Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 71/00, Beschluss v. 21.07.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 27. Mai 1999, auch soweit es den Mitangeklagten M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 57 Fällen und Bandendiebstahls in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt.
Nach den getroffenen Feststellungen wurden in dem Stahlwerk K. zwischen 1988 und 1997 fortlaufend Edelstahlprodukte in einer Gesamtmenge von über 4.000 Tonnen entwendet, auf das Betriebsgelände des anderweitig verfolgten EI. verbracht und von diesem für über 14 Millionen DM verkauft. Dabei handelte es sich um Material, das in den betrieblichen Kontrollsystemen nicht oder nicht in der üblichen Form erfaßt war. Die Stahlpakete wurden von mitbeteiligten Betriebsangehörigen der Firma K. mit gefälschten Etiketten und Kennzeichnungen versehen. Parallel dazu wurden entsprechende Lieferscheine und Transportpapiere ausgefertigt. Nachdem der anderweitig verfolgte El. zuvor entsprechend informiert worden war, holte in seinem Auftrag eine - nicht in den Tatplan eingeweihte -Spedition unter Verwendung der ihr mitgegebenen Ladepapiere jeweils Edelstahlmengen im Bereich von bis zu etwa 25 Tonnen aus dem Stahlwerk ab und brachte sie zu dem nur wenige Kilometer entfernten Betrieb des EI.
Der Angeklagte E. war in der Zeit von Januar 1988 bis zum 10. März 1997 in 87 Fällen, der Mitangeklagte M. in 79 Fällen an den bandenmäßig organisierten Diebstählen beteiligt. Der seit vielen Jahren mit EI. befreundete Angeklagte E. sorgte als Leiter der Werksicherheit, dem auch der Werkschutz unterstand, und als Leiter des Tordienstes dafür, daß die einzelnen Stahlfuhren - unter Beteiligung weiterer Werkschutzangehöriger - unauffällig die Firma verlassen konnten. Auf Nachfrage von EI. ließ er diesen wissen, wann ein bestimmter tatbeteiligter Wieger an der Werkschutzwaage Dienst hatte, der dann von dem Angeklagten E. angewiesen worden war, den Lastzug nur pro forma zu verwiegen und die Wiegeergebnisse nicht weiterzumelden.
Der Mitangeklagte M. war als Industriemeister an verantwortlicher Stelle im Verladebereich der Firma tätig. Unter seiner Mitwirkung wurden die Stahlpakete mit den gefälschten Etiketten und Kennzeichnungen versehen. Die Abholtermine wurden in Absprache mit EI. so festgelegt, daß M. oder andere in seinem Umkreis beteiligte Personen zur Zeit der Abholung ihre Schicht im Werk versahen und die Verladung vornahmen und wieder andere Personen für das unbemerkte Herausfahren der beladenen Lkws sorgen konnten. Von den Erlösen aus den Stahldiebstählen erhielt der Angeklagte E. rund 2 Millionen DM, der Mitangeklagte M. ca. 700.000 DM.
Das Landgericht hat festgestellt, daß zahlreiche weitere Personen im Umkreis des Angeklagten E. und des Mitangeklagten M. an der Durchführung der Taten mit unterschiedlichen Tatbeiträgen im Betrieb beteiligt gewesen waren. Diese hat die Kammer aber nur als Gehilfen angesehen. Lediglich die Angeklagten E., den Mitangeklagten M. sowie den anderweitig verfolgten EI. haben nach Auffassung der Strafkammer als Mitglieder einer Diebesbande gehandelt.
Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand. Die Feststellungen belegen in keinem der 87 Einzelfälle, daß der Angeklagte einen Diebstahl als Mitglied einer Bande gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. bzw. § 244 a Abs. 1 StGB begangen hat.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht allerdings die täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an den Diebstahlstaten festgestellt.
Bezüglich der Anzahl der begangenen Taten stützt es sich auf die Angaben einer von Abnehmerbetrieben der Firma EI. zusammengestellten Liste, die neben dem jeweiligen Stahlgewicht, dem Rechnungsbetrag und dem Empfänger auch das Rechnungsdatum jeder einzelnen Stahlfuhre enthält. Das Landgericht hat dabei mehrere Fuhren an einem Tag zu einer Tat zusammengefaßt, wenn es sich um die Abholung einer zuvor zusammengestellten Lieferung handelte, die die Ladekapazität eines Lastzuges überschritt. Es hat aufgrund von Zeugenaussagen geschlossen, daß die Stahlfuhren an dem Tag des Rechnungsdatums oder zeitlich ganz kurz zuvor erfolgten. An einer noch genaueren Festlegung hat es sich gehindert gesehen, weil weitere Aufzeichnungen über die Verladung der Stahlbleche von den Beteiligten später vernichtet oder erst gar nicht gemacht worden waren.
Die Feststellungen belegen auch mit hinreichender Sicherheit, daß der Angeklagte an allen Diebesfuhren täterschaftlich beteiligt war. Das gilt auch für die Taten, die in Abwesenheitszeiten des Angeklagten begangen wurden. Denn insoweit hat die Kammer festgestellt, daß der Angeklagte den Gang der Dinge so gut organisiert hatte, daß die übrigen Tatbeteiligten auch ohne sein unmittelbares Eingreifen einen Diebstahl ausführen konnten und er sich auch in diesen Fällen vor Durchführung der Diebesfuhren mit anderen Tatbeteiligten abstimmte sowie nachher auch in diesen Fällen am Gewinn beteiligt wurde.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten E. nach den bisher getroffenen Feststellungen aber zu Unrecht wegen bandenmäßiger Begehung verurteilt.
Der Tatrichter ist bei diesem Angeklagten davon ausgegangen, daß er seinen Tatbeitrag "vor Ort" geleistet hat. Deshalb kommt es auf die Frage, ob ein Angeklagter auch dann Bandenmitglied sein kann, wenn er zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlichen Tatbeitrag zu wertenden Weise daran mitwirkt, und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang begangen wird (BGH, Anfragebeschluß des 3. Strafsenats, NStZ 2000, 255 ff.), nach den bisherigen Feststellungen nicht an.
Die Feststellungen belegen in keinem einzigen Fall, daß der Angeklagte "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" gestohlen hat. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert dieses Tatbestandsmerkmal des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, daß mindestens zwei Bandenmitglieder während der Tatausführung zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich, zusammenwirken (BGHSt 8, 205, 206 ff.; 33, 50, 52). Das bedeutet, daß der Angeklagte zusammen mit einem anderen Bandenmitglied, möglicherweise mit dem hierfür in Betracht kommenden Mitangeklagten M., bei der Begehung der Diebstähle, nämlich dem Abtransport der mit den Stahlpaketen beladenen Lastzüge, am Tatort gewesen sein und mit diesem beim Diebstahl zusammengewirkt haben müßte. Zwar stellt die Strafkammer fest, daß der Angeklagte als Leiter des Werkschutzes und des Tordienstes dafür sorgte, daß die einzelnen Stahlfuhren - unter Beteiligung weiterer Werkschutzangehöriger - unauffällig das Stahlwerk verlassen konnten. Der Angeklagte ließ auf Nachfrage EI.'s diesen in jedem Einzelfall wissen, wann ein bestimmter Wieger an der Werkschutzwaage Dienst hatte. Anhand von Arbeitszeit - Nachweiskarten hat das Landgericht teilweise überprüft, ob der Angeklagte E. oder der Mitangeklagte M. zu den Tatzeiten im Werk gearbeitet haben und anwesend waren. Nach dem Ergebnis der Überprüfung war dies "in aller Regel" der Fall, d.h. aber zugleich, daß dies nicht ausschließbar bei einzelnen Diebestaten nicht der Fall war. Soweit in den Arbeitszeit - Nachweiskarten Urlaube, Krankheitstage und Feierschichten vermerkt sein sollen, blieben nach Auffassung des Landgerichts "immer noch Anwesenheitszeiten, in denen eine Beteiligung an dem jeweiligen Diebstahl möglich" war. Für welche konkreten Taten bzw. Tatzeiten Urlaube, Krankheitstage und Feierschichten für den Angeklagten E., aber auch für den Mitangeklagten M. und den früheren Mitangeklagten L. vermerkt waren, ist dem Urteil nicht zu entnehmen; ebenso wenig, worauf das Landgericht seine Schlußfolgerung stützt, daß für den Angeklagten E. stets noch Anwesenheitszeiten belegt sind, die seine Teilnahme an den einzelnen Diebstahlstaten nicht als ausgeschlossen, sondern als möglich erscheinen lassen. Zwar geht die Kammer davon aus, daß der Angeklagte bei zahlreichen Taten auf dem Firmengelände bei den Abtransporten anwesend war, sie unterläßt es aber, seine Anwesenheitszeiten den zeitlich festliegenden und in einer Liste aufgeführten Daten zuzuordnen, so daß im Ergebnis für keinen Einzelfall die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort sicher festgestellt ist. Ein Zusammenwirken des Angeklagten E. mit dem Mitangeklagten M. und dem ohnehin nur als Gehilfen angesehenen früheren Mitangeklagten L. wird entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts durch die Ausführungen des Urteils (UA S. 79) nicht belegt. Lediglich für die Zeit einer konkret benannten und dargelegten längeren Urlaubsabwesenheit des Angeklagten E. führt das Landgericht aus, daß "die organisatorischen Maßnahmen durchaus schon vorher zwischen E. und EI. abgesprochen gewesen seien, wobei letzterer sich ohnehin stets noch unmittelbar vor Durchführung der Diebesfuhren mit (dem Gehilfen an der Waage) L. abzustimmen pflegte". Dies, sowie die Urteilsdarlegungen innerhalb der rechtlichen Würdigung, daß ohne den Angeklagten E. das Herausschaffen der Stahlbleche aus dem Werk nicht möglich gewesen wäre, er mithin eine maßgebliche Schlüsselposition bei dem Tatgeschehen innegehabt habe, belegen, daß das Landgericht das Tatbestandsmerkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" verkannt hat. Das Innehaben einer Schlüsselposition, das Erteilen von generellen Anweisungen und die Vorbereitung der Taten durch umfangreiche organisatorische Maßnahmen reichen dazu entgegen der Auffassung des Landgerichts unter den gegebenen Umständen nicht aus.
3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Senat auch nicht im Hinblick auf den Anfragebeschluß des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2000 (4 StR 284/99 - JZ 2000, 628) an einer Sachentscheidung gehindert. Der 4. Senat will unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung es ausreichen lassen, daß nur ein Bandenmitglied am Tatort handelt, er verlangt als Voraussetzung für die Annahme einer Bande allerdings die Feststellung, daß sie aus mindestens drei Bandenmitgliedern besteht. Denn auch dann, wenn die Anwesenheit nur eines Bandenmitglieds am Tatort ausreichen würde, würden die bisherigen Feststellungen die Annahme einer bandenmäßigen Begehung hier nicht tragen. Das Urteil enthält bisher zu keiner der angeklagten und abgeurteilten Taten die sichere Feststellung der Anwesenheit es Angeklagten E. am Tatort. Da das anderweitig verfolgte Bandenmitglied EI. sich jeweils mehrere Kilometer vom Tatort entfernt in seinem Betrieb aufhielt, müßte wenigstens das dritte Bandenmitglied, der Mitangeklagte M. nach den Feststellungen zu den einzelnen Taten bei der Tatausführung örtlich und zeitlich zugegen gewesen sein. Aber auch das ergeben die getroffenen Feststellungen - wie bereits dargelegt - für keinen einzigen der jeweils zum Nachteil des Angeklagten E. und des Mitangeklagten M. abgeurteilten 87 bzw. 79 Fälle.
Die Aufhebung des Urteils zugunsten des Angeklagten E. war gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken. Denn die sachlich - rechtlichen Fehler, die zur Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteils geführt haben, betreffen in gleicher Weise den Schuld- und Strafausspruch gegen den Nichtrevidenten M.. Auch seine Verurteilung bezüglich derselben 79 von 87 Taten beruht auf den dem Urteil insgesamt anhaftenden Feststellungsmängeln.
Bearbeiter: Rocco Beck