Feststellungen die Gewinnaussichten der Kunden der F. von vornherein weit unter 50% und verringerten sich überdies mit Fortsetzung der Handelstätigkeit immer weiter.

(3) Das Unvermögen der F., ihren Kunden die vertraglich geschuldete Dienstleistung zu erbringen, führt hier nach der maßgeblichen Sicht eines vernünftig urteilenden unbeteiligten Dritten dazu, dass der Anspruch der Kunden gegen die F. wertlos ist.

Allerdings ist der Anspruch des Dienstberechtigten gegen den Dienstverpflichteten nicht in allen Fällen, in denen dieser zur Erbringung der von ihm vertraglich geschuldeten Leistung von vornherein nicht imstande ist, ohne jeden Wert. Jedoch ist ein solcher Anspruch wertlos, wenn auch die Leistung, die der Dienstverpflichtete tatsächlich erbringen kann, aus Sicht eines objektiven Beurteilers für den Dienstberechtigten unbrauchbar ist. So verhält es sich hier.

Die F. war bereits zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses mit den im landgerichtlichen Urteil benannten 28 Kunden außerstande, ihnen die vertraglich geschuldete Leistung der Vermittlung von Börsentermingeschäften mit überwiegender Gewinnwahrscheinlichkeit zu erbringen. Diejenige Leistung, welche die F. ihren Kunden zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erbringen konnte, war die Vermittlung von Börsentermingeschäften mit der üblichen, die Gewinnchance deutlich übersteigenden Verlustwahrscheinlichkeit. Diese Leistung der F. war für ihre Kunden aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Beurteilers unbrauchbar. Ausgehend davon, dass es den Kunden der F. in den abgeurteilten Fällen nach den Feststellungen des Landgerichts darauf ankam, eine Beratungsleistung von einer Qualität zu erhalten, dass die Wahrscheinlichkeit, mit den vermittelten Börsentermingeschäften Gewinne zu erzielen, das Verlustrisiko überstieg und dass die F. ebendies versprochen hat, darf als objektiver Beobachter nicht ein Spekulant gedacht werden, der bereit ist, um des Anreizes eines - sei es auch unwahrscheinlichen - Gewinns willen die hohe Wahrscheinlichkeit eines Verlusts der Anlage in Kauf zu nehmen. Vielmehr muss die Beurteilung aus der Sicht eines fiktiven "homo oeconomicus" vorgenommen werden, der von allen persönlichen Vorlieben oder Vorurteilen des Verfügenden abstrahiert und nur den nackten Kapitalwert der beim Verfügenden jeweils vorhandenen Mittel registriert und bilanziert (vgl. Hoyer in SK-StGB § 263 Rdn. 109 m. w. N.). Ein so gedachter objektiver und vernünftiger Dritter wird aber den Wert einer Beratungsleistung, die ihm den wahrscheinlichen Verlust der Anlage garantiert, mit Null ansetzen.

Bei alledem ist es unerheblich, ob die F. für die Leistung, die sie tatsächlich erbringen konnte, nicht mehr als das für derartige Leistungen übliche Entgelt beanspruchte, wovon im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Landgerichts auszugehen ist. Da die Beratungsleistung, zu der die F. tatsächlich imstande war, aus der maßgeblichen Sicht eines vernünftigen Dritten gänzlich unbrauchbar war, stellte jedes für diese Dienstleistung von den Kunden geschuldete Entgelt unabhängig von dessen Höhe für die Kunden eine Zahlungsverpflichtung ohne Gegenwert dar. Bilanziell wurde die Verpflichtung der Kunden zur Zahlung von Disagio und Kommissionen ungeachtet deren konkreter Höhe durch ihren wertlosen Anspruch auf die Beratungsleistung der F. nicht kompensiert.

2. Strafbarkeit wegen Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften

Die Urteilsgründe belegen auch die abgeurteilten Verstöße der Angeklagten gegen § 89 BörsenG aF (Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften).

Dies gilt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts auch hinsichtlich des Angeklagten M. Aufgrund seiner von der Strafkammer festgestellten Schlüsselstellung als Kapitalanlagebetreuer und -berater innerhalb des arbeitsteilig organisierten Geschäftsbetriebs der F. hat auch er in den ihn betreffenden Fällen gegen § 89 BörsenG aF verstoßen.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1089

Externe Fundstellen: NStZ 2008, 96

Bearbeiter: Ulf Buermeyer