Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 164/02, Beschluss v. 17.07.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird gemäß § 13 a StPO dem Amtsgericht Aachen übertragen.
1. Der Angeschuldigte betrieb seit dem Jahreswechsel 2000/2001 in H. /Niederlande einen Head-Shop, in dem er auch Marihuana in größeren Mengen verkaufte. In dem vorliegenden Verfahren wird ihm vorgeworfen, zwischen Januar und März 2001 in vier Fällen in H. an den gesondert verfolgten K. aus S. jeweils mindestens 50 Gramm Marihuana zu einem Grammpreis von DM 6,50 verkauft zu haben. Das Rauschgift wurde sogleich bezahlt und übergeben. K. führte die Betäubungsmittel in die Bundesrepublik ein und verkaufte sie - zumindest teilweise - in S. /Deutschland in kleinen Portionen gewinnbringend weiter.
2. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat beim Amtsgericht Eschweiler - dem für S. zuständigen Amtsgericht - den Erlaß eines Strafbefehls gegen den Angeschuldigten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen beantragt. Das Amtsgericht Eschweiler hat den Antrag zurückgewiesen, da es mangels Begründung eines Gerichtsstands örtlich nicht zuständig sei. Die gegen diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Aachen zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft Aachen hat den Generalbundesanwalt gebeten, gemäß § 13 a StPO eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über den Gerichtsstand herbeizuführen.
Nach § 13 a StPO bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht, wenn es im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung an einem zuständigen Gericht fehlt oder dieses nicht ermittelt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
Ein Gerichtsstand in Deutschland ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für einen Gerichtsstand nach § 8 StPO (Wohn- oder Aufenthaltsort), § 9 StPO (Ergreifungsort) oder §§ 10 ff. StPO sind nicht erfüllt. In Deutschland ist auch kein Gerichtsstand des Tatorts nach § 7 Abs. 1 StPO gegeben:
1. Im Hinblick auf das eigene - täterschaftliche - Handeltreiben mit Betäubungsmitteln des Angeschuldigten liegt in Deutschland kein Tatort i.S.v. § 9 Abs. 1 StGB. Der Angeschuldigte wurde von K. in H. /Niederlande aufgesucht. Er hat ihm dort gegen sofortige Bezahlung das Rauschgift übergeben. Die Tat war damit nicht nur voll-, sondern auch beendet (vgl. BGHSt 43, 158, 162, OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314). Handlungsort war damit allein H.
In Deutschland ist auch kein zum Tatbestand gehörender Erfolg i.S.v. § 9 Abs. 1 StGB eingetreten (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314). Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeits- und kein Erfolgsdelikt (vgl. BGHSt 30, 277, 278), so daß allein auf den Handlungsort abzustellen ist (h.M., vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 9 Rdnr. 2, Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 9 Rdnr. 6; Hoyer in SK-StGB § 9 Ren. 8, str. vgl. auch Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 9 Rdnr. 5a). Durch die Übertragung des Besitzes an dem Rauschgift gegen Bezahlung ist hier jedenfalls das tatbestandliche Endziel des Handeltreibens in den Niederlanden bereits erreicht worden. Weitergehende Tatwirkungen, die für die Verwirklichung des Tatbestands nicht oder nicht mehr relevant sind, können keinen Tatort begründen (Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdnr. 19; Eser aaO).
2. Ein Tatort in Deutschland läßt sich - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht mit einer Beteiligung des Angeschuldigten an dem Handeltreiben des K. durch dessen Weiterverkauf der Drogen in S. /Deutschland begründen.
Mittäterschaftliches Handeln, bei dem die Tat an jedem Ort begangen ist, an dem einer der Mittäter gehandelt hat (vgl. BGHSt 39, 88, 91), liegt hier nicht vor. Denn das Zusammenwirken zwischen Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln stellt sich grundsätzlich als jeweils selbständige Täterschaft dar, da sich beide als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegenteilige Interessen verfolgen, so daß ihr Zusammenwirken allein durch die Art der Deliktsverwirklichung notwendig vorgegeben ist (BGHSt 42, 255, 259; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; vgl. auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., Vorbem. §§ 25 ff. Rdnr. 46 ff.).
Aus dem gleichen Grund kann in dem täterschaftlichen Handeltreiben des Verkäufers auch nicht zugleich eine Beihilfehandlung zu dem durch den Erwerb und die Weiterveräußerung der Betäubungsmittel begründeten Handel treiben des Abnehmers gesehen werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; Körner, BtMG 5. Aufl., § 29 Rdnr. 645 a.E.; a.A. Oehler Anm. zu BGHSt 27, 30 ff., JR 1977, 424, 426), so daß ein Gerichtsstand in Deutschland hier auch nicht nach § 7 Abs. 1 StPO i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB gegeben ist. Der Angeschuldigte verfolgte mit der Übergabe des Rauschgifts an K. allein seine eigenen Interessen. Sein Beitrag zur Tat des K. ging nicht über das zur eigenen Deliktsverwirklichung notwendige Zusammenwirken mit einem anderen hinaus.
Dem Ergebnis steht auch das Urteil des Senats vom 5. Februar 1997 (NStZ 1997, 286) nicht entgegen. Denn in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall wirkten die Beteiligten gerade mittäterschaftlich in dieselbe Deliktsrichtung zusammen: Der Lieferant übergab das Rauschgift in den Niederlanden ohne Vorkasse an seine Landsleute, die es - wie er wußte und wollte - in Deutschland verkauften.
3. Bei der hier gegebenen Sachlage liegt auch keine Beihilfe des Angeschuldigten zur Einfuhr der Betäubungsmitteln durch K. vor. Der Fall unterscheidet sich wesentlich von dem dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 1994 (BGHSt 40, 208, 210) zugrundeliegenden Sachverhalt. Denn dort hatte der Angeklagte gerade ein - insoweit mit dem Verkäufer übereinstimmendes - Interesse an der Einfuhr, um sodann das Rauschgift erwerben zu können.
4. Die Entscheidung über den Erlaß des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls obliegt dem Amtsgericht, so daß ein örtlich zuständiges Amtsgericht zu bestimmen war (vgl. BGHSt 32, 159, 161). Das Amtsgericht Aachen ist sach- und (hinsichtlich der Niederlande) ortsnah; zudem hat auch die Staatsanwaltschaft Aachen ermittelt. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergibt sich aus § 6 Nr. 5 StGB (vgl. BGHSt 27, 30 ff.).
Externe Fundstellen: NJW 2002, 3486; NStZ 2003, 269
Bearbeiter: Ulf Buermeyer