Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 251/03, Beschluss v. 16.07.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 28. Februar 2003 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Angeklagte wurde wegen Mordes in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er hat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) seine von ihm getrennt lebende Ehefrau auf offener Straße von hinten erschossen. Anschließend schoß er sich in Selbstmordabsicht in den Kopf und trug schwere Dauerfolgen - Persönlichkeitsveränderung, Sprachstörungen, Erblindung auf einem Auge - davon.
Die Revision des Angeklagten ist auf die nur zum Strafausspruch näher ausgeführte Sachrüge gestützt. Sie bleibt zum Schuldspruch erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Die nach sachverständiger Beratung getroffene Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit beruht im wesentlichen auf folgenden Feststellungen:
Der Verlauf der Ehe des Angeklagten war von grundloser starker Eifersucht des Angeklagten (Eifersuchtswahn) gekennzeichnet, die letztlich auch dazu führte, daß die Ehefrau den Angeklagten verließ. Er war schon vor Jahren bewaffnet in ein Zimmer gestürmt, in dem er seine Ehefrau mit einem Liebhaber vermutete, tatsächlich hielt sie sich dort mit einem Sohn auf. Seine Annahme, seine Ehefrau sei in einen anderen Mann verliebt, stützte er etwa darauf, daß sie im Schlaf "ungewöhnlich atme". Immer wieder bedrohte er sie mit Gewalttätigkeiten bis zum Tode, wenn sie ihm ihren Liebhaber nicht nenne. Er war überzeugt, daß sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Er bot einem Sohn Geld und andere Belohnungen an, wenn er die Mutter zurückbringe, zeigte depressive Züge mit Selbstmorddrohungen und hatte auch noch einen "Dermatozoenwahn", glaubte also, er sei von Ungeziefer befallen. Schließlich kam auch noch vermehrter Alkoholkonsum hinzu. Von den genannten, fest umschriebenen Wahnvorstellungen abgesehen, kam es nicht zu einem Realitätsverlust, der Angeklagte ging seiner Arbeit als Richtmeister in einem Klärwerk kompetent und zuverlässig nach. Jedenfalls im Hinblick auf die Kombination der genannten Störungen und einen zur Tatzeit vorliegenden "leichtgradigen" Alkoholrausch konnte die Strafkammer eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht ausschließen und hat den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.
2. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten erwogen, daß sein Verhalten "eigensüchtig" gewesen sei. Er habe nicht verwinden können, daß seine Ehefrau "sich nach seiner Vorstellung einem anderen Mann zugewandt" hatte. Diese Erwägung hält unter den hier gegebenen Umständen rechtlicher Überprüfung nicht stand: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen Tatmodalitäten einem Angeklagten nur strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH StV 2001, 615 f.).
Für Tatmotive kann nichts anderes gelten. Die Vorstellung, seine Frau habe sich einem anderen Mann zugewandt, ist Kern des Eifersuchtswahns, der wesentlich mit zur Annahme erheblich verminderter Schuld geführt hat. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so daß auch für eine strafschärfende Verwertung der Tatmotivation Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld. Dessen muß sich der Tatrichter erkennbar bewußt sein (vgl. BGH aaO m.N.). Daß dies hier der Fall gewesen wäre, ergeben die Urteilsgründe weder ausdrücklich noch in einer Gesamtschau.
3. Der aufgezeigte Wertungsmangel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Das weitere Vorbringen der Revision, mit dem zusätzliche Wertungsfehler geltend gemacht werden, kann daher auf sich beruhen. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Revision, daß die gegen den Angeklagten wegen des von ihm begangenen Mordes verhängte Strafe schon allein wegen ihrer Höhe auf jeden Fall rechtsfehlerhaft sei.
Die der Strafzumessung zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind von dem aufgezeigten Mangel nicht berührt. Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind, bleiben sie aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2 StPO), so daß die gesamten Urteilsfeststellungen Bestand haben. Ergänzende, zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen bleiben jedoch zulässig.
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 362; StV 2003, 669
Bearbeiter: Karsten Gaede