HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 663
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 469/06, Beschluss v. 25.05.2007, HRRS 2007 Nr. 663
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2006, soweit der Angeklagte verurteilt wurde, mit den Feststellungen aufgehoben; ausgenommen hiervon bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu der Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verurteilung des Angeklagten hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand, weil das voluntative Element des bedingten Untreuevorsatzes in Bezug auf die schadensgleiche Vermögensgefähr[d]ung der geschädigten Bank nicht hinreichend belegt ist.
1. Das Landgericht hat zu dem der Verurteilung des Angeklagten zu Grunde liegenden Tatvorwurf im Wesentlichen festgestellt:
Der Angeklagte hatte als Notar in Frankfurt am Main Ende Oktober 1998 einen Kaufvertrag über ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus in Plauen protokolliert. Als Kaufpreis wurden 950.000 DM vereinbart, wobei das Kaufobjekt von dem früheren Mitangeklagten G., der die Verkäuferin vertrat, saniert werden sollte. Ohne Sanierung war das Objekt nur 127.000 DM wert. 700.000 DM des Kaufpreises sollten am 30. November 1998, 250.000 DM nach Übergabe bzw. Fertigstellung am 31. März 1999 oder gegen Stellung einer Bankbürgschaft (Fertigstellungsbürgschaft) durch G. fällig werden. Neben dem Kaufvertrag versprach G. den Käufern eine Kickback-Zahlung von 10 % des Kaufpreises. Der Kaufpreis sollte von den Käufern voll finanziert werden. Diese Finanzierung vermittelte G. bei der SB-Bank. Nach dem Kreditvertrag sollten 700.000 DM bei Fertigstellung von 75 % der Sanierung ausgezahlt werden, die Schlusszahlung von 250.000 DM sollte entweder nach Abschluss der Sanierung oder am 31. März 1999 gegen Vorlage einer Fertigstellungsbürgschaft erfolgen.
Für die von den Käufern erstrebten Steuervorteile war es erforderlich, dass der Kaufpreis noch 1998 ausgezahlt wurde. Auch die Verkäuferin legte Wert auf die schnellstmögliche Auszahlung. Um dies zu erreichen, fertigten G. und die Käufer am 16. Dezember 1998 ein inhaltlich falsches Übergabeprotokoll, wonach das Kaufvertragsobjekt an die Käufer übergeben worden sei und der Bautenstand zur Zahlung von 700.000 DM erreicht sei. Käufer und Verkäufer seien einig, dass auch die Restzahlung von 250.000 DM auf das Notaranderkonto des Angeklagten überwiesen werde. Zudem ließ G. den angeblich erreichten Renovierungsstand durch den inhaltlich falschen Bericht eines Sachverständigen bestätigen. Das falsche Übergabeprotokoll und der falsche Bericht des Sachverständigen veranlassten die Bank, den gesamten Kreditbetrag auf das Notaranderkonto des Angeklagten auszuzahlen. Noch bevor der zugehörige Treuhandauftrag bei ihm eingegangen war, veranlasste der Angeklagte die Auszahlung von 700.000 DM an die Verkäuferin. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue zum Nachteil der Bank freigesprochen.
In dem Treuhandauftrag der SB-Bank an den Angeklagten wurde die Auszahlung der Kreditsumme davon abhängig gemacht, dass die vereinbarten Grundschulden eingetragen und die Eigentumsumschreibung auf die Käufer sichergestellt waren. Hinsichtlich des zweiten Teilbetrags von 250.000 DM musste ferner eine Fertigstellungsbürgschaft vorliegen, um die aus der Sicht der Bank dann noch erforderlichen Sanierungskosten abzudecken. Der Angeklagte nahm den Treuhandauftrag an und begann die Auflagen des Treuhandauftrags umzusetzen. Er forderte insbesondere G. auf, die erforderliche Fertigstellungsbürgschaft über 250.000 DM vorzulegen. Um auch die Auszahlung der restlichen 250.000 DM zu erreichen, fertigten G. und die Käufer mit Datum vom 2. Februar 1999 ein weiteres inhaltlich falsches Übergabeprotokoll, in dem die Käufer auf Grund einer telefonischen Zusicherung des G. bestätigten, das Objekt sei mängelfrei übergeben worden. In Wirklichkeit war mit der Sanierung noch nicht begonnen worden. Zur Bestätigung verwendete G. eine weitere inhaltlich falsche Bescheinigung des Sachverständigen vom 3. Februar 1999, in der dieser bestätigte, nach einer Besichtigung am 2. Februar 1999 in Plauen sei das Objekt fertig gestellt, bezugsfertig und ertragsfähig. In Wirklichkeit hatte keiner der Beteiligten das Objekt in Plauen besichtigt.
Nachdem der Angeklagte die Eigentumsübertragung sichergestellt hatte und ihm die Eintragung der vereinbarten Grundschulden angezeigt worden war, beauftragte er seine Mitarbeiterin L., die Auszahlung des restlichen Kreditbetrags (250.000 DM abzüglich einer Eintragungsgebühr von 35 DM) vorzubereiten. L. überprüfte nochmals die Voraussetzungen des Treuhandauftrags und erklärte dem Angeklagten, die Voraussetzung der Bürgschaft sei noch nicht erfüllt. Dem Angeklagten war bewusst, dass er gegen diese Auflage verstieß, wies die Zeugin L. jedoch an, es werde jetzt ausgezahlt, die Bürgschaft sei nicht mehr erforderlich, weil das Anwesen mängelfrei übergeben worden sei, wie sich aus dem Übergabeprotokoll und der Bescheinigung des Sachverständigen ergebe. Dass beide inhaltlich falsch waren, wusste der Angeklagte nicht. Der Angeklagte überwies daher am 23. Februar 1999 den restlichen Kreditbetrag an die Verkäuferin, ohne dass ihm die im Treuhandauftrag verlangte Fertigstellungsbürgschaft vorlag. Dem Angeklagten war an einer schnellen Geschäftsabwicklung gelegen, zumal er von G. - einem guten Kunden seines Notariats - zur Auszahlung gedrängt wurde. Der Angeklagte stellte daher nach den Feststellungen des Landgerichts das Sicherungsinteresse der Bank hintan und nahm eine mögliche Vermögensgefährdung der Bank durch unzureichende Kreditsicherung billigend in Kauf. Einige Wochen später erfuhr die Bank vom wahren Zustand des Hauses. Die Kreditforderung gegen die Käufer wurde 2005 für 30 % ihres Nominalbetrags weiterverkauft.
2. Die Feststellungen zum äußeren Tathergang beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Die insoweit erhobenen Verfahrensrügen sind offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Diese Feststellungen können daher bestehen bleiben. Ergänzende und nicht widersprechende Feststellungen in der neuen Hauptverhandlung sind möglich.
3. Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe eine Vermögensgefährdung der Bank durch unzureichende Kreditsicherung billigend in Kauf genommen, hält der sachlichrechtlichen Prüfung unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHSt 51, 100 Rdn. 56 ff.) nicht stand.
Dabei ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus dem objektiven Tatgeschehen und den Angaben der Zeugin L. hergeleitet hat, der Angeklagte habe wissentlich, also mit direktem Vorsatz gegen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, indem er den Restbetrag des Kredits ausbezahlt hat, obwohl die erforderliche Fertigstellungsbürgschaft nicht vorlag. Das Landgericht geht auch zu Recht davon aus, dass der Angeklagte als Treuhänder nicht befugt war, aufgrund einer eigenen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten von der ausdrücklichen Auszahlungsbedingung des Treuhandauftrags der Bank abzuweichen und eigenmächtig auf die Vorlage der Fertigstellungsbürgschaft zu verzichten.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe eine Vermögensgefährdung der Bank durch unzureichende Kreditsicherung nicht nur erkannt, sondern zumindest auch billigend in Kauf genommen.
Diese Bedenken betreffen zwar nicht das kognitive Element des bedingten Gefährdungsvorsatzes. Insoweit geht das Landgericht unter Hinweis auf die langjährigen beruflichen Erfahrungen des Angeklagten mit tragfähigen Erwägungen davon aus, dass dem Angeklagten das mit dem Verzicht auf die Fertigstellungsbürgschaft verbundene Risiko für die Bank bewusst gewesen sei.
Nicht hinreichend belegt ist jedoch das voluntative Vorsatzelement. In den Fällen der schadensgleichen Vermögensgefährdung ist der Tatbestand der Untreue im subjektiven Bereich dahin zu begrenzen, dass der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens nicht nur die Kenntnis des Täters von der konkreten Möglichkeit eines Schadenseintritts und das Inkaufnehmen dieser konkreten Gefahr voraussetzt, sondern darüber hinaus eine Billigung der Realisierung dieser Gefahr, und sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolgs abfindet (BGHSt 51, 100 Rdn. 63).
Das Landgericht führt hierzu lediglich aus: Auch wenn der Angeklagte wegen der ihm vorliegenden angeblichen Fertigstellungsbeweise (Übergabeprotokoll und Bescheinigung des Sachverständigen) hoffte, dass sich der Schaden bei der Bank nicht realisieren werde, habe er sich dennoch mit dieser Möglichkeit abgefunden, um so den Vorgang schnell abwickeln und dem Interesse der Kaufvertragsparteien entgegenkommen zu können (UA S. 22). Dies ist nicht mehr als eine Behauptung des Landgerichts, die jedoch einer näheren Begründung und Erörterung bedurft hätte. Die vorangehenden beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts begründen zwar das kognitive, nicht aber das voluntative Vorsatzelement. Die Beweiswürdigung zu Letzterem hätte insbesondere eine Erörterung erfordert, ob sich der Angeklagte tatsächlich auch mit der Realisierung des Gefährdungsschadens zumindest abgefunden hat, nur um "den Vorgang schnell abwickeln und den Interessen der Kaufvertragsparteien entgegenkommen zu können." Das Landgericht erkennt zwar zutreffend, dass die Bank nach der Auszahlung die Kreditsumme nicht mehr von dem Anderkonto des Angeklagten zurückfordern konnte. Das Landgericht übersieht jedoch, dass der Angeklagte sich durch den Verstoß gegen den Treuhandauftrag der Bank schadensersatzpflichtig gemacht hat und auch die Berufshaftpflichtversicherung des Notars einen bedingt vorsätzlich verursachten Schaden nicht abdeckte (§ 152 VVG), so dass er, wie sich ihm aufgrund seiner Berufserfahrung aufdrängen musste, letztlich persönlich für den etwa entstehenden Schaden aufkommen muss. Ob der Angeklagte dies alles tatsächlich billigend in Kauf nehmen oder sich hiermit abfinden wollte, erscheint zumindest zweifelhaft und hätte näherer Prüfung und Erörterung auch im Verhältnis zu den etwaigen Vorteilen der schnellen Abwicklung für den Angeklagten und die Vertragsbeteiligten erfordert. Hieran fehlt es jedoch.
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 663
Externe Fundstellen: NStZ 2007, 704; NStZ 2008, 397; StV 2007, 581
Bearbeiter: Ulf Buermeyer