Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 270/97, Urteil v. 03.12.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 4. Februar 1997 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten zur Last, er habe zwischen August 1993 und dem 19. Juli 1994 in zwei Fällen unerlaubt gewerbsmäßig Arzneimittel hergestellt und im ersten Fall tateinheitlich hierzu Arzneimittel in den Verkehr gebracht, bei denen der begründete Verdacht auf schädliche Wirkungen bestehe (§§ 96 Nr. 4, 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG).
Im ersten Fall habe er Methyl-Methaqualon zum Verkauf hergestellt. 29,6 g dieses Stoffes seien bei ihm sichergestellt worden, davon 16,5 g in verkaufsfertigen Gelatinekapseln. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil das sichergestellte Methyl-Metaqualon kein Arzneimittel sei.
Im zweiten Fall habe der Angeklagte "MBDB" (N-Methyl-3,4-Methylendioxiphenylbutanamin-2) hergestellt. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten sei nicht auszuschließen, daß der in einem Schütteltrichter als Rückstand in der Menge von maximal 1 g sichergestellte MBDB-Wirkstoff nur als MBDB-Base gelöst in Dichlormethan vorgelegen habe. Dies sei ein nicht konsumfähiges Zwischenprodukt, das nicht den Strafbestimmungen des Arzneimittelgesetzes unterliege.
Im übrigen hat das Landgericht festgestellt, daß der Angeklagte in der Tatzeit - was jedoch nicht Gegenstand der Anklage ist - in großem Umfang Chemikalien erwarb, die zur Herstellung von Betäubungsmitteln geeignet waren. In einer "Schutzschrift", die bei seiner Festnahme aufgefunden wurde, führte er aus, er verwende die Chemikalien "ausschließlich für legale naturwissenschaftliche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Designer-Drogen". Er beabsichtige "die Entwicklung und Erprobung neuer Amphetamin-, Fentanyl-, Methadon-, Methaqualon-, Pethidin-, Phencyclidin-, Tropan- und Tryptaminderivate". Dabei sollten "die Betäubungsmittelstrukturen so modifiziert werden, daß die gewünschten pharmakologischen Eigenschaften dominieren und unerwünschte Eigenschaften reduziert oder beseitigt werden". Dies könne man als "Pharmaforschung" oder auch "Drug-Design" bezeichnen.
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Freispruchs.
1. Die Staatsanwaltschaft und das Landgericht gehen zwar zu Recht davon aus, daß eine Bestrafung des Angeklagten nicht auf die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes oder des Grundstoffüberwachungsgesetzes vom 7. Oktober 1994 (BGBl. I, 2835) gestützt werden kann.
a) Weder Methyl-Methaqualon noch MBDB waren zur Tatzeit Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anl. I-III. MBDB wurde erstmals nach der Tatzeit mit Wirkung vom 27. September 1995 durch die 6. BtMÄndV vom 14. September 1995 (BGBl. I, 1161) als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel in die Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen. Daß der Angeklagte seine Produkte gegenüber Abnehmern fälschlich als Betäubungsmittel ausgeben wollte (§ 29 Abs. 6 BtMG), liegt nach den bisherigen Feststellungen fern.
b) Ein strafbarer unerlaubter Erwerb von Grundstoffen nach § 29 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. § 18 a BtMG a.F. oder § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Grundstoffüberwachungsgesetz kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die einander ablösenden Strafbestimmungen setzen voraus, daß die Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln erworben wurden. Hierfür fehlt es nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten in seiner "Schutzschrift" bisher an hinreichenden Anhaltspunkten.
2. Die Begründung, mit der das Landgericht strafbare Verstöße des Angeklagten gegen das Arzneimittelgesetz verneint hat, hält jedoch der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Nach den bisherigen Feststellungen ist der Freispruch nicht gerechtfertigt.
a) Zu dem sichergestellten Methyl-Methaqualon geht das Landgericht von einem unzutreffenden Begriff des Arzneimittels aus.
(1) Die Kammer meint im wesentlichen, Methyl-Methaqualon sei kein Arzneimittel, weil es nie als solches in der Medizin eingesetzt worden sei. Der Angeklagte habe es eindeutig als Droge hergestellt, und kein Drogenkonsument würde davon ausgehen, ein Arzneimittel zu konsumieren. Zudem wichen Verpackung und Vertriebsform bei Designer-Drogen von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes ab. Sie würden nicht über Apotheken und andere zugelassene Vertriebswege abgegeben und auch nicht wie fertige Arzneimittel mit Beipackzetteln verkauft. Mit diesen Erwägungen kann die Arzneimitteleigenschaft von Methyl-Methaqualon jedoch nicht verneint werden.
(2) Arzneimittel sind nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 AMG u.a.: Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
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5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
Der in § 2 Abs. 1 AMG definierte Arzneimittelbegriff hat sich von dem des allgemeinen Sprachgebrauchs, der Arzneimittel im wesentlichen als Wirkstoffe definiert, die zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten dienen (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 1987; Meyers Enzyklopädisches Lexikon 1971), gelöst. Er geht darüber hinaus und erfaßt auch die Mittel, die die Körperfunktionen beeinflussen sollen. Maßgeblich ist danach allein, ob ein Stoff oder eine Zubereitung zu einem der in § 2 Abs. 1 AMG näher beschriebenen Zwecke bestimmt ist. Diese Zweckbestimmung ist das maßgebende Kriterium für die Beurteilung, ob ein Stoff oder eine Zubereitung als Arzneimittel anzusehen ist. Der Arzneimittelbegriff setzt nicht voraus, daß das Mittel für die in § 2 Abs. 1 AMG genannten Zwecke auch geeignet ist (vgl. Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht § 2 AMG Rdn. 27; Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht 3. Aufl. § 2 AMG Anm. 9). Ob ein Präparat eine therapeutische Wirkung entfaltet, ist keine Frage des Arzneimittelbegriffs, sondern eine Voraussetzung für seine Zulassung (BVerwGE 94, 215; Kloesel/Cyran a.a.O.).
Die Zweckbestimmung hat eine objektive und eine subjektive Komponente. Seit der Neuordnung des Arzneimittelrechts im Jahre 1976 steht die objektive Komponente im Vordergrund (BGHZ 23, 184, 195 f.; BGH NJW 1995, 1615; BVerwGE 71, 318, 321; 97, 132, 135; OLG Koblenz Pharma-Recht 1981, 247). Danach kommt es nicht in erster Linie auf den vom Hersteller oder Abgebenden bestimmten Zweck an, sondern darauf, für welchen Zweck ein Mittel nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, nach der Ansicht eines beachtlichen Teils der Verbraucher oder - insbesondere bei neuartigen Mitteln, für die sich eine Verbraucherauffassung noch nicht gebildet hat - nach der Auffassung der Wissenschaft bestimmt ist. Die Vorstellungen des Herstellers als subjektive Komponente treten dahinter zurück. Bereits aus dem objektiven Kriterium der allgemeinen Verkehrsauffassung sowie dem Zweck des Arzneimittelgesetzes (vgl. § 1) ergibt sich für das von der Verteidigung auch in der Revisionshauptverhandlung angeführte Tränengas und Rattengift, daß es sich nicht um Arzneimittel handelt.
Die objektive Zweckbestimmung gilt jedoch nur für den Regelfall. Es gibt Ausnahmen, bei denen es nach wie vor darauf ankommt, welche Zweckbestimmung der Hersteller eines Mittels oder derjenige, der es in den Verkehr bringt, dem Mittel gibt (vgl. Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht 3. Aufl. § 2 Anm. 9). Dies kommt nicht nur in Betracht bei Stoffen, die für mehrere Verwendungszwecke geeignet sind, sondern auch, wenn sich die Zweckbestimmung nach den genannten objektiven Kriterien nicht beurteilen läßt, weil es sich um einen ansonsten nicht im Verkehr befindlichen Stoff handelt, der erstmals durch den Hersteller oder Abgebenden eine Zweckbestimmung erfährt.
aa) Daß Methyl-Methaqualon als Heilmittel im engeren Sinne nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG angesehen werden könnte, liegt nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts allerdings fern. Danach wurde der Stoff nie als Arzneimittel in der Medizin eingesetzt. Die von einem Pharmaproduzenten durchgeführte Untersuchung seiner Arzneimitteltauglichkeit wurde eingestellt, weil der Stoff gegenüber dem früher als Schlafmittel eingesetzten Methaqualon eine erheblich erhöhte Toxizität bei geringerer Wirkung aufwies. Methaqualon selbst wurde Mitte der 80-er Jahre vom Markt genommen. Bereits seit 1981 ist es zudem dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt (vgl. Körner BtMG 4. Aufl. Anhang C 1 Rdn. 127 ff.). Es ist in Deutschland weder als Arzneimittel zugelassen, noch als zulassungsfreier Stoff im Verkehr und war auch zur Tatzeit nicht auf dem deutschen Markt. Ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfüllt sind, bedarf indessen keiner abschließenden Erörterung.
bb) Methyl-Methaqualon ist dagegen ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG.
Nach den Feststellungen des Landgerichts läßt sich zwar aus den objektiven Kriterien der allgemeinen Verkehrsauffassung, der Verbrauchererwartung und der Beurteilung in der Wissenschaft eine konkrete Zweckbestimmung für diesen Stoff nicht herleiten, weil er in diesen Bereichen ohne Bedeutung ist und keine Verwendung findet. In einem solchen Fall ist aber, was das Landgericht zutreffend erkannt hat, auf die Zweckbestimmung des Herstellers oder desjenigen abzustellen, der den Stoff in den Verkehr bringt. Zum Inverkehrbringen gehört auch - wie hier festgestellt - das Vorrätighalten zum Verkauf oder sonstigen Abgabe (§ 4 Abs. 17 AMG). Stellt man hierauf ab, ist die Arzneimitteleigenschaft - entgegen der Ansicht des Landgerichts - gegeben, weil die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG umschriebene Zweckbestimmung des Angeklagten auf der Hand liegt: Nach seinen eigenen Darlegungen in der "Schutzschrift" wollte der Angeklagte Stoffe herstellen, die in der Wirkung Betäubungsmitteln gleichkommen oder sie sogar übertreffen, gleichzeitig aber nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen. Er selbst bezeichnet seine Tätigkeit als "Pharmaforschung" oder "Drug-Design". Angesichts der festgestellten großen Mengen erworbener Chemikalien, des technischen und finanziellen Aufwands sowie der großen Anzahl der verkaufsfertig abgefüllten Gelatine-Kapseln mit dem Wirkstoff Methyl-Methaqualon erscheint es ausgeschlossen, daß der Angeklagte das Methyl-Methaqualon nur zu rein persönlichen Zwecken und nicht zum gewinnbringenden Verkauf an interessierte Drogenkonsumenten hergestellt hat. Von dieser Zweckbestimmung des Angeklagten ist deshalb - vorbehaltlich der Feststellungen des neuen Tatrichters - auszugehen. Damit sollte das sichergestellte Methyl-Methaqualon als "Designer-Droge" den in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG genannten Zwecken dienen und ist somit Arzneimittel im Sinne des Gesetzes. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der allgemeinen Auffassung, daß Psychopharmaka, soweit sie nicht bereits unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG fallen, Arzneimittel im Sinne der Nr. 5 dieser Vorschrift sind (vgl. Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht § 2 AMG Rdn. 33; Pelchen in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze § 2 AMG Rdn. 14; Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht 3. Aufl. § 2 AMG Anm. 82 c; Hügel/Junge, Deutsches Betäubungsmittelrecht § 29 BtMG Rdn. 3.1; OLG Koblenz Pharma-Recht 1981, 247). Zudem trifft der Umgang mit Drogen, wie der Angeklagte sie hergestellt hat, die Zwecke des Arzneimittelgesetzes in ihrem Kern (vgl. § 1 AMG).
cc) Die Begriffe Arznei- und Betäubungsmittel schließen sich auch nicht gegenseitig aus. Nach § 81 AMG bleiben vielmehr die Vorschriften des Betäubungsmittelrechts unberührt. Auf Arzneimittel, die Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes sind, finden daher neben den Vorschriften des Arzneimittelrechts auch diejenigen der Betäubungsmittel-Gesetzgebung Anwendung (vgl. Sander Arzneimittelrecht § 81 AMG Erl. 1). Das Betäubungsmittelrecht behandelt Betäubungsmittel teilweise ausdrücklich zugleich als Arzneimittel. Dies ergibt sich z.B. aus den Regelungen zu den verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln in § 13 BtMG i.V.m. der Anlage III zu § 1 BtMG und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). § 6 BtMVV bezeichnet die betäubungsmittelhaltigen Zubereitungen ausdrücklich als Arzneimittel.
dd) Auch aus § 1 Abs. 3 BtMG läßt sich nicht herleiten, daß Betäubungsmittel nicht zugleich Arzneimittel sein können. Diese Vorschrift ermächtigt den Bundesminister für Gesundheit, in dringenden Fällen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats, Stoffe und Zubereitungen, die keine Arzneimittel sind, für die Dauer eines Jahres in die Anlagen I-III zu § 1 BtMG aufzunehmen und dadurch als Betäubungsmittel einzustufen. Der Zusatz "die keine Arzneimittel sind" geht auf die Stellungnahme der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zurück. Mit dem Zusatz sollte dafür Sorge getragen werden, daß nicht eine überraschende Rechtsänderung zu unüberschaubaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Patienten führt (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates für ein OrgKG BT-Drucks. 12/989 S. 54). Hieraus ergibt sich, daß nur zugelassene Arzneimittel im Interesse der Patienten von der Verordnungsermächtigung ausgenommen werden sollten. Dies erklärt sich - neben der Rücksicht auf die Medikation von Patienten - daraus, daß diese Arzneimittel bereits aufgrund des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens einer hinreichenden Kontrolle unterliegen und eine Eilkompetenz insoweit entbehrlich ist. Aus § 1 Abs. 3 BtMG läßt sich aber nicht der Umkehrschluß ziehen, daß Betäubungsmittel, deren Einstufung auf dieser Verordnungsermächtigung beruht, nicht zugleich auch Arzneimittel sein können.
ee) Das Zusammenwirken von Betäubungsmittel- und Arzneimittelrecht hat zur Folge, daß der Umgang mit "Designer-Drogen", die nicht Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, nicht von vornherein straflos ist (a.A. ohne nähere Begründung Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 8). Dies kann nur für die Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz gelten, nicht jedoch für den Bereich des Arzneimittelrechts.
ff) Der Arzneimittelbegriff des Arzneimittelgesetzes ist damit zwar weit. Auch in Verbindung mit den hier anzuwendenden Straftatbeständen der §§ 96 Nr. 4 und 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG begegnet dies jedoch keinen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weder hinsichtlich der Bestimmtheit des Blankett-Tatbestands selbst, noch hinsichtlich der dargelegten Auslegung des Arzneimittelbegriffs. Zum einen ist der gesetzliche Arzneimittelbegriff schon durch die an der Rechtsprechung orientierte Neufassung im Jahre 1976 auf objektive Kriterien hin ausgerichtet worden. Zudem wird er durch weitere Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zusätzlich eingegrenzt: § 2 Abs. 3 AMG schließt Lebensmittel, Tabakerzeugnisse und kosmetische Mittel im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes ausdrücklich von der Anwendung des AMG aus. Schließlich stellt das Arzneimittelgesetz nur bestimmte in §§ 95 ff. umschriebene Formen des Umgangs mit Arzneimitteln unter Strafe. Nach § 13 Abs. 1 AMG bedarf nur die gewerbs- oder berufsmäßige Herstellung von Arzneimitteln zum Zwecke der Abgabe an andere der Erlaubnis. Nur diese Erlaubnispflicht ist in § 96 Nr. 4 AMG strafbewehrt. Nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 AMG ist das Inverkehrbringen von Arzneimitteln nur dann strafbar, wenn es sich um Mittel handelt, bei denen begründeter Verdacht auf schädliche Wirkungen besteht. Abweichend vom Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes sind unter anderem die Herstellung für den Eigenbedarf sowie nicht gewerbs- oder berufsmäßiges Herstellen nicht strafbar. Der strafbare Bereich des Umgangs mit Betäubungsmitteln wird daher durch die differenzierten Straftatbestände in §§ 95 ff. AMG hinreichend begrenzt. Hieraus ergibt sich zugleich, daß das vom Angeklagten in Anspruch genommene Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG durch die im vorliegenden Fall angewandten Straftatbestände nicht tangiert wird. Der vom Landgericht unternommene Versuch einer einschränkenden Auslegung des Arzneimittelbegriffs ist mit dem Wortlaut des Arzneimittelgesetzes nicht vereinbar und würde im Ergebnis statt mehr Rechtssicherheit zusätzliche Unsicherheit mit sich bringen.
gg) Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, daß eine Gesetzesinitiative, mit der in einem § 29 Abs. 7 BtMG die Herstellung von Stoffen und Zubereitungen unter Strafe gestellt werden sollte, die in ihrer chemischen Struktur einem Betäubungsmittel vergleichbar sind und wie ein Betäubungsmittel mißbraucht werden können, nicht verwirklicht wurde (vgl. Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 78 m.w.N.). Gegen diesen Vorschlag wurden im Gesetzgebungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots Bedenken erhoben, so daß der in § 1 Abs. 3 AMG eingefügten Verordnungsermächtigung der Vorzug gegeben wurde (vgl. Bundesrat, 610. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten vom 25. April 1990 Diskussionsprot. S. 32). Diese Bedenken lassen sich auf die hier in Rede stehenden Tatbestände des Arzneimittelgesetzes aber nicht übertragen.
hh) Aus den vom Landgericht mitgeteilten nachteiligen Wirkungen von Methyl-Methaqualon (vgl. oben II, 2 a (2) aa) ergibt sich, daß auch der vom Landgericht bisher nicht erörterte Verdacht nachteiliger Wirkungen im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG der Prüfung bedurfte.
b) Bei der rechtlichen Bewertung der sichergestellten MBDB-Base ist das Landgericht von einem zu engen Begriff des Herstellens ausgegangen. Herstellen ist nach der gesetzlichen Definition in § 4 Abs. 14 AMG das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken und das Kennzeichnen. Diese Definition entspricht - mit Ausnahme des Umfüllens, Abpackens und Kennzeichnens - dem Begriff des Herstellens in § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Der Sammeltatbestand des Herstellens umfaßt somit sämtliche Tätigkeiten des Produktions- und Verarbeitungsprozesses bis hin zum verkaufsfertig verpackten Arzneimittel. Der tatbestandsmäßige Herstellungsvorgang ist nicht erst bei Erreichen eines konsumfertigen Endprodukts vollendet. Das Herstellen ist - wie im Betäubungsmittelrecht - Unternehmensdelikt. Die Tat ist deshalb bereits vollendet, wenn nur eines der vorgenannten Herstellungsstadien abgeschlossen ist. Wird durch die Synthese verschiedener Stoffe die Vorstufe eines Arzneimittels, ein Zwischenprodukt oder ein Endprodukt erarbeitet, so liegt bereits Vollendung im Sinne des Tatbestands vor (vgl. hierzu aus dem Betäubungsmittelrecht: OLG Düsseldorf NStZ 1995, 30; Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 58, 59, 91 ff.; Franke/Wienroeder BtMG § 29 Rdn. 40-47; Joachimski BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 20; § 2 Rdn. 11; Hügel/Junge, Deutsches Betäubungsmittelrecht § 29 BtMG Rdn. 3.1; Pelchen in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze § 29 BtMG Rdn. 4).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, hat der Angeklagte - entgegen der Annahme des Landgerichts - ein Arzneimittel hergestellt. Als Handlungsvariante liegt hier das Anfertigen vor, weil nach den Feststellungen des Landgerichts davon auszugehen ist, daß der Angeklagte mittels chemischer Synthese das Zwischenprodukt MBDB-Base - gelöst in Dichlormethan - angefertigt hat. Aufgrund der gesamten Umstände, insbesondere aufgrund der großen Mengen der erworbenen Ausgangsmaterialien, liegt es auch nahe, daß der Angeklagte dieses Arzneimittel nicht zum Eigenverbrauch, sondern gewerbs- oder berufsmäßig zum Zwecke der Abgabe an andere hergestellt hat und somit nach § 13 Abs. 1 AMG eine Erlaubnis benötigt hätte.
Der Strafbarkeit nach § 96 Nr. 4 AMG steht nicht entgegen, daß MBDB mit Wirkung vom 25. September 1995 und sodann erneut ab dem 1. Februar 1997 jeweils für die Dauer eines Jahres durch die 6. und 9. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 14. September 1995 und 28. Januar 1997 (BGBl. 1995 I, 1161; 1997 I, 65) in den Anhang I zu § 1 BtMG aufgenommen worden und seither Betäubungsmittel im Sinne des BtMG ist. Dies steht der Bewertung von MBDB als Arzneimittel nicht entgegen. Wie bereits dargelegt, kann derselbe Stoff zugleich Arzneimittel als auch Betäubungsmittel sein. Das gilt sowohl für die Tatzeit als auch für die Zeit danach (§ 2 Abs. 3 StGB).
Mit der Aufhebung des Freispruchs erledigt sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidung des angefochtenen Urteils.
Externe Fundstellen: BGHSt 43, 336; NJW 1998, 836; NStZ 1998, 258
Bearbeiter: Rocco Beck