Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 377/02, Urteil v. 27.03.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2002 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Ihr auf die Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. 1. Nach den Feststellungen beschloß der Präsidialrat der durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 mit einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG belegten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine großangelegte Kampagne, bei der sich ihre Anhänger ab dem 31. Mai 2001 an deutsche Behörden wenden, sich als PKK-Sympathisanten bekennen und die Aufhebung des PKK-Verbotes fordern sollten. Erklärtes Ziel der Aktion war auch, durch eine möglichst große Beteiligung eine so große Zahl von Strafverfahren herbeizuführen, daß den Strafverfolgungsbehörden eine Sanktionierung von Verstößen gegen das Betätigungsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht werde. Dementsprechend hieß es in einer Werbung für die Aktion im Internet, "...daß die, die das Problem geschaffen haben, damit auch in ihrem eigenen System fertig werden müssen".
Im Rahmen dieser Kampagne fand am 20. Juni 2001 vor dem Landtagsgebäude in Düsseldorf eine angemeldete und genehmigte Versammlung von überwiegend weiblichen kurdischen Teilnehmern statt, bei der mit Plakaten Freiheit für Öcalan und Frieden für Kurdistan gefordert wurde. Bei dieser Veranstaltung wurde einem Mitglied des Landtags ein Ordner mit 273 Selbstbezichtigungsschreiben übergeben, die mit "Auch ich bin eine PKK'lerin" überschrieben waren und in denen ein Bekenntnis zu den politischen Zielen der PKK, insbesondere zur Freiheit für das kurdische Volk und seinen "nationalen Führer" Öcalan abgelegt wurde. Die Erklärungen, in denen ferner gegen das Betätigungsverbot protestiert und dessen Aufhebung gefordert wurde, lauten:
"Selbsterklärung: 'Auch ich bin eine PKK´lerin'
Während die Geschichte, die Sprache und die Kultur des kurdischen Volkes als nicht vorhanden gezählt wurde, war auch die Frau in einer Position, in der Ihre Existenz geleugnet und ihre Identität nicht anerkannt wurde. In diesem Sinne sind die gerechtfertigten Forderungen des kurdischen Volkes gleich den Forderungen der kurdischen Frau. Deshalb fordern die kurdischen Frauen noch mehr als alle anderen Sektoren, dass ihre nationale und politische Identität offiziell anerkennt wird und dass jegliche Verbote zum freien Ausdruck ihrer Identität aufgehoben werden.
Die Arbeit zur Freiheit der kurdischen Frau ist eine der wichtigsten Werte, die unser 20jähriger Kampf geschaffen hat. Der nationale Befreiungskampf unter der Führerschaft der PKK ist von einem Gesichtspunkt auch der Kampf um die Schöpfung der Frau. Durch diesen Kampf hat die Frau zusammen mit der national-politischen Identität auch zu ihrer Geschlechtsidentität gefunden.
Die PKK zu verbieten, dessen Suche nach einem politischen Kampf und einer politischen Lösung zu verbieten, heißt die Existenz der Frau zu verbieten. In diesem Sinne bedeutet die PKK die Suche der kurdischen Frau nach Freiheit. Deshalb sehe ich als kurdische Frau meine nationalpolitische Identität als meine Würde an. Ich erkläre, dass ich jegliche Verbote über die PKK, die ich als mein Existenzmotiv bewerte, nicht anerkenne.
1. Auf dieser Grundlage erkläre ich als Angehörige des kurdischen Volkes, insbesondere als kurdische Frau, dass ich die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren politischen Kampf auf legaler Grundlage führt. Weiterhin erkläre ich mich der PKK zugehörig.
2. Ich rufe die europäischen Mitgliedstaaten dazu auf, sich an den Maßstäben messen zu lassen, die sie gegenüber anderen Nicht-Mitgliedstaaten anlegt. Außerdem rufe ich diese Staaten dazu auf, bezüglich den in Europa lebenden Kurden, den erklärten Kriterien eines Beitritts zur Europäischen Union selbst gerecht zu werden. Deshalb fordere ich für das kurdische Volk die juristische Anerkennung der Rechte, die auch anderen Völkern zugestanden werden.
3. Weiterhin fordere ich die offizielle Anerkennung der kulturellen und politischen Werte, welche das kurdische Volk in einem großen Kampf geschaffen hat. In diesem Zusammenhang fordere ich die Achtung der nationalen und politischen Identität meines Volkes.
4. Ich unterstütze die Linie des demokratischen Kampfes der PKK, welche auch von ihrem 7. Kongress bestätigt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass die PKK in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt durchgeführt hat, fordere ich die Aufhebung sämtlicher Verbote, die sich gegenüber der PKK in Anwendung befinden.
5. Des weiteren erkläre ich, dass die einzige Garantie für eine dauerhafte Lösung, die Freiheit unseres nationalen Führers, Abdullah Öcalan, und die Schaffung von Möglichkeiten für sein politisches Wirken sind. Deshalb fordere ich: 'Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan'.
Hiermit erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene Verbot und die strafrechtliche Verfolgung der Mitgliedschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen Verfolgung der aktiven Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile. Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses Verbot nicht anerkenne und sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus ergibt."
Auch die Angeklagte, die in Kenntnis des Betätigungsverbots mit den politischen Bestrebungen der PKK sympathisiert und wegen Teilnahme an einer von dieser veranstalteten Botschaftsbesetzung vorbestraft ist, hat eine der mit Namen und Anschrift versehenen Selbsterklärungen unterzeichnet, nachdem sie zuvor mit Landsleuten den Inhalt erörtert hatte. Sie war sich dabei über die Umstände und Ziele der Kampagne im klaren.
In der Bundesrepublik Deutschland gelangten ca. 100.000 derartige Erklärungen an Behörden.
2. Die Strafkammer hat einen Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot nicht in den Sympathiekundgebungen und in der Forderung nach Aufhebung des Verbots, sondern allein in der Erklärung gesehen, "das Verbot nicht anzuerkennen und die Verantwortung zu übernehmen, die sich daraus ergebe". Dadurch werde im Rahmen einer auf solidarische Außenwirkung angelegten Kampagne zum Ungehorsam gegen das Verbot aufgerufen.
II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler ergeben.
1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Angeklagte durch die Unterzeichnung der Bekenntniserklärung und ihre Teilnahme an der vom Präsidialrat der PKK beschlossenen Kampagne dem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG, sich für die PKK zu betätigen, zuwidergehandelt und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verwirklicht hat.
a) Im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG handelt einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG auch ein nicht mitgliedschaftlich und sonst nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser förderlich ist. Auf die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen meßbaren Nutzens kommt es nicht an; es genügt, daß das Täterhandeln konkret geeignet ist, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen (BGHSt 42, 30, 31).
Die "Selbsterklärung" der Angeklagten war auf die verbotene Tätigkeit der PKK bezogen und - jedenfalls unter Berücksichtigung der Kampagne, in deren Rahmen sie abgegeben wurde - konkret geeignet, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu entfalten. Eine solche Eignung kommt den Bekenntnissen aufgrund der in ihnen erklärten Absicht, "das Verbot nicht an(zu)erkenne(n) und sämtliche Verantwortung (zu) übernehme(n), die sich daraus ergibt", in zweifacher Weise zu:
Vorteilhafte Wirkungen können sich zum einen unmittelbar aus der persönlichen Festlegung jedes Unterzeichners, darunter auch der Angeklagten, darauf ergeben, das Verbot auch künftig nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht abhalten zu lassen. Solche Selbstfestlegungen verschaffen den Verantwortlichen der PKK für künftige Aktionen Planungsgrundlagen und erleichtern ihnen so die Fortsetzung der verbotenen Aktivitäten.
Zum anderen liegt es - worauf das Landgericht ebenfalls zu Recht abgestellt hat - auf der Hand, daß die Selbstbekenntnisse der Tätigkeit der PKK auch über eine durch sie vermittelte Stärkung der Solidarität mit anderen potentiellen Sympathisanten der Tätigkeit der PKK im Hinblick auf künftige verbotene Vereinsaktivitäten förderlich ist. Durch die Beteiligung an der groß angelegten Selbstbekenntnisaktion gibt der Unterzeichner auch anderen kurdischen Landsleuten, die der Sache der PKK nahestehen, einen Anstoß, sich ihrerseits anzuschließen und Selbstbekenntnisse zu unterzeichnen; dies wird im übrigen durch die Feststellung anschaulich belegt, daß der Angeklagten eine Weigerung, an der Kampagne teilzunehmen, schwer gefallen wäre. Hinzu kommt, daß den einzelnen Mitgliedern und Sympathisanten bei künftigen verbotenen Aktivitäten die Überschreitung der Schwelle zur Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 4 VereinsG in der Gewissheit, nicht allein zu stehen, sondern in der Gemeinschaft mit vielen Gleichgesinnten vorzugehen, wesentlich erleichtert wird. Unter diesem Aspekt wirkt sich die Unterzeichnung von Selbstbekenntnissen im Rahmen einer groß angelegten Aktion auch schon aktuell vorteilhaft für die Tätigkeit der PKK aus.
b) Der Annahme dieser für die PKK förderlichen Wirkungen steht nicht entgegen, daß die Erklärungen nach ihrem Wortlaut nur an die deutschen Behörden gerichtet waren und diesen übergeben wurden. Denn nach den Feststellungen ging der von der PKK initiierten und gesteuerten Kampagne eine groß angelegte Werbung voraus; der Inhalt der Erklärung wurde unter den kurdischen Landsleuten erörtert; die Schreiben wurden gesammelt und dann - wie hier - im Rahmen von Demonstrationen in der Öffentlichkeit übergeben. Damit erhielten nicht nur die Verantwortlichen der PKK Kenntnis, vielmehr handelt es sich um eine öffentlichkeitswirksame Aktion, die - entsprechend der Absicht der Initiatoren - die ihr zugedachten Wirkungen jedenfalls auch bei den angesprochenen kurdischen Landsleuten entfalten konnte.
Daraus folgt zugleich, daß die Tatbestandsmäßigkeit der Beteiligung der Angeklagten an der Selbstbekenntnis-Aktion - entgegen der Auffassung der Revision - weder daran scheitert, daß es an einer Außenwirkung fehlt, noch daran, daß ihr Verhalten nicht erheblich war.
Das Merkmal einer gewissen Außenwirkung hat der Senat bei der Beurteilung des Verhaltens eines außenstehenden Dritten gefordert, der Propagandamaterial der PKK aus eigenem Antrieb, ohne hierzu von der PKK oder ERNK beauftragt worden zu sein, bei sich lediglich gelagert hatte. Bei dieser Fallkonstellation ist eine strafbare Zuwiderhandlung gegen das Betätigungsverbot nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verneint worden, weil diese Handlung der PKK unbekannt geblieben war und von dieser weder als Entlastung von der Erfüllung eigener Aufgaben noch als Bestärkung ihres Willens zur Fortsetzung der verbotenen Vereinstätigkeit empfunden werden konnte. Mangels Außenwirkung stelle das bloße Vorrätighalten, solange es nicht zu Verbreitungsakten gekommen sei, noch keinen ausreichenden Förderungsbeitrag dar (BGH NJW 1997, 2251 f.). Bei einer unmittelbaren Förderung der verbotenen Vereinstätigkeit, etwa durch Sammeln von Spenden (vgl. BGHSt 43, 312, 313) oder - wie hier - durch Beteiligung an einer von der Führungsebene der PKK initiierten, groß angelegten Kampagne, die auf Stärkung der Bereitschaft von Sympathisanten zu verbotenen Aktivitäten abzielt und eine Verfahrensflut - mit der Folge der Lahmlegung der Strafjustiz - auslösen soll, kommt es auf eine Außenwirkung von vorne herein nicht an; sie könnte im übrigen nach den festgestellten Umständen auch nicht zweifelhaft sein.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, daß ihr Verhalten nicht erheblich im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHSt 43, 312, 313) sei, hat schon der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen, daß damit nicht nur schwerwiegende Verstöße von § 20 Abs. 1 Satz 4 VereinsG erfaßt werden sollen. Das Merkmal der Erheblichkeit soll dazu dienen, tatbestandsmäßige von eher neutralen Handlungen abzugrenzen, und will sicherstellen, daß nur solches Verhalten bestraft wird, das gerade unter dem Gesichtspunkt der Verbotsgründe von Belang ist. Das liegt bei der Beteiligung der Angeklagten an der Selbstbekenntnis-Aktion auf der Hand. Der Versuch der Revision, bei der Bewertung der Erheblichkeit des der Angeklagten vorgeworfenen Verhaltens ihre Erklärung isoliert in den Blick zu nehmen, wird der Sachlage nicht gerecht. Gewicht und Prägung erhält ihre Erklärung dadurch, daß die Angeklagte mit ihr einen Beitrag zu einer groß angelegten und auf solidarische Außenwirkung bedachten Kampagne geleistet hat.
c) Einen Rechtsfehler deckt die Revision auch insoweit nicht auf, als sie sich gegen die Auslegung des "Selbstbekenntnisses" durch das Landgericht wendet. Mit dieser Erklärung haben sich die Unterzeichner, auch die Angeklagte, nicht darauf beschränkt, Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk zu fordern, die Aufhebung des Betätigungsverbots für die PKK zu verlangen und dessen Aufrechterhaltung auf das Schärfste zu mißbilligen.
Hätten die Selbstbekenntnisse lediglich diesen Inhalt, so würden sich die Erklärungen allerdings als Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen (vgl. BVerfG NStZ-RR 2002, 120). Als solche wäre das Selbstbekenntnis der Angeklagten von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auch nicht mit Blick darauf erfaßt, daß sie es im Rahmen einer groß angelegten Kampagne abgegeben hat und die Erklärung - als ungewollte Folge - eine Belebung der von der Vorschrift verbotenen Vereinstätigkeit bewirken könnte. Es versteht sich, daß das Grundrecht auf Meinungsfreiheit das Recht einschließt, die eigene Meinung möglichst wirksam zur Geltung zu bringen.
Eine Auslegung der Erklärung der Angeklagten in dem ihr von der Revision zugeschriebenen Sinn ist aber - auch unter Berücksichtigung der Anforderungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG an die Deutung von Äußerungen ergeben -, ausgeschlossen. Danach ist vor ihrer strafrechtlichen Ahndung sorgfältig zu prüfen, ob nicht auch eine andere Auslegung in Betracht kommt, bei der die fragliche Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar ist (vgl. BVerfGE 82, 43, 52; 93, 266, 295, 296). Bei einer ihren Sinn und Zweck sowie die Umstände ihrer Abgabe, insbesondere den Hintergrund der Gesamtkampagne und deren Zielsetzung berücksichtigenden Auslegung können die "Selbstbekenntnisse" nicht dahin verstanden werden, daß die Unterzeichner - was allerdings ihr eigentliches und vorrangiges Anliegen sein mag - lediglich Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk fordern und die Überprüfung des Verbots der Betätigung für die PKK sowie dessen Aufhebung verlangen. Vielmehr geht es den Erklärenden - entsprechend der zutreffenden Auslegung des Landgerichts - darum, unter allen Umständen, also gerade auch für den von ihnen erwarteten Fall, daß es bei dem Verbot verbleibt, durch Selbstfestlegung und Stärkung der Solidarität mit der PKK einen Beitrag zur Fortführung ihrer Tätigkeit zu leisten.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Erklärung und den festgestellten Umständen der Kampagne kommt ein anderer Sinngehalt, der nicht gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verstoßen würde, nicht in Betracht. Schon durch die das Bekenntnis abschließende Erklärung, daß er "sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus (also aus der Nichtanerkennung des Verbots) ergebe", bringt der Unterzeichner unmißverständlich zum Ausdruck, daß er bereit ist, das Verbot, unabhängig von dessen geforderter Aufhebung, zu mißachten, und die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche Verfolgung in Kauf zu nehmen. Der Zusatz hätte nämlich sonst keinen Sinn, da derartige Konsequenzen - auch für die Erklärenden erkennbar - offensichtlich nicht zu erwarten sind, wenn nur eine Kritik des Verbots geäußert und dessen Aufhebung gefordert wird. Denn eine solche Äußerung wäre durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und damit straflos.
Die danach zutreffende Auslegung der Strafkammer wird durch den Umstand bestätigt, daß es erklärtes Ziel der Kampagne war, die Strafverfolgungsbehörden mit einer solchen Anzahl von Verfahren zu belasten, daß sie diese nicht mehr bewältigen können. Mit dieser Zielsetzung, die sich die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen zu eigen gemacht hat, ist im übrigen die vom Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung erwogene Auslegung nicht in Einklang zu bringen, nach der sie habe zum Ausdruck bringen wollen, die Strafverfolgung nur für den Fall in Kauf zu nehmen, daß die deutschen Behörden sie wegen der durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckten Forderung nach Aufhebung des Verbots verfolgen sollten. Die nur vage Aussicht auf eine Strafverfolgung unter offenkundiger Mißachtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung war auch aus der Sicht der Beteiligten erkennbar nicht geeignet, den genannten Zweck der Kampagne zu erreichen.
d) Auch die subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei bejaht. Danach waren der geständigen Angeklagten die Ziele und Umstände der Kampagne sowie der Inhalt der unterzeichneten Erklärung, den sie zuvor mit Landsleuten erörtert hatte, bekannt.
2. Zum Strafausspruch hat die Nachprüfung des Urteils ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat strafmildernd berücksichtigt, daß die Tat durch ihre kurdische Volkszugehörigkeit, die Verfolgung in ihrer Heimat und ein "dominantes, kämpferisches politisches Engagement" gekennzeichnet ist. Zwar hat es nicht ausdrücklich erörtert, daß die wertsetzende Bedeutung der Meinungsfreiheit bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG NStZ 1994, 357, 358; NJW 1999, 204, 205; 2002, 1031, 1034 f.), doch zeigen seine Erwägungen, daß es diesen Umstand der Sache nach Rechnung getragen hat, zumal es die Angeklagte nur mit einer mäßigen Geldstrafe belegt hat, obgleich diese die Tat während einer laufenden Bewährungszeit aus einer Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Besetzung einer Botschaft im Rahmen einer PKK-Aktion begangen hatte. Im übrigen kommt diesem Umstand bei der Verhängung lediglich geringfügiger Geldstrafen die Bedeutung eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht zu.
Externe Fundstellen: NJW 2003, 2621; NStZ 2003, 491
Bearbeiter: Ulf Buermeyer