Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 137/02, Urteil v. 09.10.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 22. November 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagten in den Fällen II. 26 bis 37 der Urteilsgründe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen schuldig sind,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Angeklagten K., S. und M. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie den Angeklagten K. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in einem weiteren Fall zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Jugendstrafe und der Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Im übrigen hat es die Angeklagten A., K. und S. freigesprochen. Ferner hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen bei einer Sperrfrist von jeweils einem Jahr. Die Staatsanwaltschaft erstrebt in den Fällen II. 26 bis 37 eine Verurteilung der Angeklagten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Sie beanstandet zudem beim Angeklagten K. die unterbliebene Festsetzung einer Einzelstrafe im Fall II. 38. Schließlich wendet sie sich gegen die Strafaussetzungen zur Bewährung. Die Rechtsmittel haben überwiegend Erfolg.
In den Fällen II. 26 bis 37 der Urteilsgründe haben sich die Angeklagten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen schuldig gemacht.
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte A. in der Zeit von Juli 1999 bis März 2000 von einem Verkäufer Marihuana und Heroin und veräußerte das Rauschgift gewinnbringend weiter (Fälle II. 1 bis 25). Ab Sommer 2000 erkannten die drei Angeklagten K., S. und M., die mit A. bekannt waren und die selbst Heroin konsumierten, daß bei derartigen Rauschgiftgeschäften nicht unerhebliche Einnahmen zu erzielen waren.
Die Angeklagten kamen überein, über A. s Kontakte auch für sich selbst Heroin zu erwerben, das sie nach Aufteilung in eigener Verantwortung und in eigener Planung an unbekannte Abnehmer zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs selbständig verkaufen wollten. A. sollte den Erwerb organisieren und das Rauschgift in Begleitung eines der drei Angeklagten abholen, um es sogleich nach der Rückfahrt gleichmäßig an alle vier zu verteilen. Zur Finanzierung des jeweiligen Einkaufs stellte jeder der vier Angeklagten eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung. A. fuhr in elf Fällen, etwa im zwei- bis dreiwöchigen Abstand, zu seinem Lieferanten. Er wurde dabei jeweils von einem der drei Mitangeklagten begleitet, so daß M., S. und K. jeweils drei- bis viermal als Begleiter mitfuhren. In einem weiteren Fall verabredete A. den Kauf; die Abwicklung erfolgte in diesem Fall durch die Angeklagten S. und M. Nachdem alle Angeklagten in zehn Fällen jeweils 1.000 DM und in zwei Fällen jeweils 1.200 DM zum Heroinerwerb beigesteuert hatten, erwarben sie zehnmal 40 Gramm Heroin zum Preis von 4.000 DM und zweimal 60 Gramm zum Preis von 6.000 DM. Nach der Rückkehr teilten die vier Angeklagten das Rauschgift absprachegemäß sofort anteilmäßig auf. Davon schnupften S. , K. und M. etwa die Hälfte der jeweils erhaltenen Heroinmenge von zehn oder fünfzehn Gramm - die stets einen Heroinhydrochloridanteil von zehn Prozent aufwiesen - selbst, während sie die andere Hälfte in erster Linie auch zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs zu unterschiedlichen Grammpreisen von 150,- bis 200,- DM an eine Vielzahl von Abnehmern verkauften (UA 13).
Das Landgericht hat sowohl hinsichtlich der Handelsmengen als auch hinsichtlich der für den Eigenverbrauch bestimmten Mengen ein Handeltreiben als auch den Besitz einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verneint. Den Angeklagten könnten nur die auf sie selbst entfallenen Mengen (10 g bei dem Einkauf von 40 g und 15 g bei dem Einkauf von 60 g) zugerechnet werden. Da die anteiligen Mengen zudem noch bei den Angeklagten S., K. und M. zur Hälfte, beim Angeklagten A. zu einem geringen Teil zum Eigenverbrauch bestimmt waren, sei in keinem Fall die nicht geringe Menge von 1,5 g HHC - sowohl was die Handelsmenge (Handeltreiben nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) als auch die für den Eigenverbrauch (Besitz nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bestimmte Menge angeht - erreicht worden.
2. Die nur anteilsmäßig erfolgte Zurechnung der jeweiligen Mengen (Handelsmenge und Eigenverbrauch) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Da die Angeklagten als Mittäter handelten, mußte ihnen sowohl für das Handeltreiben als auch für den Besitz die Gesamtmenge jeder Einkaufsfahrt zugerechnet werden.
a) Soweit es die Handelsmenge angeht, ergibt sich die Zurechnung schon daraus, daß der Sammelkauf der Gesamtmenge im gemeinsamen Interesse aller Angeklagten lag. Sie konnten so ihre Transportkosten reduzieren und ersichtlich konnten sie wegen der größeren Menge das Heroin auch günstiger einkaufen.
b) Sie übten aufgrund des arbeitsteiligen Vorgehens auch gemeinsam Besitz an der für den Eigenverbrauch bestimmten Gesamtmenge aus. Sie hatten einen gemeinsamen Besitzwillen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß bei dem Ankauf und bei dem Transport nicht stets alle vier Angeklagten unmittelbar mitgewirkt haben.
3. Der Senat kann den Schuldspruch umstellen, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen II. 26 bis 37 festgesetzten Einzelstrafen, der Gesamtstrafen und der beim Angeklagten A. verhängten Jugendstrafe. Da der Senat nicht ausschließen kann, daß der dargelegte Rechtsfehler auch den Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis beeinflußt hat, war der gesamte Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob die Angeklagten auch gewerbsmäßig im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG gehandelt haben. Diese Strafzumessungsregel kann auch beim Vorliegen des Verbrechenstatbestandes nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Bedeutung haben (BGH NStZ 1994, 39). Von Bedeutung kann ferner sein, daß zumindest bei den drei Angeklagten S., K. und M. der Eigenkonsum wesentliches Motiv für die Beschaffung und den Handel mit den Betäubungsmitteln war.
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 57
Bearbeiter: Karsten Gaede