HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 319
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 438/11, Beschluss v. 09.02.2012, HRRS 2012 Nr. 319
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. März 2011 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Angeklagte war wiederholt an Geschäften mit unversteuert, d.h. ohne Anmeldung von deutscher Tabaksteuer nach Deutschland verbrachten Zigaretten beteiligt. Deshalb wurde er wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision ist auf die nur zum ersten Fall der Urteilsgründe konkret begründete Sachrüge gestützt. Sie ist unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO, was nur hinsichtlich dieses Falles näher auszuführen ist.
1. Die Strafkammer hat zu diesem Fall zur Beteiligung des Angeklagten am Absatz von derartigen Zigaretten (10.000 Stangen der Marke "Jin Ling") Folgendes festgestellt:
Nachdem die Zigaretten bereits im Inland waren, war der ursprünglich vorgesehene Abnehmer abgesprungen. Daraufhin wandte sich "D.", der den Transport im Auftrag der Lieferanten organisierte, hilfesuchend an den bisher an dem Geschehen nicht beteiligten Angeklagten, er brauche Lagerfläche und einen Abnehmer. Der Angeklagte nahm Kontakt mit dem gesondert verfolgten O. auf, der an der Abnahme der Zigaretten interessiert war. Der Angeklagte, die Transporteure, O. und ein Partner O. s trafen sich an einer Raststätte. Das Geschäft kam zustande, der Partner O. s dirigierte den Lastwagen mit den Zigaretten in eine Lagerhalle O. s. Der Angeklagte erhielt für die Vermittlung des Geschäfts aus der Lieferung 1.500, mit logistischer Hilfe eines Partners von O. von ihm dann weiterverkaufte Stangen Zigaretten zu einem Vorzugspreis, wobei er letztlich mit "D." abrechnete.
2. Die Strafkammer hat hinsichtlich der gesamten Lieferung (aus näher dargelegten Gründen gewerbsmäßige) Steuerhehlerei (§ 374 AO) in Form von Absatzhilfe angenommen. Als hinterzogene Steuer hat sie dabei nur (sachgerecht; vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - 1 StR 21/11 mwN) die deutsche Tabaksteuer zugrunde gelegt.
Die Revision meint, Steuerhehlerei liege lediglich hinsichtlich der Übernahme der 1.500 Stangen Zigaretten vor. Soweit der Angeklagte davor gehandelt habe, seien die Zigaretten insgesamt noch nicht "zur Ruhe gekommen", die Steuerhinterziehung also noch nicht beendet gewesen. Daher könne er insoweit keine Steuerhehlerei begangen haben, es liege vielmehr Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor.
3. Der Senat sieht keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.
a) Als der Angeklagte Kontakt mit O. aufnahm, war die Steuerhinterziehung zwar bereits vollendet, aber noch nicht beendet, da die Zigaretten bereits im Inland, aber noch nicht "zur Ruhe gekommen" waren (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09 mwN).
Es wird unterschiedlich beurteilt, ob Steuerhehlerei nur nach Beendigung der Vortat begangen werden kann. Die Beendigung der Vortat wird z.B. ohne nähere Begründung und für Fallgestaltungen, bei denen nicht Steuerhehlerei in Form der Absatzhilfe im Raum stand, von BGH, Urteil vom 4. September 1956 - 5 StR 64/56 <nicht tragend> für erforderlich gehalten, ebenso von BGH, Urteil vom 24. Juni 1952 - 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 44 noch zu § 398 RAbgO, hier sollte "die Ware aus der ... gefährlichen Nähe der Grenze" weggebracht werden (aaO 45), sowie von BayObLG wistra 2003, 316, 317 und Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 374 AO Rn. 26 ff. mwN. Eine Vollendung der Vortat halten hingegen für ausreichend z.B. Jäger in FGJ, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 13; Wegner in MüKo AO, § 374 Rn. 23 f.; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 374 AO Rn. 17, in vergleichbarem Sinne auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 245/00.
b) Nach Auffassung des Senats kann Steuerhehlerei jedenfalls in Form der Absatzhilfe - hinsichtlich anderer Begehungsformen ist dies hier nicht zu prüfen - auch dann vorliegen, wenn die Vortat (hier Steuerhinterziehung) zwar vollendet, aber noch nicht beendet ist.
(1) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Sachhehlerei grundsätzlich eine abgeschlossene Vortat erfordert (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 9. November 2011 - 2 StR 386/11; zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 8 mwN).
(2) Jedoch kann für Sachhehlerei sogar eine nur versuchte Tat als Vortat dann ausreichen, wenn diese den Vortäter bereits in den Besitz der Sache gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, StV 1996, 81 f. mwN; ebenso Walter in LK, 12. Aufl., § 259 Rn. 19, wonach dies im Ergebnis unstreitig sei). Dieser Gesichtspunkt ist hier nicht einschlägig, weil die vorangegangene Steuerhinterziehung nicht unmittelbar an die rechtswidrige Erlangung von Sachherrschaft anknüpfte (vgl. Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 374 AO Rn. 19). Wenn jedoch sogar eine nur versuchte Vortat Grundlage der Sachhehlerei sein kann, zeigt dies aber, dass nicht allein auf das formale Stadium der Vortat abzustellen ist, sondern dass auch die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen sind.
Gründe für die Annahme, dass dies nur für Sachhehlerei, aber nicht für Steuerhehlerei gelten würde, sind nicht ersichtlich.
(3) Die hier maßgeblichen Gesichtspunkte ergeben sich bereits aus dem Wesen der Absatzhilfe. Diese ist eine zur Täterschaft erhobene Beihilfe, weil die Absatztat für den Vortäter nicht gesondert strafbar ist (vgl. Jäger in FGJ, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 21 mwN). Dennoch ist die Möglichkeit des Absatzes regelmäßig der eigentliche Grund für die der Steuerhehlerei vorangegangene Steuerhinterziehung in Form des "(Zigaretten-)Schmuggels". Denn in Fällen der vorliegenden Art werden, anders als z.B. beim Diebstahl als Vortat einer Sachhehlerei, zunächst Kosten für den Erwerb der Zigaretten aufgewendet. Hinzu treten die Kosten für ihren Transport und das Risiko der Entdeckung mit allen Folgen. Der Vortäter würde all dies nicht auf sich nehmen, wenn er bei Begehung der Steuerhinterziehung nicht bereits die sichere Erwartung des gewinnbringenden Weiterverkaufs der Zigaretten vor Augen hätte, sondern lediglich deren Verwahrung in einem Versteck, wo sie zur Ruhe kommen, oder - noch fernliegender - eigenen Verbrauch.
(4) Hilfe bei dem für den Vortäter also wesentlichen Absatz (Absatzhilfe) kann typischerweise (wie auch vorliegend) in der Vermittlung von Kontakten zu Kaufinteressenten liegen (vgl. zur Sachhehlerei Jahn in SSW, § 259 StGB Rn. 26). Die Absatzhilfe geht im Erfolgsfalle der Übertragung an den Abnehmer jedenfalls regelmäßig voraus. Sie beschränkt sich also nicht auf Fallgestaltungen, in denen die Steuerhinterziehung bereits beendet ist, weil die Ware schon aus anderem Grunde zur Ruhe gekommen ist (vgl. zu dieser Fallgestaltung BGH, Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 245/00). Vielmehr sind auch die - häufigeren - Fälle erfasst, in denen die Steuerhinterziehung erst mit der Übergabe der "Schmuggelware" an den Kaufinteressenten beendet wird. Eine Verurteilung allein wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung würde das nach gesetzlicher Wertung beim Tatbeteiligten eigenständige Unrecht, das in der Mitwirkung am Absatz liegt, nicht erfassen.
(5) Abweichende Entscheidungen anderer Senate zum gleichen Sachverhalt sind nicht ersichtlich. Sie würden im Hinblick auf die inzwischen (allein) dem Senat übertragene Zuständigkeit für Steuerstrafsachen auch nicht zu einem Verfahren nach § 132 GVG führen (Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 132 GVG, Rn. 12, Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 132 GVG, Rn. 14).
c) An den Voraussetzungen der Absatzhilfe bestehen hier auch sonst keine Zweifel.
(1) Der Angeklagte wollte nicht lediglich die Zigaretten sichern. Er hat nämlich entsprechend der Bitte von "D. " nicht etwa nur einen Lagerplatz beschafft, von dem aus dieser den Absatz der Zigaretten selbst hätte weiterbetreiben können. Er hat darüber hinaus auch einen Abnehmer der Ware beschafft, der die Zigaretten dann in seiner eigenen Halle gelagert hat (zur Bedeutung der - hier ohne Weiteres klaren - Willensrichtung zur Abgrenzung zwischen Beihilfe zur Vortat und Steuerhehlerei vgl. Jäger in FGJ, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 13 mwN).
(2) Dass der Angeklagte im "Lager" von "D." tätig wurde (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 StR 145/08 mwN), ergibt sich daraus, dass er auf dessen Initiative tätig wurde; dass er zugleich auch ein für den Abnehmer nicht nachteiliges Geschäft vermitteln wollte, steht dem nicht entgegen.
(3) Die erforderliche Unselbständigkeit der Tätigkeit des Angeklagten gegenüber "D." (vgl. BGH aaO mwN) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung zum Weiterverkauf der Zigaretten an O. nicht vom Angeklagten, sondern allein von "D. " getroffen wurde.
Auch sonst sind Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ersichtlich.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 319
Externe Fundstellen: BGHSt 57, 151; NJW 2012, 1746; NStZ 2012, 332; NStZ 2012, 640
Bearbeiter: Karsten Gaede