HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 102
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 277/09, Urteil v. 08.12.2009, HRRS 2010 Nr. 102
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Dezember 2008 werden mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Angeklagten B. L. die Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 (Az.: ) entfällt.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in acht Fällen schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten M. L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten B. L. unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Den in dem vorbezeichneten Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck angeordneten Entzug der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins sowie die angeordnete Sperrfrist von acht Monaten hat das Landgericht aufrechterhalten.
Außerdem hat es gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 463.410,-- € angeordnet. Gegen diese Verurteilung richten sich die Revisionen der beiden Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Ihre Rechtsmittel bleiben jedoch ohne Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die beiden Angeklagten betrieben einen Handel mit der chemischen Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL). GBL wird industriell in großen Mengen hergestellt, in Deutschland insbesondere von der Firma BASF mit einer Jahresproduktion von ungefähr 50.000 Tonnen. Es wird hauptsächlich in der Industrie als Ausgangsstoff für chemische Synthesen oder als Wirkstoff in Reinigungsund Lösungsmitteln eingesetzt, z.B. in Graffitientfernern in einer Konzentration von fünf bis zehn Prozent. Es kann aber auch in nahezu reiner Form (etwa mit einem Reinheitsgrad von 99,9 %) als Droge verwendet werden. Bei GBL handelt es sich um einen Ester der Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB), auch bekannt als "liquid ecstasy", die - anders als GBL - dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt. GBL ist einer der Grundstoffe bei der Herstellung von GHB. Bei einer oralen Einnahme wandelt es sich im menschlichen Körper in weniger als einer Minute in GHB um und hat deshalb dieselbe berauschende Wirkung wie GHB.
Dementsprechend wirkt GBL in einer Dosis bis zu zweieinhalb Milliliter euphorisierend, angstlösend und sexuell stimulierend. Aber schon eine geringe Überdosierung oder die Einnahme in Verbindung mit Alkohol kann zu schwerwiegenden, möglicherweise auch lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung, komatösen Zuständen, Atemstillstand oder zu Herzoder Kreislaufversagen führen. Der dauerhafte Konsum von GBL macht zudem süchtig. Schwerstabhängige müssen die Substanz stündlich einnehmen, um nicht an starken Entzugserscheinungen zu leiden. Um der Gefahr zu begegnen, dass GBL als Droge missbraucht oder zur Herstellung von GHB verwendet wird, hat sich die chemische Industrie einer freiwilligen Selbstkontrolle unterworfen (sog. Monitoring). Der Verkauf des Mittels ist gewissen Beschränkungen unterworfen. Danach verlangen die Hersteller von jedem Abnehmer eine Endverbleibserklärung sowie die Verpflichtung, seinerseits von seinen Kunden eine dementsprechende Erklärung zu fordern. Verdachtsfälle werden an die gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden gemeldet. Privatverbraucher können deshalb konsumtypische Kleinmengen GBL im Chemikalienhandel nicht ohne weiteres beziehen.
Die Angeklagten machten im Jahr 2004 erstmals eigene Erfahrungen mit dem Konsum von GBL. Zuvor hatten sie sich im Internet mit der Wirkungsweise der Substanz vertraut gemacht. Ihnen war bekannt, dass die Einnahme von GBL nicht nur die gewünschte Berauschung, sondern auch die bereits beschriebenen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Folge haben konnte. Seit Sommer 2004 erwarben sie GBL in einer Chemikaliengroßhandlung und verkauften die Substanz in Gewinnerzielungsabsicht an Dritte weiter, die das GBL wegen dessen berauschender Wirkung konsumieren wollten. Eine Verdachtsmeldung an die gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle führte am 24. Februar 2005 zu einer Durchsuchung der Wohnungen der beiden Angeklagten.
Dabei wurden Restmengen von GBL sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft erhob in einem anderen Verfahren unter dem Datum des 16. November 2005 Anklage gegen die beiden Angeklagten. Am 28. März 2007 wurden sie durch das Amtsgericht Hersbruck wegen des unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in drei Fällen (Tatzeitraum August bis Oktober 2004) jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das Urteil ist infolge der von den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen nicht rechtskräftig.
Nach den Wohnungsdurchsuchungen im Februar 2005 setzten die Angeklagten ihren Handel mit GBL fort, obwohl ihnen von zwei Rechtsanwälten geraten worden war, "von einem solchen Verkauf die Finger zu lassen" (UA S. 55). Über das Internet verkauften sie Mengen von 250, 500, 1.000, 5.000 und 10.000 Millilitern. Der von ihnen geforderte Durchschnittsverkaufspreis lag bei 100,-- € pro Liter. Sie selbst hatten beim Einkauf im Großhandel lediglich zwischen 12,50 € und 21,-- € pro Liter für das GBL gezahlt. Der Versand durch die Angeklagten erfolgte per Post. Das GBL war in Plastikflaschen abgefüllt, die mit Warnhinweisen versehen waren, die auf die Gesundheitsschädlichkeit von GBL hinwiesen. Gebrauchsanweisungen für die Verwendung als Lösungs- oder Reinigungsmittel waren demgegenüber nicht beigefügt. Auf ihren Internetseiten bezeichneten die beiden Angeklagten die von ihnen vertriebenen Produkte als "wheel-cleaner" oder als "glue-remover" aus "100 % reinem GBL" bzw. "purecleaner (gbl)" mit einer "Reinheit von mindestens 99,94 %", mit dem "besonders gut Kleberückstände, metallische Oberflächen, Nagellacke, Graffitis usw." entfernt werden könnten. Außerdem warben sie mit "Verkauf an Privat/kein Monitoring".
Die von den Angeklagten verwendeten Bezeichnungen dienten nach den landgerichtlichen Feststellungen lediglich der Verschleierung des eigentlichen Verwendungszweckes. Das Angebot der Angeklagten richtete sich vornehmlich an einen Kundenkreis, der das - für Privatpersonen aufgrund des sog. Monitorings schwer zu beschaffende - GBL erwerben wollte, um sich damit zu berauschen, ohne zugleich behördlich erfasst zu werden. Demzufolge nahmen die Angeklagten ihren Kunden keine Endverbleibserklärungen ab; sie forderten keinerlei Nachweise, auch nicht bezüglich des Alters ihrer Kunden, sondern gaben das von ihnen vertriebene GBL ohne jegliche Einschränkung an ihre Interessenten ab.
In der Zeit vom 4. März 2005 bis 13. Februar 2007 wurde den Angeklagten in acht Fällen GBL in Mengen zwischen 100 und 1.492 Litern geliefert. Die auf diese Weise beschaffte Gesamtmenge von insgesamt 5.699 Litern gaben die Angeklagten bis auf eine Restmenge von 550 Litern, die bei neuerlichen Durchsuchungen ihrer Wohnungen und eines ihrer Lagerräume sichergestellt werden konnte, an ihre Kunden ab, wobei sie das GBL in einer großen Anzahl von Fällen in kleinen Mengen zwischen 0,1 und 1,0 Liter weiterverkauften. Bei insgesamt mehr als 4.000 Verkaufsgeschäften erzielten die beiden Angeklagten einen Erlös von etwa 564.000,-- €. Durch die Einnahme des von den Angeklagten vertriebenen GBL kam es bei einigen Konsumenten, die zum Teil noch minderjährig waren, zu beträchtlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Bewusstseinsverlust, Schwindelgefühlen, Erbrechen oder schwerer Abhängigkeit.
Das Landgericht ist zu Gunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass diese mit dem Eintritt solcher Folgen bei ihren Abnehmern nicht rechneten bzw. solche nicht billigten.
2. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten in dem Tatzeitraum vom 4. März 2005 bis 13. Februar 2007 als ein unerlaubtes Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG in acht Fällen bewertet, wobei es bezüglich der einzelnen Taten nicht auf die Verkaufsgeschäfte zwischen den Angeklagten und ihren privaten Abnehmern, sondern auf die im Tatzeitraum erhaltenen Lieferungen abgestellt hat. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung allerdings verneint, dass es sich bei dem von den Angeklagten vertriebenen GBL nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG (in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung) handelt.
Diese Einschätzung hat es darauf gestützt, dass die Substanz nicht nur nach den Vorstellungen des Herstellers, sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung lediglich als Industriechemikalie anzusehen sei. Die Einordnung der Substanz als Arzneimittel ergebe sich jedoch aus der Zweckbestimmung durch die Angeklagten, die das Mittel in erster Linie zur Verwendung als Droge an ihre Kunden abgegeben hätten. Zwar sei die Arzneimitteleigenschaft grundsätzlich objektiv zu bestimmen, es liege vorliegend jedoch einer der Ausnahmefälle vor, bei denen es nur auf eine subjektive Zweckbestimmung ankomme.
Da die von den Angeklagten vertriebene Substanz für mehrere Verwendungszwecke geeignet sei, nämlich als Industriechemikalie und zur Erzeugung eines Rauschzustands bei oraler Einnahme, sei für die Einordnung der Substanz als Arzneimittel maßgeblich auf die Zweckbestimmung dessen abzustellen, der ein Mittel in Verkehr bringe. Im vorliegenden Fall komme es daher allein auf die Zweckbestimmung durch die Angeklagten an, die bei der Abgabe des GBL an ihre Kunden dessen Einsatz als Rauschmittel im Auge gehabt hätten.
Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, wie der Generalbundesanwalt schon in seinen Antragsschriften vom 19. Juni 2009 zutreffend ausgeführt hat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat - abgesehen von der Aufrechterhaltung der Sperrfrist hinsichtlich des Angeklagten B. L. - ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere wird der Schuldspruch wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis getragen.
Allerdings hat das Landgericht die Arzneimitteleigenschaft des von den Angeklagten vertriebenen Gamma-Butyrolactons (GBL) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF für sich genommen nicht tragfähig begründet. Denn es hat insoweit einen unzutreffenden Maßstab angelegt, als es bei der arzneimittelrechtlichen Einordnung der Substanz allein auf die subjektive Zweckbestimmung durch die Angeklagten abgestellt hat und die Frage, ob es sich bei dem Mittel auch nach der Verkehrsauffassung um ein Arzneimittel handelt, verneint bzw. an anderer Stelle des Urteils offen gelassen hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF sind Arzneimittel unter anderem Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Diese Zweckbestimmung richtet sich, was das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, grundsätzlich nach objektiven Kriterien, nämlich der Verkehrsanschauung. Nur im Ausnahmefall, etwa wenn sich die Zweckbestimmung bei neuartigen Substanzen (noch) nicht beurteilen lässt, kann es auf subjektive Kriterien wie den vom Hersteller oder Abgebenden bestimmten Zweck ankommen (vgl. BGHSt 43, 336, 339 f. m.w.N.; BGH NStZ 2008, 530). Ein weiterer Ausnahmefall, in dem eine subjektive Zweckbestimmung erforderlich werden kann, ist auch für solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen bejaht worden, die, wie z.B. Nitroglycerin, sowohl als Arzneimittel als auch zu technischen Zwecken verwendet werden können (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. AMG § 2 Anm. 24; vgl. auch BGHSt 43, 336, 339, insoweit jedoch nicht tragend; Sander, Arzneimittelrecht 46. Lfg. AMG § 2 Erl. 1; Körner, BtMG 6. Aufl. Vorbem. AMG Rdn. 15 u. 49 zur Arzneimitteleigenschaft von Lachgas; jeweils allerdings ohne konkretisierende Begründung). Das Landgericht ist dieser Auffassung gefolgt. Es hat einen solchen Ausnahmefall bei mehreren Verwendungszwecken auch vorliegend angenommen, da die von den Angeklagten vertriebene Substanz nicht nur als Industriechemikalie oder Reinigungsmittel, sondern bei einer Einnahme durch den Menschen auch als Droge eingesetzt werden kann. Obwohl das Landgericht eine Arzneimitteleigenschaft des GBL nach der Verkehrsanschauung verneint bzw. offen gelassen hat, ist es aufgrund des von den Angeklagten bei der Abgabe bestimmten Zwecks, nämlich der Verwendung als Rauschmittel, davon ausgegangen, dass es sich bei GBL um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs.1 Nr. 5 AMG aF handelt.
Die genannte Auffassung lässt jedoch außer Acht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Arzneimittelbegriff einer einschränkenden Auslegung bedarf (BVerfG NJW 2006, 2684, 2685). Das Kriterium der subjektiven Zweckbestimmung kann daher bei der Einordnung eines Stoffes oder einer Zubereitung von Stoffen als Arzneimittel nicht zu einer Ausweitung des gesetzlichen Tatbestands führen, sondern angesichts der außerordentlichen tatbestandlichen Weite lediglich zu einer Begrenzung der Strafbarkeit herangezogen werden. Auf diese Weise werden Substanzen, die zwar die von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF geschilderten Wirkungsweisen aufweisen, aber nicht zum Zweck der Einflussnahme auf den menschlichen Körper eingesetzt werden sollen, dem Anwendungsbereich der im Arzneimittelgesetz enthaltenen Strafvorschriften entzogen. Auch dem Rückgriff auf die Vorstellungen des Produktherstellers in den Fällen, in denen es an einer Verkehrsanschauung (noch) fehlt, kommt limitierende Wirkung zu (BVerfG aaO).
Dieser Begrenzungsfunktion der subjektiven Zweckbestimmung liefe es jedoch zuwider, wenn in Fällen, in denen nach der Verkehrsanschauung objektiv kein Arzneimittel vorliegt, die Einordnung einer Substanz unter den Arzneimittelbegriff und damit auch die Strafbarkeit nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften allein mit der vom Hersteller oder vom Abgebenden zum Ausdruck gebrachten Zweckbestimmung begründet würde. Denn dies würde nicht zu einer Begrenzung, sondern zu einer Erweiterung des Tatbestandes führen, da eine Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz auch dann gegeben wäre, wenn die in den Verkehr gebrachte Substanz nach der Verkehrsanschauung kein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG aF darstellte. Steht daher aufgrund objektiver Kriterien fest, dass ein Stoff bzw. eine Stoffzubereitung zu keinem der in § 2 AMG aF genannten Verwendungszwecke bestimmt ist, kommt ein Rückgriff auf die Zweckbestimmung, die der Hersteller eines Mittels oder derjenige, der es in den Verkehr bringt, diesem Mittel gibt, zur Begründung einer Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz nicht in Betracht.
1. Dennoch halten die Schuldsprüche auf der Basis der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Bei der von den Angeklagten vertriebenen Substanz handelt es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF.
a) Ob ein Stoff (oder eine Zubereitung aus Stoffen) zu einem der in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF aufgeführten Zwecke bestimmt ist, richtet sich grundsätzlich nach der Verkehrsanschauung. Dabei ist auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers - hier: der am Gebrauch euphorisierend wirkender Mittel Interessierten - abzustellen. Die Verkehrsanschauung knüpft dabei regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Anschauungen der Verbraucher werden weiterhin durch die stoffliche Zusammensetzung eines Erzeugnisses, die pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels, durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft sowie durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise, Gebrauchsanweisungen oder durch die Aufmachung beeinflusst, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt. Von Bedeutung sind schließlich auch der Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber auch die Gefahren aufgrund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch (vgl. BGHSt 46, 380, 383; BGHZ 151, 286, 291; BVerwGE 97, 132, 135; Kloesel/Cyran, aaO AMG § 2 Anm. 20 f.; Körner, aaO Vorbem. AMG Rdn. 12 f.).
b) Das Landgericht hat angenommen, dass es sich bei GBL nach der Verkehrsauffassung um eine Industriechemikalie und nicht um ein Arzneimittel handele, und dies damit begründet, dass die Verwendung als Rauschdroge gegenüber der industriellen Verwendung quantitativ unbedeutend sei. Tatsächlich hat die Rechtsprechung bei der Prüfung der Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes darauf abgestellt, wie groß der Anteil der Verbraucher ist, die diesen Stoff als Arzneimittel ansehen (vgl. BGHSt 46, 380, 383 m.w.N.). Dabei ging es jedoch um die anders gelagerte Frage der Abgrenzung zwischen Arzneiund Lebensmitteln.
In derartigen Fällen kann es gerade deshalb zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, weil sich die Verwendung von Arzneioder Lebensmitteln bei einer oralen Einnahme äußerlich nicht voneinander unterscheidet. Bei der Beurteilung, ob sich eine Verkehrsauffassung hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes gebildet hat, kann es daher bedeutsam sein, wie viele der Verbraucher den Stoff in die eine oder andere Richtung verwenden wollen.
Anders als bei der Einordnung eines Stoffes als Arznei- oder Lebensmittel wird GBL aber nicht einheitlich verwendet. Vielmehr unterscheidet sich die Art und Weise seines Gebrauchs nach dem jeweiligen Verwendungszweck. In der chemischen Industrie wird es in großen Mengen produziert und anderen Stoffen zur Durchführung von chemischen Synthesen oder - in einer geringen Konzentration von lediglich fünf bis zehn Prozent - zur Herstellung von Reinigungsund Lösungsmitteln zugesetzt. Demgegenüber wird GBL von Personen, die sich damit berauschen wollen, in einer Dosis von wenigen Millilitern und in nahezu reiner Form konsumiert. Da diese unterschiedlichen Verwendungsarten weder qualitativ noch quantitativ vergleichbar sind, kommt es für die Beurteilung einer Verkehrsauffassung nicht auf deren zahlenmäßiges Verhältnis zueinander an. Maßstab kann vielmehr nur die Verwendung innerhalb eines einheitlichen Verkehrskreises sein, in dem das Mittel auf dieselbe Art und Weise gebraucht wird, da nur insoweit eine Vergleichbarkeit der Verwendungsmöglichkeiten besteht.
Die quantitative Betrachtungsweise des Landgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass es schon aus Gründen des Gesundheitsschutzes, wie er etwa auch vom Arzneimittelgesetz bezweckt wird (vgl. § 1 AMG), nicht angezeigt ist, bei der Beurteilung einer Verkehrsauffassung allein auf einen zahlenmäßigen Vergleich der unterschiedlichen Verwendungsarten abzustellen. Selbst wenn mehrere zehntausend Tonnen eines Stoffes zu industriellen Zwecken eingesetzt werden, sagt dies für sich genommen noch nichts darüber aus, ob dieser Stoff daneben nicht auch von einer großen Zahl von Verbrauchern zur Anwendung im oder am menschlichen Körper eingesetzt wird, selbst wenn der Umfang des Gebrauchs für diese Anwendung gegenüber dem Umfang der industriellen Verwendung verhältnismäßig gering erscheinen mag. Da sich auch diese Verbraucher durch die Verwendung eines solchen Stoffes einer erheblichen Gefahr für ihre Gesundheit aussetzen können, liefe es den Aspekten des Gesundheitsschutzes zuwider, ihnen diesen Schutz durch das AMG zu versagen, nur weil dieser Stoff quantitativ überwiegend in der Industrie Verwendung findet.
Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, dass die Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes freilich nicht schon dadurch begründet wird, dass er von einigen wenigen Verbrauchern, denen die Wirkungsweise des Stoffes bekannt ist, als Rauschmittel verwendet wird. Kennen aber zahlreiche Verbraucher die Wirkungsweise eines Mittels und hat sich eine Verbrauchergewohnheit gebildet, dieses Mittel zu den in § 2 Abs. 1 AMG aF benannten Zwecken zu verwenden, so liegt ein Arzneimittel vor (vgl. Sander, aaO AMG § 2 Erl. 1).
c) An diesen Maßstäben gemessen, gilt Folgendes: Nach den Feststellungen des Landgerichts führt die Einnahme von Gamma-Butyrolacton (GBL) bei einem Menschen zu Rauschzuständen, es beeinflusst die Stimmungslage und wirkt euphorisierend, angstlösend und sexuell stimulierend. Der dauerhafte Missbrauch kann zu schweren Abhängigkeitserkrankungen führen, schon geringe Überdosierungen zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung, Atemstillstand, Herzoder Kreislaufversagen und möglicherweise auch zum Tod des Einnehmenden. Da sich GBL nach der Einnahme im Körper in kurzer Zeit in Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB) umwandelt, dessen Ester es ist, entspricht GBL auch in seiner pharmakologischen Wirkung dieser Droge, die unter dem Namen "liquid ecstasy" bekannt ist und aufgrund der 16. BtMÄndV vom 28. November 2001 (BGBl. I S. 3338) seit 1. März 2002 dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt. GHB wird nach den Feststellungen des Landgerichts zudem als Wirkstoff in Medikamenten genutzt. So findet sich dieser Stoff in dem Medikament "Somsanit", einer Injektionslösung für Anästhesiezwecke, und "Xyrem", das zur Behandlung von Schlafstörungen verwendet wird. Hinzu kommt, dass die berauschende Wirkung von GBL öffentlich bekannt ist. Gerade wegen der Gefahr des Missbrauchs von GBL als Droge oder als Ausgangsstoff zur Herstellung des unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Mittels GHB ("liquid ecstasy") unterwirft sich die chemische Industrie einer freiwilligen Selbstkontrolle durch das sog. Monitoring, indem die Hersteller von ihren Abnehmern Endverbleibserklärungen verlangen.
Solche Schutzmaßnahmen sprechen dagegen, dass nur wenige Verbraucher Kenntnis von den Verwendungsmöglichkeiten des GBL als Droge oder als Ausgangsstoff zur Herstellung von Drogen haben und sich der Missbrauch von GBL deshalb nur auf einen geringen Kreis von Anwendern beschränkt. Der Umstand, dass sich zudem im Internet leicht zugängliche Informationen über die Wirkungsweise des GBL finden, spricht ebenfalls dafür, dass diese einem größeren Verbraucherkreis bekannt ist. Auf diese Weise haben auch die Angeklagten ihre Kenntnisse von der berauschenden Wirkung der Substanz erlangt. In "Drogenforen" im Internet, an denen auch der Angeklagte M. L. mit eigenen Beiträgen aktiv teilgenommen hat, wird nach den Feststellungen des Landgerichts anhaltend über die Verwendung von GBL als Rauschmittel, die dazu angebrachte Dosierung, etwaige Vorsichtsmaßnahmen und insbesondere mögliche Bezugsquellen diskutiert. Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass in einer Pressemitteilung der Zollfahndung in Hamburg vom 28. April 2004 - die im Übrigen auch den beiden Angeklagten vorlag - über - Ermittlungen gegen ein Hamburger Unternehmen berichtet worden sei, das eine größere Menge an GBL beschafft habe, das zur Herstellung der synthetischen Droge GHB, besser bekannt unter dem Namen "liquid ecstasy", verwendet werden könne. Diese Pressemitteilung enthielt zudem einen Text mit der Überschrift "Hintergrund-Info Liquid Ecstasy", in dem unter anderem auf die pharmakologische Wirkung und die beträchtlichen Gesundheitsgefahren dieser Substanz hingewiesen wurde.
Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass es eine Praxis von zahlreichen Konsumenten gibt, GBL aufgrund seiner berauschenden Wirkung als Droge zu verwenden, und sich hierfür auch ein Markt gebildet hat. In diesem Zusammenhang ist es zu sehen, dass nach den landgerichtlichen Feststellungen allein von den Angeklagten im hier relevanten Tatzeitraum etwa 5.000 Liter GBL durch mehr als 4.000 Verkaufsgeschäfte veräußert wurden. Unter Zugrundelegung einer Dosierung von zweieinhalb Millilitern, die regelmäßig noch nicht unmittelbar zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung führt, ergibt sich, dass aus der von den Angeklagten veräußerten verfahrensgegenständlichen Gesamtmenge an GBL mindestens zwei Millionen Konsumeinheiten hätten hergestellt werden können. Angesichts dieser Umstände, namentlich der pharmakologischen Wirkung von GBL und der Möglichkeiten, sich über diese etwa durch Beiträge hierüber im Internet zu informieren, sowie der von dem Landgericht festgestellten beträchtlichen Verkaufszahlen und Mengen an GBL, die von den Angeklagten veräußert wurden, steht fest, dass zahlreichen Verbrauchern die Wirkungsweise von GBL bekannt ist und sich auch ein entsprechender Markt an Konsumenten gebildet hat. Diese Substanz ist daher auch nach der allgemeinen Verkehrsanschauung aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Fall einer oralen Einnahme dazu bestimmt, den seelischen Zustand eines Menschen zu beeinflussen. Demnach handelt es sich aber nicht nur nach der Zweckbestimmung durch die Angeklagten, sondern bereits nach objektiven Kriterien um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF (so auch Körner, BtMG 6. Aufl. Anhang zum BtMG Teil C 1 Rdn. 615; allgemein zur Einordnung von Psychopharmaka unter den Arzneimittelbegriff vgl. BGHSt 43, 336, 341 m.w.N.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. AMG § 2 Anm. 74).
d) Der Umstand, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine Verkehrsauffassung hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft des GBL gebildet hat, einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat, indem es allein auf das zahlenmäßige Verhältnis der unterschiedlichen Verwendungsarten abgestellt hat, erfordert nicht die Aufhebung des Urteils. Die Beurteilung der Verkehrsanschauung ist zwar grundsätzlich tatgerichtliche Aufgabe (vgl. Kloesel/Cyran aaO Anm. 21). Hat das Tatgericht aber bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und sich deshalb - wie im vorliegenden Fall - daran gehindert gesehen, einen Schluss auf deren Bestehen zu ziehen, kann das Revisionsgericht aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen selbst die Schlussfolgerungen ziehen, die sich auch dem Tatgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabes hinsichtlich des Bestehens einer Verkehrsauffassung aufgedrängt hätten, und in der Sache selbst entscheiden. Es kann insoweit nichts anderes gelten, als bei einer - noch weiter gehenden - Schuldspruchänderung zu Lasten eines Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Auch dort kann das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden, wenn das Tatgericht durch umfangreiche Feststellungen eine Tatsachengrundlage geschaffen hat, deren Änderung oder Ergänzung durch eine weitere Beweisaufnahme ausgeschlossen werden kann (BVerfG NStZ 2001, 187, 188; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 12). Solche umfangreichen und rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die dem Senat die Beurteilung ermöglichen, ob sich hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft des GBL eine entsprechende Verkehrsanschauung gebildet hat, liegen hier vor.
2. Der Einordnung von GBL als Arzneimittel steht es nicht entgegen, dass aufgrund der 17. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 12. Februar 2002 (BGBl. I S. 612) die Ester von GHB - und damit auch GBL - vom Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen worden sind. Dies hat für eine Strafbarkeit der Angeklagten nach dem Arzneimittelgesetz keine Bedeutung. Die Begriffe Arzneimittel und Betäubungsmittel schließen sich nicht gegenseitig aus. So ergibt sich aus § 81 AMG, dass auf Arzneimittel, die zugleich Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, neben den Vorschriften des AMG auch die des BtMG anwendbar sind. Dieses Zusammenwirken von Betäubungsmittelund Arzneimittelrecht hat zur Folge, dass der Umgang mit Substanzen, die nicht Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, nur nach den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften straflos ist. Insbesondere eine mögliche Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz bleibt hiervon aber unberührt (vgl. BGHSt 43, 336, 342; Körner, aaO § 1 BtMG Rdn. 12).
3. Bei dem von den Angeklagten vertriebenen GBL handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch um ein bedenkliches Arzneimittel gemäß § 5 AMG. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind Arzneimittel bedenklich, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einnahme von GBL kann zu Krämpfen, Brechreiz, Verwirrung und komatösen Zuständen führen. Durch eine Überdosierung oder eine Einnahme in Verbindung mit geringen Mengen an Alkohol kann es zu einem lebensbedrohlichen Atemstillstand oder zu Herzoder Kreislaufversagen kommen. Selbst wenn sich die eingenommene Dosis in einem Bereich bewegen sollte, der nicht unmittelbar zu den beschriebenen schweren Gesundheitsschäden führt, macht der dauerhafte Konsum von GBL süchtig. Es kann zu schwerwiegenden Abhängigkeitserkrankungen kommen, mit der Folge, dass Schwerstabhängige die Substanz - auch in der Nacht - stündlich einnehmen müssen, um nicht an starken Entzugserscheinungen zu leiden. Die Angeklagten haben das GBL überwiegend ohne Dosierungsanleitung und ohne Rücksicht auf das Alter oder die Erfahrungen ihrer Kunden mit entsprechenden Mitteln zum Zweck der oralen Einnahme beliebig weiterverkauft, obwohl sie um die gesundheitlichen Gefahren insbesondere bei Überdosierung oder dauerhaftem Gebrauch wussten. Ihre Abnehmer haben die Substanz dementsprechend als Rauschmittel verwendet, so dass vorliegend der bestimmungsgemäße Gebrauch des GBL mit dem auf diesem Markt vorgesehenen Missbrauch gleichzusetzen ist (vgl. BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittel 2).
4. Weiter liegt kein Rechtsfehler darin, dass das Landgericht entgegen der von der Staatsanwaltschaft - ausweislich der Urteilsgründe - in ihrem Plädoyer vertretenen Auffassung die beiden Angeklagten nicht jeweils wegen nur einer Tat verurteilt hat. Das Landgericht hat trotz umfangreicher Beweisaufnahme keine konkreten Feststellungen dazu treffen können, ob und in welchem Umfang die Angeklagten durch die jeweiligen Einzellieferungen ihr Depot jeweils vor dessen vollständiger Entleerung aufgefüllt haben. Die Annahme einer Bewertungseinheit setzt aber zumindest konkrete Anhaltspunkte voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 20 m.w.N.). Fehlen solche Anhaltspunkte, wie im vorliegenden Fall, gebietet es auch der Zweifelssatz nicht, eine Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 14 m.w.N.). Andererseits beschwert es die Angeklagten nicht, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Konkurrenzen nicht auf die einzelnen von den Angeklagten getätigten Verkaufsgeschäfte mit ihren privaten Abnehmern abgestellt, sondern hinsichtlich der einzelnen Lieferungen des GBL an die Angeklagten jeweils eine Bewertungseinheit angenommen hat und deshalb lediglich von acht Fällen des unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel ausgegangen ist.
5. Das Landgericht hat schließlich mit zutreffender Begründung einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) der beiden Angeklagten verneint. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die Angeklagten, nachdem ihre Wohnungen im Februar 2005 durchsucht worden waren, Rechtsrat hinsichtlich des weiteren Verkaufs von GBL bei ihren zwei damaligen Verteidigern gesucht. Beide Rechtsanwälte hatten den Angeklagten empfohlen, "zur Vorsicht" wegen einer möglichen Strafbarkeit den Verkauf einzustellen bzw. "von einem solchen Verkauf die Finger zu lassen". Selbst nach der damaligen Einschätzung des Angeklagten M. L. war eine Abgabe von GBL zu Konsumzwecken strafbar, wie sich einem von ihm stammenden Eintrag vom Januar 2006 in einem "DrogenForum" im Internet entnehmen lässt: "Solange es (das GBL) nicht zur Einnahme abgegeben wurde, passiert dem Verkäufer nichts" (UA S. 56). Schließlich zeigen auch die Bemühungen der Angeklagten, die Abgabe des GBL zu Konsumzwecken zu verschleiern, indem sie es als Mittel zum Entfernen von Klebstoff ("glue-remover") oder Felgenreiniger ("wheel-cleaner") anboten, dass sie Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden unter allen Umständen vermeiden wollten. Ein solches Vorgehen der Angeklagten setzt damit die gedankliche Auseinandersetzung mit den Grenzen strafbaren Verhaltens voraus und schließt selbst dann, wenn höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen, jedenfalls die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen (vgl. BVerfG NJW 2006, 2684, 2686).
Der Senat hat gemäß § 354a StPO geprüft, ob die Neuregelung des Arzneimittelbegriffs durch das am 23. Juli 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1990) eine den Angeklagten günstigere Bewertung zulässt, als dies nach dem bisherigen Arzneimittelbegriff, der auch der Entscheidung des Landgerichts zugrunde liegt, möglich gewesen ist. Nach der Neufassung sind Arzneimittel unter anderem Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG nF). Mit der Neufassung des Arzneimittelbegriffs hat der Gesetzgeber weiter gehend als bisher Elemente der Definition des Arzneimittels nach der Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) und der Richtlinie 2001/82/EG (Gemeinschaftskodex für Tierarzneimittel) in das deutsche Recht überführt. Nach den Gesetzgebungsmaterialien bleiben die Änderungen zwar weitgehend ohne Auswirkungen in der Anwendungspraxis, weil die Kernelemente der bisherigen deutschen und der gemeinschaftsrechtlichen Arzneimitteldefinition übereinstimmen (BTDrucks. 16/12256 S. 41). Für den Bereich der sog. Funktionsarzneimittel (vgl. zum Begriff Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht 3. Aufl. 113. Lfg. § 2 AMG Anm. 3) hat der Gesetzgeber aber nunmehr klargestellt, dass es für die Einordnung eines Mittels als (Human-)Arzneimittel allein auf dessen Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper ankommt. Für eine Zweckbestimmung des Mittels nach objektiven Kriterien bleibt insoweit kein Raum mehr. Da durch die Einnahme von GBL die körperlichen und seelischen Zustände eines Menschen beeinflusst werden, kommt diesem Mittel eine pharmakologische Wirkung zu.
Nach der Neufassung des Arzneimittelbegriffs handelt es sich bei GBL deshalb um ein (Funktions-)Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Dessen unerlaubte Abgabe an Konsumenten ist daher nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften verboten und unterliegt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG derselben Strafandrohung wie bisher (§ 2 Abs. 1 und 3 StGB). Die Gesetzesänderung lässt daher im Vergleich zur bisherigen gesetzlichen Regelung keine günstigere Bewertung für die beiden Angeklagten zu, so dass im vorliegenden Fall noch von dem Arzneimittelbegriff in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung auszugehen war.
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet - wie auch der Generalbundesanwalt, schon in seinen Antragsschriften vom 19. Juni 2009, zutreffend dargelegt hat - ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Lediglich die Aufrechterhaltung der Sperrfrist aus dem gegen den Angeklagten B. L. ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Hersbruck vom 26. Februar 2007 (Az.: ) hat zu entfallen, da sich die bis 4. Juli 2008 bemessene Sperrfrist infolge des Zeitablaufs erledigt hat (BGH NStZ 1996, 433).
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 102
Externe Fundstellen: BGHSt 54, 243; NJW 2010, 2528; StV 2010, 683
Bearbeiter: Karsten Gaede