Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 500/99, Urteil v. 05.04.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Juni 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht eine Verfallanordnung abgelehnt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in 13 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, eine Verfallanordnung jedoch abgelehnt. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beanstandet die Ablehnung des beantragten Verfalls von 75.000 DM. Das wirksam auf die Frage des Verfalls beschränkte Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, die Ablehnung der Verfallanordnung hält der sachlich - rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Voraussetzungen, unter denen nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB von dem Verfall abgesehen werden kann, zu Unrecht für gegeben erachtet.
1. Der Angeklagte hat für insgesamt 280.700 DM Haschisch eingekauft. Zur Höhe der Verkaufserlöse konnte das Landgericht keine genauen Feststellungen treffen. Seinen Gewinn hat der Angeklagte überschlägig mit 56.300 DM errechnet, davon 24.750 DM uneinbringliche Außenstände bei einem Abnehmer. Bei der Festnahme des Angeklagten wurden 20.720 DM sichergestellt, auf deren Rückgabe er verzichtet hat. Das Landgericht konnte nicht feststellen, daß der Angeklagte aufwendig gelebt, Schulden getilgt oder Anschaffungen gemacht hätte, die aus Drogenerlösen bezahlt worden wären.
2. a) Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, daß aufgrund des nach § 73 Abs. 1 StGB geltenden Bruttoprinzips der gesamte Verkaufserlös, ohne Abzug von Einkaufspreis, Transportkosten, Kurierlohn usw. für verfallen zu erklären ist (vgl. BGH NStZ 1994, 123). Dem steht nicht entgegen, daß die Verkaufserlöse nicht genau festgestellt werden konnten; denn sie können notfalls geschätzt werden (§ 73 b StGB).
Der Auffassung der Verteidigung, dem Verfall unterlägen nur die nicht für die Beschaffung weiterer Betäubungsmittel reinvestierten Geldmittel, vermag der Senat nicht zu folgen; denn dies liefe auf eine Umgehung des vom Gesetzgeber gewollten Bruttoprinzips hinaus.
Abzuziehen waren von dem Verfallbetrag hier lediglich die uneinbringlichen Außenstände von 24.750 DM und der Betrag, auf dessen Rückgabe der Angeklagte verzichtet hat. Da die Verkaufserlöse - mit Ausnahme des sichergestellten Betrages - bei dem Angeklagten nicht mehr vorhanden waren, kam in Betracht, den Verfall eines entsprechenden Geldbetrags (Verfall von Wertersatz) anzuordnen (§ 73 a StGB).
b) Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch angenommen, die Anordnung könne hier nach der Härteklausel des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB unterbleiben, weil der Wert des durch die Straftaten Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden gewesen sei. Diese Beurteilung ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht bei der Vermögensbewertung nur solche Vermögenswerte berücksichtigen wollte, für deren Anschaffung Drogengelder verwendet wurden, und deshalb den Nettowert (Verkehrswert abzüglich Belastungen) des Mehrfamilienhauses des Angeklagten außer Betracht gelassen hat. Die Revision macht mit Recht geltend, daß eine Ermessensentscheidung ausscheidet, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt. In diesen Fällen liegt es nahe, daß der Wert des Erlangten in seinem Vermögen noch vorhanden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das noch vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten hat. Der Verfall hängt nicht davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat. Eine solche Abgrenzung würde zu kaum lösbaren Beweisschwierigkeiten führen und die gebotene Wirksamkeit der Verfallvorschriften nachhaltig beeinträchtigen. Auch aus dem Wortlaut der Verfallvorschriften läßt sich die Notwendigkeit einer solchen Eingrenzung nicht herleiten. Allerdings muß der "Wert" als solcher zur Zeit der Verfallanordnung bestehen und darf sich - wie im Fall der Schuldentilgung - nicht nur aus einem Vergleich der früheren mit der jetzigen Vermögenslage im Bereich der Passiva ergeben. Daher bleibt Geld, das zur allgemeinen Schuldentilgung verwendet wird, wertmäßig im Vermögen ebensowenig erhalten, wie solches, das für verbrauchbare Sachen ausgegeben wurde. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das aus den Straftaten erlangte Geld zur Entschuldung eines noch vorhandenen Grundstücks verwendet wurde (vgl. BGHSt 38, 23, 25 = NJW 1991, 2714).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Nettowert des Mehrfamilienhauses des Angeklagten hätte festgestellt und als vorhandenes Vermögen berücksichtigt werden müssen. Hierfür genügte nicht die allgemeine Einschätzung, die Werthaltigkeit des Hauses könne "nicht außergewöhnlich hoch sein". Vielmehr hätte die Strafkammer - auch ohne vorherige Ermittlungen oder Beweisanträge der Staatsanwaltschaft - von Amts wegen (§ 244 Abs. 2 StPO) den Verkehrswert des Hauses und nicht nur die vorhandenen Belastungen feststellen müssen. Nur soweit der Verfallbetrag nicht durch vorhandenes Vermögen gedeckt und der Wert des Erlangten nicht mehr vorhanden war, war eine Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB eröffnet. Andernfalls ist eine Verfallanordnung nur ausgeschlossen, soweit sie für den Angeklagten eine unbillige Härte wäre (§ 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. BGH StV 1995, 635). Diese tatrichterliche Bewertung, bei der an die Annahme einer unbilligen Härte hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NStZ 1995, 495), hat das Landgericht bisher nicht vorgenommen. Insbesondere können die Ausführungen zur Begründung des billigen Ermessens nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB diese Bewertung nicht ersetzen.
3. Auf die Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an, weil bereits die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
Externe Fundstellen: NStZ 2000, 480
Bearbeiter: Rocco Beck