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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 442/92, Urteil v. 04.12.1992, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 442/92 - Urteil vom 4. Dezember 1992 (LG Aachen)

BGHSt 39, 88; Tatort eines Verbrechens (Ort, an dem das Verbrechen verabredet wurde, Handlungsort eines von mehreren Mittätern).

§ 9 Abs. 1 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 30 Abs. 2 StGB

Leitsätze

1. Tatort eines Verbrechens ist auch der Ort, an dem es verabredet worden ist. (BGHSt)

2. Begehen Mittäter eine Straftat, so ist für jeden Mittäter ein Tatort dort begründet, wo einer von ihnen gehandelt hat. Dies gilt auch dann, wenn sich das Handeln eines Mittäters auf Tatbeiträge beschränkt, die für sich gesehen nur Vorbereitungshandlungen sind. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Februar 1992 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Versicherungsbetrugs und wegen Betrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand. Dies gilt auch für die allein erörterungsbedürftige Verurteilung wegen Versicherungsbetrugs (§ 265 Abs. 1 StGB).

1. Das Landgericht hat insoweit folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Angeklagte und die Zeugin H. fuhren am 10. August 1987 aufgrund gemeinsamen Tatentschlusses mit zwei Personenkraftwagen von Eschweiler nach Hauset in Belgien. Sie hatten die Absicht, den einen Pkw, der mangels Entrichtung des vollen Kaufpreises noch im Vorbehaltseigentum der Verkäuferin stand, in Brand zu setzen, um von der Versicherung, bei der er gegen Brandschäden kaskoversichert war, die Versicherungssumme zu erlangen. In Hauset zündete der Angeklagte das Fahrzeug unter Verwendung eines aus Deutschland mitgebrachten Brandbeschleunigers an. Sofort danach fuhr er mit dem anderen Pkw nach Deutschland zurück. Die Zeugin alarmierte Feuerwehr und Polizei, die jedoch nicht mehr verhindern konnten, daß der Wagen vollständig ausbrannte. Entsprechend der Anweisung, die ihr der Angeklagte erteilt hatte, erklärte die Zeugin den belgischen Polizeibeamten, sie habe den Wagen gefahren und dieser sei plötzlich von selber in Brand geraten. Sie ist als Mittäterin des Angeklagten wegen Versicherungsbetruges bereits rechtskräftig verurteilt.

2. Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten hiernach wegen Versicherungsbetruges (§ 265 Abs. 1 StGB) verurteilt.

Für diese Tat gilt das deutsche Strafrecht, weil sie (auch) im Inland begangen ist (§ 3 StGB).

Der Begehungsort liegt - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - dort, wo der Täter gehandelt hat oder der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (§ 9 Abs. 1 StGB). Die Handlung des Angeklagten bestand im Anzünden des Wagens, der tatbestandsmäßige Erfolg im dadurch verursachten Brand (§ 265 Abs. 1 StGB). Danach ist zunächst ein Tatort in Belgien gegeben.

a) Doch liegt ein weiterer Tatort im Inland, weil der Angeklagte auch hier eine Handlung vorgenommen hat, die auf die Verwirklichung des Tatbestands abzielte.

Dem Landgericht kann zwar nicht darin gefolgt werden, daß er im Inland den Versicherungsbetrug bereits versucht habe, indem er auf seiner Fahrt zur Grenze den zur Inbrandsetzung dienenden Brandbeschleuniger mitführte; denn darin lag noch kein unmittelbares Ansetzen zur Tat (§ 22 StGB), dies ebensowenig wie in sonstigen Fällen, in denen der Täter Tatwerkzeuge oder andere Hilfsmittel dorthin bringt, wo er sie zur Tatausführung einsetzen will.

Handlung im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB kann jedoch - neben der tatbestandsmäßigen Tätigkeit selbst und dem Versuch - auch eine Vorbereitungshandlung sein, sofern sie nur selbständig mit einer Strafsanktion bedroht ist (BGHSt 34, 101, 106 m.w.N.). Eine solche Vorbereitungshandlung hat der Angeklagte schon im Inland vorgenommen, indem er sich hier mit der Zeugin zur Begehung des Versicherungsbetruges verabredete. Diese Verabredung ist, da das Delikt des § 265 StGB ein Verbrechen darstellt (§ 12 Abs. 1 StGB), selbständig mit Strafe bedroht (§ 30 Abs. 2 StGB). Daß sie als solche nicht bestraft werden kann, weil sie hinter der Ausführung der verabredeten Tat zurücktritt (Subsidiarität), nimmt ihr nicht den Charakter einer tatortbegründenden Handlung. Wäre es bei der Verabredung geblieben, so bestünde am Vorliegen des inländischen Tatorts kein Zweifel. Der Umstand, daß die Verabredung nicht nur getroffen, sondern auch noch realisiert worden ist, kann aber den einmal begründeten Tatort nicht wieder beseitigen, sondern fügt ihm lediglich einen weiteren Tatort, nämlich den der Begehung des verabredeten Deliktes, hinzu.

b) Darüberhinaus ist ein inländischer Tatort für den Angeklagten auch noch unter einem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Das ergibt sich aus folgendem:

Der Angeklagte hat den Versicherungsbetrug nicht als Alleintäter, sondern gemeinschaftlich mit der Zeugin verübt. Diese war Mittäterin (§ 25 Abs. 2 StGB). Denn sie hat in der Absicht, zusammen mit dem Angeklagten die Versicherungsleistung zu erhalten, einen der beiden Wagen nach Hauset in Belgien gefahren, um dadurch dem Angeklagten die Möglichkeit zu eröffnen, sogleich nach der Inbrandsetzung des einen Pkws mit dem anderen Wagen zurückzukehren und sich so ein Alibi zu verschaffen. Der Annahme ihrer Mittäterschaft steht nicht entgegen, daß sie selbst keine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung vorgenommen hat. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen der Mittäterschaft im übrigen vor, so ist Mittäter auch ein Beteiligter, dessen persönliche Mitwirkung an der Tat sich auf bloße Vorbereitungshandlungen beschränkt (st. Rspr., BGH NJW 1951, 410; 1985, 1035; BGHSt 14, 123, 128 f.; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 12).

Für die Zeugin liegt danach ein Tatort nicht nur in Belgien, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist, sondern auch in Deutschland; denn sie hat einen Teil ihres Tatbeitrags, der in der Fahrt mit einem der beiden Wagen nach Hauset in Belgien bestand, bereits durch ihre Fahrt zur belgischen Grenze erbracht und damit im Inland gehandelt (§ 9 Abs. 1 StGB). Bei einem Mittäter, dessen Tatbeitrag sich in einer Vorbereitungshandlung erschöpft, bestimmt diese Vorbereitungshandlung den Tatort der Handlung, da eine andere Willensbetätigung als Anknüpfungspunkt für die Tatortbestimmung nicht in Betracht kommen kann (so Bergmann, Der Begehungsort im internationalen Strafrecht Deutschlands, Englands und der Vereinigten Staaten von Amerika, 1966 S. 36 f.).

Der inländische Tatort, der demzufolge für die Zeugin begründet ist, stellt sich aber zugleich auch als ein für den Angeklagten maßgebender Tatort dar. Im Falle der Mittäterschaft ist die Tat an jedem Ort begangen, an dem auch nur einer der Mittäter gehandelt hat (RGSt 11, 20, 23; 13, 337, 339; 57, 144 f.; BGH, Urt. v. 6. April 1976 - 4 StR 108/76; Lackner StGB 19. Aufl. § 9 Rdn. 2; Lemke in AK § 9 Rdn. 8; Tröndle in LK 10. Aufl. § 9 Rdn. 3; Pfeiffer in KK 2. Aufl. § 7 Rdn. 4; Dünnebier in Löwe/Rosenberg, StPO 22. Aufl. § 7 Anm. I 2 g). Das gilt selbst dann, wenn sich das Handeln des einen Mittäters auf Tatbeiträge beschränkt, die für sich gesehen nur Vorbereitungshandlungen sind: sein Tatort ist damit zugleich derjenige des anderen Mittäters (RGSt 57, 144 f.; BGH aaO; Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl., § 9 Rdn. 2; Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 9 Rdn. 4; Jescheck, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 160). Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung kommt bei Mittätern eine gesonderte, zu unterschiedlichen Ergebnissen führende Tatortbestimmung nicht in Betracht. Sie widerspräche dem Grundsatz wechselseitiger Zurechnung, der auch insoweit gilt und - unabhängig von der Art der mittäterschaftlichen Tatbeiträge - in der Gemeinschaftlichkeit der Tatbegehung (§ 25 Abs. 2 StGB) seine Rechtfertigung findet. Der gemeinschaftliche Angriff auf das geschützte Rechtsgut geht von jedem Ort aus, an dem einer der Mittäter seinen Tatbeitrag leistet und damit im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB handelt. Da sich jeder Mittäter aber den Tatbeitrag des anderen zurechnen lassen muß, kann für die Tatortbestimmung nichts anderes gelten.

3. Das Landgericht hat daher im Ergebnis zu Recht deutsches Strafrecht angewandt und den Angeklagten wegen Versicherungsbetruges (§ 265 Abs. 1 StGB) verurteilt.

Auch ansonsten enthält das angefochtene Urteil weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Seine Revision ist mithin zu verwerfen.

Externe Fundstellen: BGHSt 39, 88; NJW 1993, 1405; NStZ 1993, 180; StV 1993, 239

Bearbeiter: Rocco Beck